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50 Jahre Gruner + Jahr – ein bedeutendes Stück deutsche Pressegeschichte

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1965: Drei Männer und ein Vertrag

Es waren lange Verhandlungen, aber sie sollten sich lohnen. Am 30. Juni 1965 waren sich die drei Männer endlich einig. Mit ihren Unterschriften – im Garten der Reetdachvilla von John Jahr, bei Erdbeerkuchen und Champagner – entstand der damals zweitgrößte deutsche Zeitschriftenverlag nach Springer. Neben dem 59-jährigen Gerd Bucerius unterschrieben den Gründungsvertrag sein Verlegerkollege John Jahr, 65, und der 39-jährige Druckereibesitzer Richard Gruner. Sie gaben dem neuen Unternehmen als Druck- und Verlagshaus den bis heute gültigen Namen: Gruner + Jahr. Warum Bucerius im Verlagsnamen nicht auftaucht? Diese Frage wurde damals häufig gestellt und damit beantwortet, dass „Buci“, wie ihn Freunde nannten, keinen Wert auf die Nennung seines Namens im Firmenkopf gelegt hätte.

John Jahr brachte die Frauenzeitschriften CONSTANZE, BRIGITTE, PETRA und das Magazin SCHÖNER WOHNEN ein. Dazu kam noch die Mehrheit am Wirtschaftsmagazin CAPITAL. Das Frauenmagazin PETRA wurde von Gruner + Jahr später an den Jahreszeiten-Verlag verkauft, der es heute noch verlegt. CONSTANZE wurde nach einigen Jahren mit BRIGITTE verschmolzen und verhalf der Verlagsschwester so zu dem entscheidenden Reichweitensprung an die Spitze des Segments der gehobenen Frauenzeitschriften, das BRIGITTE seither anführt.

Von Bucerius stammte als Einlage in die neue Verlagsgemeinschaft vor allem die Illustrierte STERN – die „Lokomotive, die den ganzen Bahnhof zieht“, wie Nannen später sagte. Daneben, wirtschaftlich bedeutungslos, intellektuell bedeutungsvoll, das Wochenblatt DIE ZEIT, das heute in der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck erscheint.

Der neue Verlag, der zu 28,25 Prozent Gerd Bucerius, zu 32,25 Prozent John Jahr und zu 39,5 Prozent Richard Gruner gehörte, wurde in der Branche lebhaft kommentiert. Der Spiegel witzelte damals: „Drei Männer wollen gemeinsam ‚Schöner Wohnen’; sie haben ‚Zeit’ und ‚Capital’; ihnen leuchtet wöchentlich ein guter ‚Stern’ von allen Kiosken, und die Mitgift der drei fetten Schwestern ‚Constanze’, ‚Brigitte’ und ‚Petra’ ist ihnen gewiss.“

1968 – 1975: Frühe Erwerbungen, unruhige Jahre

Gruner + Jahr wuchs in den ersten Jahren durch Zukäufe. So kam Springer wegen seiner Pressemacht zunehmend unter öffentlichen Druck und veräußerte deshalb den Münchner Verlag Kindler & Schiermeyer, der die Titel Bravo, Jasmin, Twen und Eltern im Programm hatte. Über mehrere Stationen gelangte Gruner + Jahr in den Besitz von 90 Prozent des Verlages. Lediglich Bravo ging an den Bauer-Verlag. Mit den hinzugewonnenen Titeln wurde G+J zum Marktführer im Anzeigengeschäft. 1971 erwarb G+J 24,5 Prozent des Spiegel-Verlages, die nach dem Tod Augsteins auf 25,1 Prozent aufgestockt werden konnten. Weitere Beteiligungen („Vereinigte Motor Verlage“) folgten.

Richard Gruner fand sich in dieser Zeit, ihren Unruhen und ihrem unternehmerischen Geist nicht mehr wieder. Er stieß alle seine Beteiligungen ab und verließ Deutschland. John Jahr und Gerd Bucerius stockten ihre G+J-Anteile auf und verkauften anschließend 25 Prozent an Bertelsmann.

Zum Jahresbeginn 1973 stieg auch Bucerius gänzlich als G+J-Gesellschafter aus. Er tauschte seinen G+J-Anteil gegen ein Aktienpaket von 11,5 Prozent an der Bertelsmann AG. Von diesem Paket lebt – als Erbe – bis heute die ZEIT-Stiftung. Als Folge wurde Bertelsmann mit zunächst 60 Prozent der Anteile Hauptgesellschafter von Gruner + Jahr. Bis 1976 erhöhte Reinhard Mohn den Bertelsmann-Anteil auf 74,9 Prozent.

Ein ganz anderes Ergebnis der unruhigen Jahre war das Redaktionsstatut des STERN. Nachdem Henri Nannen das Magazin in wirtschaftliche und journalistische Höhen geführt hatte, brach in der Redaktion eine scharfe Auseinandersetzung darüber aus, wer in Zukunft über Führung und Ausrichtung des Blattes zu entscheiden hatte. Das Redaktionsstatut von 1969 wurde zum Vorbild für viele deutsche Redaktionen und ein Meilenstein für das Selbstverständnis der Inneren Pressefreiheit.

Der STERN: Die Lokomotive, die den ganzen Bahnhof zieht

Henri Nannen gehörte zwar nicht mehr zu den Gesellschaftern, doch ohne Frage zu den geistigen Vätern von Gruner + Jahr. Der STERN bildete von Beginn an – und bis heute – das ökonomische Rückgrat des Verlages. Dabei war die „Wundertüte“ immer für produktive Aufregungen gut. STERN-Titel wie der gegen das Abtreibungsverbot im Jahr 1971 schrieben Geschichte.
Groß wie der STERN war auch der Skandal, der im Frühjahr 1983 durch die Veröffentlichung der gefälschten „Hitler-Tagebücher“ ausgelöst wurde. Nannen war zwar nur noch Herausgeber, aber er sprach sich dennoch nicht von Mitschuld frei. Der STERN sorgte unter anderem mit einem eigenen Untersuchungsausschuss für schonungslose Aufklärung dieses Medienskandals.
In die nächste Krise wurde der STERN durch den Aufstieg des Privatfernsehens und den davon ausgelösten dramatischen Rückgang des Anzeigengeschäfts gestürzt. Er überlebte und gewann neue Stärke, weil er sich wandelte. Er wurde zum „aktuellen Wochenmagazin“ und steht seitdem im Wettbewerb mit dem Spiegel und dem 1993 vom Burda-Verlag gegründeten Focus. Aus dem STERN heraus entstanden und entstehen im Laufe der Zeit immer wieder neue erfolgreiche Titel im Rahmen seiner Markenfamilie.

G+J entwickelt neue Magazine – und schafft Klassiker

Die erste von G+J neu entwickelte Zeitschrift erschien 1972 unter der Chefredaktion der Verlegertochter Angelika Jahr: ESSEN & TRINKEN, heute längst ein Klassiker.

GEO startete 1976 mit dem Untertitel „ein Magazin vom STERN“. Es wurde ein sensationeller Erfolg und entwickelte seinerseits mehrere neue Ableger unter dem GEO-Label – die Ausgaben im Ausland nicht mitgezählt. Auch das renommierte Kunstmagazin ART (seit 1979) verdankte seinen Start dem STERN, ebenso wie NEON (2003), VIEW (2005) oder VIVA (2012).

1978 startete das von Peter Moosleitner entwickelte populärwissenschaftliche Magazin P.M. Und auch hier bewährt sich die Familienbildung: Unter dem P.M.-Label erscheinen mittlerweile neun Zeitschriften.

Das People-Magazin GALA wurde in Frankreich gegründet und danach auch in Deutschland (1994) eingeführt. Später folgten Polen, Russland und Spanien.
Auch CAPITAL, das Wirtschaftsblatt, das schon zur G+J-Gründung durch die Jahr-Gruppe eingebracht worden war, blieb nicht lange allein. 1980 kam die Unternehmerzeitschrift IMPULSE dazu, 1994 kaufte G+J das Börsenmagazin BÖRSE ONLINE. 1985 übernahm G+J zudem 24,9 Prozent Anteile am MANAGER MAGAZIN.

Die klassische Frauenzeitschrift BRIGITTE entwickelte im Lauf der Jahre mehrere Line Extensions, darunter YOUNG MISS (1995), BRIGITTE WOMAN (2001) und BRIGITTE MOM (2009).

Nicht alles gelingt, und manche Titel wurden wegen unzureichender wirtschaftlicher Perspektiven auch wieder vom Markt genommen, wie z.B. SPORTS oder KONDRAD. Der Versuch, 1994 eine „Info-Illustrierte“ namens TANGO zu etablieren, wurde nach einigen Monaten und beträchtlichen Verlusten beendet.

Die 90er: Die Zeitungsjahre

Mit dem Kauf der HAMBURGER MORGENPOST (1986) gelang G+J der Einstieg in das Zeitungsgeschäft. Nach dem Fall der Berliner Mauer ergaben sich weitere verlegerische Chancen. So kam die MORGENPOST nach Chemnitz, Dresden und Mecklenburg. Mit dem Kauf des Berliner Verlages (u. a. BERLINER ZEITUNG) und des Dresdener Druck- und Verlagshauses (SÄCHSISCHE ZEITUNG) wurde das Zeitungsgeschäft weiter ausgebaut.

1999 beschloss der Verlag, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren und die Tageszeitungen fast vollständig zu verkaufen. Heute hält G+J noch die Mehrheit (60 Prozent) an der Mediengruppe Dresdner Druck- und Verlagshaus mit der SÄCHSICHEN ZEITUNG und der MORGENPOST SACHSEN.

Zusammen mit der Londoner Pearson-Group (Financial Times) startete G+J zur Jahrtausendwende die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND (FTD). Es war der erste Versuch seit der Nachkriegszeit, eine überregionale Tageszeitung auf den Markt zu bringen – eine moderne Wirtschaftszeitung, die auf allen medialen Plattformen zu Hause ist. Publizistisch war die Zeitung ein großer Erfolg und wurde vielfach ausgezeichnet, konnte sich aber angesichts rückläufiger Anzeigen- und Vertriebsmärkte wirtschaftlich nicht halten. Nach 12 Jahren (und einer Gesamtinvestitionssumme von mehr als 250 Millionen Euro) schloss G+J dieses bedeutende Kapitel deutscher Publizistik.

Keine Angst vor fremden Märkten

Gruner + Jahr war einer der ersten deutschen Magazinverlage, der sich mit Zeitschriften auf Auslandsmärkte wagte. Es begann 1978 mit dem Kauf eines spanischen Verlags und dem Einstieg in den US-Markt durch die Übernahme der Titel PARENTS und YM. Danach ging es Schlag auf Schlag.

1979 gründete G+J den Verlag Prisma Presse (heute: Prisma Media) in Frankreich, in der zunächst GEO erschien. In den folgenden Jahren entwickelte der Verlag zahlreiche weitere Frauen-, Wissens-, TV- und Wirtschaftszeitschriften, unter anderem 1993 das später auch im Ausland sehr erfolgreiche Magazin GALA. Prisma Media wurde ein durchschlagender Erfolg und ist heute einer der größten Zeitschriftenverlage in Frankreich und Marktführer mit der größten Print-Auflage und -Reichweite sowie der größten Gesamtreichweite.

G+J avancierte mit seiner Auslandsstrategie zu einem der internationalsten Verlagshäuser Europas und expandierte in der Folge weiter in ausländische Märkte.

Medienwandel: G+J wird digital – ohne den Glauben an Print zu verlieren

Mit Macht veränderte und verändert die digitale Revolution auch Gruner + Jahr, das in den neunziger Jahren einer der Pioniere im Internet unter den deutschen Verlagen war. Bereits 1995 entwickelten GEO, P.M., STERN und die Fernsehzeitschrift TV TODAY die ersten Websites in Deutschland. Eine erste vielversprechende Phase der Digitalisierung mit Angeboten wie PAPERBALL und FIREBALL endete zwar noch in Folge des Platzens der „Dot-Com-Blase“ nach der Jahrtausendwende. Doch seit Mitte der „Nuller“-Jahre wuchs das Digitalgeschäft von G+J stetig. STERN.DE entwickelte sich zu einem der führenden News-Angebote im deutschsprachigen Netz. BRIGITTE.DE liegt heute in seinem Segment im Reichweitenvergleich vorne. Und auch die Vermarktung wird digitalisiert – so ist G+J heute der größte Mobile-Vermarkter in Deutschland.

2011 erwarb Gruner + Jahr die Pixelhouse GmbH und wurde damit zum alleinigen Eigentümer von CHEFKOCH, der größten Koch-Community Europas und einer der reichweitenstärksten Seiten in Deutschland überhaupt. Die Übernahme der Familien-Community URBIA sicherte G+J zusammen mit den renommierten Magazinen ELTERN und ELTERN FAMILY die Marktführerschaft im Familiensegment.

Zugleich wurde und wird weiter in gedruckte Magazine investiert. Ende 2004 übernahm Gruner + Jahr mit 54,9 Prozent die Mehrheitsbeteiligung an der Motor Presse Stuttgart, dem größten Special-Interest-Verlag in Deutschland, und 2011 50,1 Prozent an dem Joint Venture Klambt Style Verlag Hamburg (GRAZIA). 2010 erwarb G+J 11FREUNDE, das „Magazin für Fußballkultur“.
Ein lange Zeit bedeutendes Kapitel der Geschichte von G+J endete im Jahr 2014: Mit dem Verkauf der US-Druckerei Brown Printing trennte sich Gruner + Jahr endgültig vom Druckereigeschäft. Einst eingebracht vom Mitgründer Richard Gruner, gehörte es fast fünf Jahrzehnte zum Stammgeschäft. Doch die Digitalisierung ändert die Art des Arbeitens in einem Medienunternehmen von Grund auf und Druckereien sind damit in Zukunft nicht mehr Teil des Kerngeschäfts von Gruner + Jahr.

G+J heute: Erstmals eine Frau an der Spitze

Mit Julia Jäkel übernimmt im April 2013 erstmals eine Frau die Leitung des Unternehmens. Sie führt G+J ins sechste Jahrzehnt seines Bestehens.
Neben dem endgültigen Abschied vom Druckereigeschäft zieht sich G+J aus Märkten wie Indien oder dem Adria-Raum zurück. 75 Millionen Euro sollen bis 2017 eingespart werden. Entlassungen vor allem in den Redaktionen von STERN und BRIGITTE sorgen für Protest.

Doch gleichzeitig entwickelt das Management ein klares Leitbild für die Zukunft von G+J. Der Kern von Gruner + Jahr bleibt der Journalismus. Die starken Marken werden, Print wie Digital, weiterentwickelt. Neue Magazine werden gegründet. Und im Digitalen kommen neue Geschäftsfelder hinzu.
2014 G+J erweitert sein Zeitschriftenangebot mit einer der größten Produktoffensiven in der Geschichte des Hauses: Seit 2014 erscheinen COUCH, SALON, MANUAL, das CHEFKOCH MAGAZIN und der größte Zeitschriftenerfolg des Jahres, FLOW. Im Jahr 2015 kommen WALDEN, der jüngste STERN-Ableger STERN CRIME und NG TRAVELER hinzu. Und für den Herbst kündigt G+J mit BARBARA ein „Frauenmagazin neuen Typs“ an, das in Zusammenarbeit mit Barbara Schöneberger entstehen wird.

Parallel dazu baut Gruner + Jahr das Digitalgeschäft weiter aus. In den Kernmärkten Deutschland und Frankreich macht es 2014 bereits 17 Prozent des gesamten Umsatzes aus. G+J gründet eigene Digitalangebote wie ROOMIDO, TAMBINI und FINDERZIMMER. Zuletzt erwirbt Gruner + Jahr die Mehrheit an dem digitalen Marktplatz DANATO – als Basis für den Aufbau eines E-Commerce-Geschäfts rund um die Marke SCHÖNER WOHNEN. In Segmenten wie Food, Wissen oder Living ist Gruner + Jahr bereits der führende publizistische Anbieter in Deutschland.

Was als gemeinsames Unternehmen von Richard Gruner, John Jahr und Gerd Bucerius begann, ist heute vollständig im Besitz des Medienkonzerns Bertelsmann. Ende 2014 verkaufte die Familie Jahr als letzte aus dem Gründertrio ihre Anteile.

Was als Druck- und Verlagshaus begann, ist heute ein modernes Medienunternehmen des 21. Jahrhunderts – und weiterhin eines der führenden Zeitschriftenhäuser weltweit. Knapp die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet G+J außerhalb Deutschlands.

Gruner + Jahr – ein bedeutendes Stück deutscher Pressegeschichte – wird 50, und die Geschichte wird weitergeschrieben.

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