„Absolut inakzeptabel“
Einen einstündigen Schlagabtausch zwischen Verlegerpositionen und den Vorstellungen der öffentlich-rechtlichen Sender lieferte die Podiumsdiskussion „Im Würgegriff internationaler Digitalkonzerne: Wie kann eine öffentlich-rechtliche Antwort auf Facebook, Google & Co. aussehen?“.
Ausbalanciert war die Besetzung ebensowenig wie der Titel der Diskussion. Denn mit dem stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke und RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein standen zwei Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems einem Repräsentanten der unabhängigen Verlage, VDZ Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer, gegenüber. Auch der Wissenschaftler Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer erwies sich schnell als Kritiker der Verlage, er versuchte sogar am kräftigsten, gegen diese auszuteilen. Er prangerte die Diskussion über Presseähnlichkeit der öffentlich-rechtlichen Digitalangebote als rückwärtsgewandt und die Diskussion um Leistungsschutz- und Verlegerrechte als fehlgeleitet an.
Scherzer machte durchgehend deutlich, das Presse, was unverzichtbar ist, online nur verkauft werden könne, wenn öffentlich-rechtliche Medienangebote von der digitalen Presse deutlich unterscheidbar blieben. Um das zu gewährleisten, müssen die geltenden Beschränkungen presseähnlicher Angebote effektiv ausgestaltet werden, um Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen. Es sei absolut inakzeptabel, wenn die Landesregierungen nun stattdessen sogar die geltende Beschränkung presseähnlicher Angebote weiter aufweichen würden. Auch eine wie auch immer begründete Bevorzugung öffentlich-rechtlicher Angebote auf digitalen Plattformen sei absolut inakzeptabel und verzerre den Wettbewerb mit Presseangeboten der Verlage massiv. Die rund 8 Mrd. Euro Zwangsgebühr müsse auftragsgemäß verwendet werden und nicht dazu genutzt werden, um im Digitalen sendungsunabhängige Presse zu aufzubauen.
Die Kritik der Verleger an der Forderung nach Aufhebung bzw. Einschränkung des bisherigen Abgrenzungskriteriums „presseähnlich“ bezeichnete Prof. Dr. Lorenz Lorenz-Meyer als „merkwürdige Gefechtslage“. Im Zeitalter der Medienkonvergenz sei der Begriff der Presseähnlichkeit längst überholt. Die Verlage bräuchten schließlich auch keine Sendelizenzen für ihre Multimedia-Beiträge. Ihm ging jedes Verständnis – wie auch den beiden anderen Vertretern – dafür ab, dass Verlage im Digitalen auf funktionierende Geschäftsmodelle mit Paid Content angewiesen sind, um Journalismus bezahlen zu können. Es fiel dabei der Begriff der kommerziellen Medien im Gegensatz zu den – so verstanden – neutralen und unabhängigen öffentlich-rechtlichen, die für sich in Anspruch nehmen, den Auftrag der Grundversorgung zu erfüllen. Eine Generalklausel, aus der man offensichtlich alle Erweiterungen ableiten kann. Bis hin zu öffentlich-rechtlichen Print-Produkten – so auch Impulse aus dem Publikum.
Stephan Scherzer wies dieses Ansinnen klar zurück, und betonte, wie einmalig vielfältig die deutsche Presselandschaft mit rund 5.600 Zeitschriften und hunderten Tageszeitungen sei. Er forderte die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf, das duale Mediensystem nicht zu schleifen, sondern die Beschränkung presseähnlicher Angebote im neuen Rundfunkstaatsvertrag effektiv auszugestalten.