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„China wird vielfältiger“

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Verlagsmanager Xiaowei Hu weiß, wie politische Landschaftspflege für Verleger in China funktioniert und wo die Fallstricke liegen. Für den VDZ knüpft der Pekinger Verlagskontakte.

Mediacom-Boss Stephen Allan sagte kürzlich zu seinem 16-jährigen Sohn, er solle Mandarin-Chinesisch lernen, England verlassen, sobald er 18 wird und in China arbeiten. Was macht China derzeit so faszinierend für den Westen?

Mit den Schlagworten Urbanisierung und Modernisierung lässt sich die momentane Entwicklung am besten charakterisieren. Die Zahl der jungen Leute, die in die Städte ziehen, um zu studieren, wächst rapide. Sie sind gebildet und nutzen Medien. Inzwischen gibt es über 200 Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Dort findet das Werbe- und Medien-Business statt. Die Wirtschaft wächst rasant, und die Leute haben mehr Geld für Konsum. Der Markt ist riesig, gerade für Verleger. 400 Millionen potenzielle Leser leben allein in den Städten. In einer einzigen Stadt wie Peking mit seinen 25 Millionen Menschen ist es theoretisch möglich, eine Million Magazine zu verkaufen.

Wie muss man sich den Lifestyle der jungen chinesischen Städter vorstellen?

In den Jahren von 1990 bis heute ist eine Schicht junger, gebildeter, wohlhabender Chinesen herangewachsen. Sie reisen, sie nutzen das Internet und sie wissen mehr über die Welt. Vom Studenten bis zum Angestellten sind alle besser informiert, auch über internationalen Lifestyle. Der Lifestyle ist westlich und vom westlich ausgerichteten japanischen Lifestyle geprägt. Viele internationale Marken sind mittlerweile vor Ort. Viele junge Chinesen haben im Ausland Mode, Design, Architektur studiert, sind zurückgekehrt und kombinieren die westlichen Einflüsse mit ihrem kulturellen Hintergrund zu einem persönlichen Stil. Einige sind nur wegen dieses Lifestyles so etwas wie Stars geworden. Das traditionelle China verblasst langsam gegenüber dem modernen China. Diese neue Vielfalt bleibt der Welt nicht verborgen.

Einige deutsche Verlage sind ja bereits in China aktiv. Welche Marktpotenziale gibt es für Verleger denn noch?

Die Deutschen waren wegen der negativen Erfahrungen einiger Verlage in den 80ern länger ziemlich zurückhaltend. Verleger aus England, Frankreich, USA und auch Japan kamen und haben Titel gegründet, um die neuen Lesermärkte zu bedienen. Die Deutschen kommen immer erst, wenn eine Nachfrage des Werbemarkts existiert. Die Autotitel deutscher Verlage sind da, weil die internationalen Autokonzerne werben wollen. Aber es gibt noch ein riesiges Potenzial.Viele Verlage haben bereits erste Schritte und dabei unangenehme Erfahrungen gemacht. Es ist passiert, dass ein Magazin mit Millionenauflage nach einem Regierungswechsel willkürlich dichtgemacht wurde. Die Verantwortlichen kannten die Verleger nicht, der Titel war ihnen zu westlich, zu erfolgreich und zu sexy.

Könnte das heute noch passieren?

Man kann nicht garantieren, dass so etwas gar nicht mehr passiert. Allerdings haben wir jetzt auch ausgefeiltere Koordinations-Mechanismen mit der Regierung. Einige Verlage haben den politischen Beziehungen anfangs zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei ist das eine zentrale Aufgabe, wenn man so viel investiert. Man muss sich mit entscheidenden Politikern auf allen Ebenen treffen, und man muss sich mit ihnen abstimmen. Man muss in der Regierungspartei breit vernetzt sein und auch die Propagandaleute der Partei kennen, das ist überlebenswichtig für alle Verleger in China. Die Politiker müssen einen kennen und sie wollen keinen Ärger mit Inhalten haben.

Facebook, Twitter, auch die digitalen Medien werden kontrolliert. Wie kann da ein Media-Business funktionieren?

Benutzen wir eine Metapher. Es regnet gerade und Sie können nass werden, aber es wird irgendwann auch aufhören zu regnen. Wenn sie ans Nasswerden gewöhnt sind, ist das ohnehin der Normalzustand. Nichts ist aber so anpassungsfähig wie Business. Sie müssen nur politisch gut vernetzt sein. Auch die chinesische Regierung will ja nicht die ganze Welt zum Feind haben, die wollen Partner.

Ist die Zeit reif für einen Mentalitätswechsel?

Ich glaube schon. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Financial Times und Wallstreet Journal sind derzeit mit einem Online- Newsletter vertreten. Viele Artikel nehmen sich größere Freiheiten heraus als bisher in China üblich, können aber trotzdem unbehelligt publizieren. Das hat zwei Gründe. So ist die FT über ihren chinesischen Partner bestens mit allen relevanten politischen Führungskräften vernetzt. Natürlich werden kritischere Berichte auch deswegen geduldet, weil Wirtschaftsnachrichten noch keine Massenwirkung haben. Aber es leitet sich langsam ein Mentalitätswechsel ein. Peking ist als kulturelles Zentrum bereits deutlich offener als Schanghai. In Schanghai sind die Regionalgouverneure sehr darauf aus, keine Fehler zu machen, weil sie sich vor der Zentralregierung in Peking verantworten müssten. Medienleute ziehen Peking als Ausgangspunkt deswegen vor.

Sie sind 32 Jahre alt, Herausgeber eines Lifestyle-Magazins, haben vor zehn Jahren im Medien-Business angefangen und sind eine große Nummer im chinesischen Verlegerverband. Sind Karrieren wie Ihre in China normal oder sind Sie einfach ein bisschen smarter?

Ich hatte wahrscheinlich mehr Glück. Aber es stimmt schon, dass sehr viele Leute in meinem Alter an wichtigen Schaltstellen sitzen, speziell im Medien-Business. Das hängt damit zusammen, dass es tatsächlich zu wenige professionelle Fachkräfte gibt, auch für das Digitale. Die Zahl derjenigen, die sowohl Sprachen sprechen, die Technologie verstehen, verlegerische Fähigkeiten haben als auch Erfahrung darin, wie man sich in der Business-Welt sozial bewegt, ist überschaubar. Viele Studenten sind in dieser Beziehung total ungeübt. Also erreichen diejenigen, die eine entsprechende Ausbildung haben, sehr schnell Führungspositionen. PR- und Werbeagenturen stellen ebenfalls junge Leute ein. Nicht nur, um Kosten zu sparen, sondern auch, weil die Jungen Verständnis für die Consumer-Märkte und das technologische Know-how mitbringen. Da kann man schnell in relevante Positionen aufsteigen. Diese Energie in den Städten wirkt auch auf junge Ausländer ansteckend.

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