Christoph Fiedler im „Clap“-Interview über die DSGVO und ihre Auswirkungen auf Journalismus
Im Zuge der Einführung der neuen DSGVO-Regeln mussten in den letzten Wochen alle Landespressegesetze aktualisiert werden. Weniger als bislang in der Öffentlichkeit bekannt, waren darin einige neue Gesetzes-Passagen von einzelnen Landesregierungen heftig umstritten. Prof. Dr. Christoph Fiedler, der beim VDZ zuständig für Europa- und Medienpolitik zuständig ist, erklärt im Interview, warum sich deutsche Journalisten vor den neuen Regulierungen dennoch nicht fürchten müssen.
Daniel Häuser/Clap: Kurz vor Ablauf der Übergangsfrist zur DSGVO haben die einzelnen Bundesländer ihre Pressegesetze aktualisiert, die das Medienrecht nun neu regeln sollen. Am 31. Mai sollte eigentlich auch die fehlende Bundeshauptstadt Berlin folgen. Warum ist es dazu nicht gekommen?
Prof. Dr. Christoph Fiedler: Die Berliner Politik ist nicht rechtzeitig mit dem Gesetzentwurf fertig geworden, vermutlich, weil sich die Koalitionäre über einige Fragen nicht eher einigen konnten. Die strittigen Fragen hatten aber, soweit uns bekannt, nichts mit der Pressefreiheit zu tun.
Das sogenannte Medienprivileg gilt nun auch weiterhin, zu lesen war, dass es keine neuen Beschränkungen für die redaktionelle Arbeit geben wird und auch die staatlichen Aufsichtsbehörden dürfen wie bisher die Redaktionen nicht überwachen. Können Sie das so bestätigen?
Im Prinzip ja. Neue inhaltliche Beschränkungen, beispielsweise für Online-Artikel über Personen, wurden zwar von Datenschützern verlangt, finden sich aber in keinem Gesetz. Auch die Freiheit der Redaktionen von einer Überwachung durch die Datenschutzaufsichtsbehörden ist in den Gesetzen im Wesentlichen erhalten worden. Die Behörden dürfen also wie bislang die journalistische Arbeit der Redaktionen nicht kontrollieren. Neu ist, dass das in einigen Bundesländern nun auch für Print-Redaktionen von der Teilnahme an der Selbstkontrolle des Presserates abhängt. Das galt bislang nur für die Redaktionen von Digitalangeboten. Neu ist auch die öffentliche Erklärung der Datenschutzaufsichtsbehörden, dass sie diese Beibehaltung der Pressefreiheit für falsch und europarechtswidrig halten. Einige haben informell auch schon angekündigt, dass sie ggf. Aufsichtsverfahren gegen Redaktionen einleiten wollen. Falls es zu solchen Fällen kommt, ist es wichtig, dass die Redaktionen ihre Freiheit verteidigen, also insbesondere nicht vorschnell kooperieren, sondern Rechtsbeistand suchen und die Gerichte anrufen. Die werden dann entscheiden, ob die Pressefreiheit fortgelten darf.
Inwiefern mussten sie in den vergangenen Jahren und Monaten dafür kämpfen, dass dieses fast uneingeschränkt weiterhin gilt?
Dass Teile der EU-Kommission, des EU-Parlamentes und des Rates die Gelegenheit nutzen würden, um die Pressefreiheit unter dem Deckmantel des Datenschutzes zu beschädigen, war zu erwarten. Überrascht haben uns höchstens Intensität und Ausmaß der Angriffe. Tatsächlich haben Kommission, Parlament und Rat eine effektive und robuste Sicherung der Pressefreiheit schlicht verweigert. Deshalb haben nun die Politiker in vielen Mitgliedsstaaten – nicht nur in Polen oder Ungarn – die Gelegenheit zu massiver Intensivierung der Kontrolle über die Redaktionen. Mit Interesse haben wir dabei registriert, wie wenig Beamte und Politiker in Deutschland ohne wenn und aber für die Pressefreiheit eingetreten sind.
Warum gab und gibt es seitens der Politik immer wieder Bemühungen, die Medienfreiheit einzuschränken?
Kritische Medien sind vielfach der Feind der Politik. Da ist es kein Wunder, dass zwar fast alle Politiker die Pressefreiheit öffentlich loben und preisen, dennoch aber viele, wo möglich, mehr Kontrolle und weniger Freiheit der Journalisten für einen guten Weg halten. Hinzu kommen die Hohen Priester des Datenschutzes, die ganz einfach Meinungs- und Pressefreiheit für das falsche Konzept halten. Statt freier Äußerung über Personen bis zur Grenze spezifischer Gesetze wollen sie ein generelles Verbot öffentlicher Äußerungen über identifizierbare Personen, wenn nicht deren Einwilligung oder eine gesetzliche Ermächtigung dafür vorliegen. Schließlich meinen viele, dass in Zeiten des Internet eine stärkere Regulierung freier Kommunikation doch irgendwie angemessen sei.
Dennoch sind viele Journalisten verunsichert, vor allem freie Redakteure und Blogger wissen nicht genau, ob sie weiterhin frei publizieren können wie bisher. Welche Redakteure müssen denn nun mit einer Einschränkung bei ihrer Arbeit rechnen? Sollten Kommentarfunktionen zur Sicherheit abgeschaltet werden?
Diese Verunsicherung ist verständlich und letztlich Folge der Verweigerung eines unmittelbaren und umfassenden Schutzes auf europäischer Ebene. Dennoch sollten sich freie Journalisten keinesfalls einschüchtern lassen. Sie haben auch keinen Grund dazu, denn sie sind nach geltendem wie neuem Recht geschützt. Auch Kommentarfunktionen würde ich nicht abschalten.
Finden Sie es gut, dass im Rahmen der Einführung der DSGVO sich jetzt mehr Redaktionen und Verlage mit dem rechtlichen Rahmen beschäftigen als früher?
Ja. Wir irren, wenn wir glauben, Meinungs- und Pressefreiheit in den westlichen Demokratien sei eine Selbstverständlichkeit. Es wird diese Freiheiten nur geben, solange Journalisten, Verleger und Bürger für sie kämpfen. Das setzt auch voraus, dass man sich in den Redaktionen mit den zunehmend komplizierten politisch-juristischen Bedingungen der Kommunikationsfreiheiten in einer vernetzten Welt auseinandersetzt.
// Das Interview führte Daniel Häuser.