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„Das Momentum nutzen“ - vom Print-Haus zum hoch vernetzten Medienhaus

Eine gute Verbandsbilanz, wichtige Impulse für die Verlagsarbeit und intensive Gespräche  in einer traumhaften Atmosphäre – das vermittelte die diesjährige Mitgliederversammlung des VZVNRW am 13. Mai 2011 im Grandhotel Schloss Bensberg.

Detlef Koenig, Verlagsleiter Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG und Vorsitzender des VZVNRW, skizzierte vor über 50 Verlegern, den Referenten und VDZ-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Fürstner die Situation „seiner“ Mitgliedsverlage: „Krise passt als Begriff nicht, aber es gibt auch keine normalen Zeiten mehr für unsere Geschäfte“. Den Job im Medienwandel könne der Verband den Verlagen zwar nicht abnehmen, er könne sie dabei aber sehr unterstützen. In diesem Selbstverständnis habe der VZV seine Aktivitäten weiter gesteigert. Dazu gehörten auch neue politische Kontakte zur Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, wie Wilfried Köhler, Geschäftsführer des VZVNRW, berichtete. Weitere in der Verbandsarbeit wichtige Themen seien der Einsatz gegen das Google Books Settlement, das gerade Fachverlage schädigen könne, ferner die Beratung in rechtlichen Fragen, die Tarifpolitik und der Ausbau von Aus- und Fortbildung. Köhler erwähnte als Beispiel dafür den gemeinsam mit der Medienakademie angebotenen Volontärskurs. Die Aktivitäten des VZVNRW treffen offensichtlich die Nachfrage der Verlage: Zum neuen Geschäftsjahr ab dem 1. Juli 2011 wird die Zahl der Mitglieder um drei auf dann 108 gestiegen sein.

Welchen Herausforderungen sich  die Verlage gegenübersehen und welche Wege sich für die Verlage im Transformationsprozess empfehlen, das stand im Mittelpunkt des Vortrags von Stephan Scherzer, dem designierten Hauptgeschäftsführer des VDZ. Scherzer sprach vor allem aus seinen Erfahrungen als Executive Vice President IDG, USA. Im Transformationsprozess der Medien müssten die Verlage das Kerngeschäft ausbauen und Neugeschäft generieren.

Er verdeutlichte am Begriff der Informationsfreiheit, was sich für die Verlage geändert habe und worauf sie eingehen müssten. Während Medien Informationen früher „kontrolliert“ auf wenigen Kanälen veröffentlicht hätten, explodiere nunmehr mit Mobile die Zahl der Plattformen. Die Komplexität verlegerischer Arbeit nehme zu; dabei müssten die Verlage nicht auf die Plattform schauen, sondern auf den Kunden. „Wer ist die Zielgruppe und wie erreicht man sie?“ Eine ganz wichtige Voraussetzung, um diese Aufgabe zu bewältigen, sei die Kenntnis der Kundengruppen, für die wiederum professionelle Datenbanken der Schlüssel sei.

Zusammenfassend sieht Scherzer vier wichtige Grundsätze im Umgang mit den neuen Plattformen:

1. Inhalte sind unabhängig vom Format.

2. Jedes Medium verlangt nach eigenen Formaten und Strukturen.

3. Mobile Angebote sind einfacher hinzuzufügen als der Schritt von Print zu Online.

4. Jede zusätzliche Plattform benötigt zusätzliche Ressourcen

Die Orientierung, wo ein Verlag im Markt stehe, solle – so Scherzer – nicht nur aus dem Vergleich mit anderen Verlagen gewonnen werden, sondern aus dem mit anderen Anbietern bzw. Anbieterformen. „Die Verschiebung von Benchmarks ändert die Sichtweise“. Scherzer nannte in diesem Zusammenhang die „unternehmensrelevante Eigenkommunikation“, in die bisweilen mehr Mittel investiert würden als in Verlagsjournalismus. Er empfahl – auch aus eigener Praxis bei IDG – die Zusammenarbeit mit (neuen) innovativen Unternehmen, die das eigene Unternehmen forderten, provozierten und inspirierten.

Scherzer gab auch wichtige Impulse dafür, nicht nur was zu tun sei, sondern auch wie. Er plädierte für die Entwicklung von Strukturen und Arbeitsweisen, die es ermöglichten zu experimentieren, ohne das Kerngeschäft zu gefährden.

Es bedürfe einer hochmodernen Infrastruktur und eines soliden Technik-Know-hows, um den Schritt vom Print-Haus zum hoch vernetzten Medienhaus, in dem die Komplexität immer weiter zunähme, zu gehen. Der Schlüssel dafür läge in qualifizierten Mitarbeitern. So hart der Kampf um diese sei, umso notwendiger würden sie – Denkweisen und Strukturen müssten sich ändern.

Den über 50 Verlegern auf Schloss Bensberg rief er zu, keine Zeit zu verlieren. In Deutschland gebe es dank der starken Printmarken und des noch intakten Kerngeschäfts Zeit, zu reagieren und zu experimentieren, „das Momentum zu nutzen, solange die Renditen im Kerngeschäft noch gut sind.“ Eine Zukunftsaufgabe für ihn ist es, den Austausch von Best Practices zu fördern – keine Aufgabe für die einzelnen Verlage, sondern für die Gemeinschaft im Verband.

Eine andere Gemeinschaft und Gemeinschaftaufgabe stellte Dr. Peter Horvath, Geschäftsführer der Presse Monitor Gesellschaft (PMG), vor. Die PMG ist zu 100 Prozent eine Tochter von sieben Verlagen sowie den beiden Verlegerverbänden BDZV und VDZ. Die Marktabdeckung von Titeln, die sich der PMG anschließen, liegt bei mittlerweile 97 Prozent. Der Umsatz mit den heute 2.500 Kunden, betrage über 20 Mio. Euro, rund fünfmal so viel wie im Jahr 2004. Die Aussichten auf eine weitere Steigerung mit neuen Produkten und Dienstleistungen seien gut. Horvath bot den noch nicht von der PMG vertretenen Verlagen an, sich der PMG anzuschließen.

In Bensberg war von Best Practice nicht nur die Rede, sondern es gab direkt auch einen spannenden Fall aus der Praxis – „Vote Miss Handwerk und Mister Handwerk“ – ein „Zukunfts-Model(l), das Hans Jürgen Below, Geschäftsführer Verlagsanstalt Handwerk, mitgebracht hatte. Aus der „Schnapsidee“ eines Kalenders mit jungen Handwerkinnen und Handwerkern, nicht zuletzt zur Nachwuchsgewinnung, entstand in nur kurzer Zeit ein anspruchsvoller, intensiv nachgefragter Wettbewerb. Dieser vereint einen sehr großen Teil der ganzen Zielgruppe auf sich. So wurden über 1,9 Mio. Votes für die ersten Auswahlrunden von „Miss Handwerk und Mister Handwerk“ vor dem Finale abgegeben. Zunächst über die digitalen Social Communities, und dann über klassische (vor allem Boulevard-) Medien folgte eine Berichterstattung mit gigantischer Reichweite. Der Fall zeigte eindrucksvoll, welche Mobilisierbarkeit des Zielpublikums für Verlage mit den richtigen Themen und den (für junge Zielgruppen) richtigen Kanälen möglich ist. Keine Frage: Die Verlagsanstalt Handwerk hatte den von Scherzer geforderten Mut gezeigt, um relevant zu bleiben.

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