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"Die Nutzer vertrauen den großen Medienmarken"

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Interview von promedia mit Manfred Braun, Sprecher des Vorstands "Die Publikumszeitschriften im VDZ" und Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe

Die Publikumszeitschriften haben in den vergangen Jahren die digitalen Medienkanäle zum Ausbau ihrer Reichweiten genutzt. Im Schnitt erzielen die Online-Angebote der Publikumszeitschriften pro Monat eine Reichweite von 64 Prozent und damit mehr als jede andere Mediengattung...

promedia: In den letzten Wochen hört man aus Verlagen wieder verstärkt Meldungen über Sparanstrengungen und Personalabbau. Wie stark sind die Publikumszeitschriften von diesen "Krisentendenzen" betroffen?

M. Braun:
Dass die Zeiten nahezu unbegrenzter Budgets längst vorbei sind, ist jedem klar. Mit dem verschärften Wettbewerb im Anzeigengeschäft sind die Zeitschriftenverlage mehr denn je gefordert, kosteneffizient zu wirtschaften. Personal lässt sich aber nicht unbegrenzt abbauen, ohne irgendwann massiv an Qualität einzubüßen. Das wissen die Verlagshäuser, die vor der Herausforderung stehen, neben dem Kerngeschäft Print tragfähige digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dafür sind entsprechende Strukturen und Kompetenzen erforderlich. Segmentübergreifend lässt sich bei den Publikumszeitschriften kein Personalabbau feststellen: Aktuell beschäftigen die Verlage rund 33.000 Menschen, das sind rund zwei Prozent mehr als vor zwei Jahren.

promedia: Die Werbeumsätze – laut Nielsen bei den Printausgaben der Publikumszeitschriften – sanken im 1. Halbjahr um 3,5 Prozent. Inwieweit lässt sich das bereits durch die Umsätze im digitalen Bereich kompensieren?

M. Braun:
Bislang können die sinkenden Werbeumsätze im Printgeschäft noch nicht in vollem Umfang durch das Digitalgeschäft kompensiert werden, doch die Verlagshäuser wachsen in diesem Bereich stetig. Trotz der unbestritten großen Bedeutung der Digitalisierung darf aber nicht übersehen werden, dass Print für die Zeitschriftenverlage nach wie vor das Kerngeschäft ist – und die Werbewirkung dieser Gattung oft unterschätzt wird. Die Daten der Werbewirkungsinitiative „Ad Impact Monitor“ (AIM) belegen: Publikumszeitschriften schaffen im Rahmen einer crossmedialen Kampagne durchschnittlich den größten Werbewirkungszuwachs aller Medien pro Kontakt. Es ist also nicht sinnvoll, bei der Mediaplanung auf Print zu verzichten.  

promedia: Wo liegen bei den digitalen Angeboten die Wachstumstreiber?

M. Braun:
Wachstumstreiber im Digitalgeschäft wird für die Verlagshäuser in den kommenden Jahren weiterhin vor allem die mobile Internetnutzung über Smartphones und Tablet-PCs sein. Die schnelle technologische Weiterentwicklung und Verbreitung der Endgeräte wirkt sich nicht zuletzt auch auf das Mediennutzungsverhalten aus und eröffnet den Verlagen neue Potenziale. Diese gilt es durch jeweils endgerä-teoptimierte Medienangebote mit entsprechendem Mehrwert zu nutzen.

promedia: Die Online-Angebote der Publikumszeitschriften erreichen eine größere Reichweite als jede andere Mediengattung. Worauf führen Sie das zurück?

M. Braun:
Den Publikumszeitschriften gelingt es gut, ihren Content den Nutzungsbedürfnissen der User entsprechend auf den Online-Bereich zu übertragen. Entscheidend ist aber, dass die Nutzer den großen Medienmarken vertrauen und sie die erste Anlaufstelle im Netz sind, wenn es um glaubwürdige Information geht.

promedia: Bei den mobilen Websites und Apps nutzen laut AGOF 7,81 Millionen monatlich die Angebote der Publikumszeitschriften. Was wird mobil vor allem genutzt? Was erwarten die Nutzer von den mobilen Angeboten der Verlage?

M. Braun:
Bei der mobilen Nutzung von Medienangeboten stehen vor allem News und Ser-vices hoch im Kurs. Durch die immer leistungsstärkeren Endgeräte mit ihren großen Displays sind unter den Usern aber auch Bilderstrecken und Videos sehr gefragt. Für die Verlage geht es nicht bloß darum, die Printausgabe mobil verfügbar zu machen. Die User erwarten, dass sich Medienmarken auf allen Plattformen nutzerorientiert in Szene setzen. Für die Medienangebote bedeutet dies, dass sie für jeden Kanal einen echten Mehrwert bieten und dabei die jeweils spezifische Nutzungssituation berücksichtigen müssen.   

promedia: In wieweit können die Publikumszeitschriften diese großen Reichweiten bereits monetarisieren?

M. Braun:
Eine wichtige Botschaft ist doch zunächst einmal, dass es kein Content-Problem gibt – die Verlage treten mit ihren Medienmarken auf allen digitalen Plattformen reichweitenstark in Erscheinung. Der Preisverfall für das Display-Geschäft ver-hindert allerdings eine der Reichweite angemessene Bezahlung der Werbung. Zu-sätzlich fehlt es noch an einer entsprechenden Content-Monetarisierung, aber die Verlage arbeiten bereits intensiv an zukunftsfähigen Businessmodellen.

promedia: Welche Rolle spielen bei den Publikumszeitschriften kostenpflichtige digitale Angebote?

M. Braun:
Kostenpflichtige digitale Angebote spielen bei den Publikumszeitschriften noch keine zentrale Rolle. Gleichwohl gibt es in diesem Bereich bereits diverse Ansätze wie etwa die teilweise Umstellung von Online-Angeboten auf Bezahlinhalte oder auch komplette Digital-Abonnements von Titeln. Deshalb ist es umso wichtiger, dass kostenpflichtige digitale Angebote einen Mehrwert bieten. Je mehr diese Mehrwerte auf die Bedürfnisse der User zugeschnitten sind, desto eher wird sich mittelfristig auch im Online-Bereich eine Bezahlkultur etablieren lassen. Dass grundsätzlich eine Zahlungsbereitschaft besteht, zeigt auch eine aktuelle VDZ-Umfrage, der zufolge 64 Prozent der iPad-Besitzer digitale Zeitschriften lesen – und rund zwei Drittel dieser User haben kostenpflichtige Zeitschriften-Apps.   

promedia: Wie ist heute im Schnitt das Verhältnis zwischen Printumsätzen und digitalen Umsätzen in der Branche?

M. Braun:
Die Publikumszeitschriftenverlage erwirtschaften aktuell rund 75 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit dem Printgeschäft, über 10 Prozent Prozent steuert das Digitalgeschäft bei. Die restlichen 15 Prozent entfallen auf sonstige Geschäftsfelder. 

promedia: Die Verlage haben es schwer, vor allem journalistische digitale Angebote zu monetarisieren. Mit welchen Konzepten und Strategien lassen sich auch diese Umsätze steigern?

M. Braun:
Das Entscheidende ist: Für den User muss deutlich werden, welche Inhalte und Mehrwerte er bei einem digitalen Medienangebot erwarten kann. Für die Medienmarken bedeutet dies, dass sie gefordert sind, ihre Profile weiter zu schärfen. Die Zahlungsbereitschaft auf Kundenseite ist weniger an konkrete Inhalte beziehungsweise Beiträge gebunden, sondern hängt vielmehr – auf einer übergeordne-ten Ebene – mit der Identifikation mit einer Medienmarke zusammen. Diese Identifikation und die Erfüllung der jeweiligen Bedürfnisse sind die Voraussetzung dafür, dass ein User auch dann für digitale Inhalte zahlt, wenn er vergleichbare kostenlose Alternativen hat.      

promedia: Die Publikumszeitschriften treffen mit ihren Online-Angeboten auf zunehmende Konkurrenz von verlagsfremden Angeboten. Mit welchen Angeboten werden sich Ihre Verlage hier behaupten können?

M. Braun:
Grundsätzlich werden Medienangebote immer dann relevant und erfolgreich sein, wenn sie die Erwartungen ihrer Leser und User an Inhalt und Nutzerfreundlichkeit erfüllen. Aktuell zeigt sich ein deutlicher Trend hin zu einer Zuspitzung von Themen – die Angebote sind heute in viel stärkerem Ausmaß auf spezielle Zielgruppen zugeschnitten als noch vor ein paar Jahren. Wie gut es den Zeitschriftenverlagen bereits gelingt, die Bedürfnisse der User zu befriedigen, belegen die hohen Reichweiten ihrer Online-Plattformen, Mobile Enabled Websites und Apps.     

promedia: Welche strukturellen Veränderungen vollziehen sich angesichts der zunehmenden Bedeutung digitaler Angebote in den Verlagen?

M. Braun:
Die zunehmende Digitalisierung, aber auch der Trend hin zur Diversifizierung sowie die wachsende Bedeutung des internationalen Geschäfts erfordern eine weitreichende Neuaufstellung der Verlagshäuser. Dies betrifft die Herstellung und den Vertrieb ebenso wie die Anforderungen an Mitarbeiter und Management. Die Verlage stehen dieser Entwicklung aber nicht unvorbereitet gegenüber, sondern beschäftigen sich schon lange mit der Anpassung ihrer Strukturen an die neuen Erfordernisse.   

promedia: 2012 gab es so viele Publikumszeitschriften wie noch nie. Anscheinend in-vestieren die Verlage weiterhin in Print. Ist das nicht ein Widerspruch zu den angepeilten Wachstumszahlen im digitalen Bereich?

M. Braun:
Nein, das ist keineswegs ein Widerspruch. Es geht ja nicht um ein Entweder-oder, nicht um schwarz oder weiß. Natürlich können es sich die Verlage nicht leisten, vor der Digitalisierung die Augen zu verschließen – und das tun sie auch nicht. Angesichts der großen Relevanz der Gattung Print im Lesermarkt wäre es aber ebenso töricht, auf Investitionen im Printgeschäft zu verzichten. Es kommt darauf an, mit einer Medienmarke vertikal auf verschiedenen Kanälen präsent zu sein und so den unterschiedlichen Nutzungstypen, -interessen und -situationen gerecht zu werden.  

promedia: Sind diese neuen Printprodukte nur ein „Zwischenprodukt“ zu einem digitalen Angebot?

M. Braun:
Nein, das sind sie mit Sicherheit nicht. Natürlich kann es sein, dass einzelne Ma-gazine zu einer digitalen Erscheinungsweise übergehen und andere sogar kom-plett vom Markt verschwinden. Dies ist aber einem ganz normalen unternehmeri-schen Risiko geschuldet. Denn keine noch so intensive Marktforschung kann den Erfolg eines Titels garantieren. Der entscheidende Punkt ist aber doch: Verlage investieren ins Printgeschäft, weil es sich für sie nach wie vor rentiert – weil Print relevant ist. Mehr als 90 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahre lesen Magazine – das entspricht mehr als 65 Millionen Menschen.  

promedia: Sie haben wiederholt bessere politische Rahmenbedingungen für die Verlage angemahnt: Für ein Leistungsschutzrecht liegt ein Regierungsentwurf vor, eine Besteuerung von Seminargeboten wird es nicht geben, ein novelliertes UWG liegt vor. Was fordern Sie nun noch von der Politik?

M. Braun:
Handlungsbedarf besteht vor allem im Zusammenhang mit dem Entwurf zur Novelle des EU-Datenschutzrechts. Dieser enthält nach wie vor eine Reihe von Bestimmungen, die den Pressevertrieb einschränken und bedrohen. Beispielsweise müssen für den Frei- und Wechselversand der Fachpresse ebenso wie für die Leserwerbung der Publikumspresse Formen des adressierten Direktmarketings weiterhin möglich sein. Und nicht zuletzt bedroht der aktuelle Entwurf auch die digi-talen Geschäftsmodelle von E-Commerce bis OBA, die für einen Großteil der digitalen Presse eine elementare Bedeutung haben. Die Politik muss darauf achten, dass mit der Novelle nicht tragende Grundpfeiler der freien Presse in ganz Europa eingerissen werden.     

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