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"Die Presse lügt nicht"

Im PRINT&more-Interview verteidigt Christian Lindner die Pressefreiheit und plädiert für eine größere Meinungspluralität

Christian Lindner auf dem Publishers`Summit 2016 (© Getty Images für VDZ)

PRINT&more: Wie viel Zeit investieren Sie in die Mediennutzung?

Christian Lindner
: 90 Minuten täglich mindestens. Die Zeitungslektüre am Vorabend ist mein Start in den nächsten Tag. Untertags werde ich mit Agenturberichterstattung und Monitoring der Social Media durch mein Büro versorgt. Am Wochenende habe ich mehr Zeit, da schaue ich dann in SPIEGEL, FOCUS, "Stern" und DIE ZEIT.

Gibt es einen kommunikativen Leitfaden für Ihre Kommunikationsarbeit?


Wir wollen eine konstruktive Opposition sein – wollen nicht nur kritisieren, sondern Lösungsvorschläge aufzeigen. Wenn es z. B. um die Fragegeht, wie künft­ig Qualitätsjournalismus finanziert wird, wollen wir nicht eine öffentlich-rechtliche Stift­ung wie die SPD einrichten und die Gebührenzahlergelder der GEZ nutzen, sondern wir würden das Geschä­ftsmodell durch den Schutz des geistigen Eigentums und das Verhindern zusätzlicher Werbeverbote stärken. Werbung ist ja immer noch ein wichtiger Ertragsbestandteil.

Fühlen Sie sich medial gut behandelt – gerade in Zeiten der "Erregungsepidemien", wie etwa Prof. Pörksen schreibt?

Die Liberalen haben die Medien- und Meinungsfreiheit den Obrigkeitsstaaten abgerungen, also verbietet sich jede Form von Medienkritik. Klar ist: Die FDP ist eine besondere Partei, weil wir nicht zum sozialdemokratischen Mainstream gehören. Natürlich ist man in einer Gesellscha­ft und dann auch in ihren Medien in einer Eckposition. Zur Wahrheit gehört, dass die öffentlich-rechtlichen Medien die FDP gemessen an aktuellen Umfragen und historischer Bedeutung unterbelichten.

"Lügenpresse" – mehr Menschen mit Verdruss, oder artikulieren sich die üblichen Verdächtigen lautstärker?

Die Presse lügt nicht. Ich könnte kein einziges Beispiel nennen, bei dem Medien Fakten willentlich verdreht oder falsch dargestellt hätten. Ich wünsche mir allerdings eine größere Meinungspluralität, weil ich gegenwärtig zwei Pole sehe: einmal den Pol eines sozialdemokratischen Zentrums – schwarz-rot-grün – und einen zweiten Pol der radikalen Ablehnung, des Skandals, des Eklats, des Tabubruchs. Ich verstehe das, weil sich neben Macht auch Skandal gut verkauft­. Aber so wie es auch in unserer wirtschaftspolitischen Debatte nicht nur Milliardäre und Bedürft­ige gibt, sondern auch die Mitte, glaube ich daran, dass es auch einen liberalbürgerlichen Konsens in Deutschland gibt, der Weltoffenheit, Toleranz und Großzügigkeit einerseits, aber auch Leistungsbereitscha­ft, Freude und Respekt vor den Ergebnissen der eigenen Schaffenskraft­ andererseits repräsentiert. Ich glaube, dass es in Deutschland schon immer einen Kreis von Menschen gegeben hat, wie notorische Leserbriefschreiber, Falschparkeraufschreiber oder Querulanten, bis hin zu radikalen Extremen, Rassisten und Antisemiten. Also ein Milieu von Zornigen und vielleicht auch von Leuten, die leicht verführbar sind, bis hin zu Menschen, die unseren demokratischen Staat und seine Liberalität voll ständig ablehnen. Die haben sich organisieren können durch soziale Medien. Die bilden dort einen eigenen Kreis von Menschen, die sich in ihren Vor urteilen und in ihren Verschwörungstheorien wechselseitig bestärken. Die brauchen keine Qualitätsmedien mehr, denn diese könnten ja die eigenen festgezurrten Meinungen gefährden. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten lernen müssen, damit umzugehen, dass es einen solchen Kreis gibt, einen verfestigten, parteiförmig organisierten Kreis.

Was sollten die Redaktionen dagegen tun?


Wir sollten niemals jemanden verloren geben. Es kann aber nicht die Lösung sein, den Menschen opportunistisch nachzulaufen. Man muss klar benennen, was falsch ist, was antiliberal, was völkisch, was rassistisch oder was antisemitisch ist. Ich bin ein klarer, fundamentaler Mainstream-Politiker, wenn es um die Ablehnung von Rassismus und Antisemitismus geht. Oder wenn es um die Einstellung geht, dass man Journalismus nicht einschüchtern darf. Und man schüchtert ihn auch dadurch ein, dass man sagt, es sei „Lügenpresse“ oder man habe das Recht, sich auch mit Gewalt gegen das Establishment oder die Medien zu wehren. Diese Form der Radikalisierung muss man ganz klar ablehnen.

Was meinten Sie mit „Perfide im Gesamtzusammenhang“ (Qualitätsjournalismus – Werbeverbote, ZAW)?

Journalisten und Politiker vergießen Krokodilstränen darüber, dass der Qualitätsjournalismus in der Defensive ist. Aber viel zu wenig wird getan, damit es überhaupt einen Qualitätsjournalismus geben kann, der sich auch selbst  finanziert. Es kann nicht sein, dass wir hier plötzlich öffentlich-rechtliche Strukturen bekommen. Als Verleger würde ich mich dagegen wehren, wenn es plötzlich eine Form der Subvention oder öffentlich-rechtliche Unterstützung gäbe. Denn zur Pressefreiheit gehört auch die wirtschaliche Unabhängigkeit vom Staat. Dazu muss das Geschäftsmodell intakt bleiben.

Was kann und muss getan werden?

Sicherlich geht es um eine Regulierung des Plattform-Kapitalismus – Stichwort Google. Erfüllt das Leistungsschutzrecht alle Erwartungen? Es geht zweitens darum, dass kommerzielle Ertragsbestandteile aus der Werbung erhalten bleiben können. Es können also nicht fortwährend Werbeverbote für dieses und jenes ausgesprochen werden. Und nicht zuletzt geht es darum, die öffentlich-rechtlichen Medien in den Blick zu nehmen, die gebührenfinanziert gerade im Online- Bereich für die Nutzer ihre kostenfreien Angebote ausdehnen, auch in einem Bereich, der von Verlagen angeboten werden kann und soll. In der Medienkonvergenz soll es ganz besonders darauf ankommen, dass die öffentlich-rechtlichen Spieler, die besondere Wettbewerbsbedingungen haben, Fairness des Austauschs und des Wettbewerbs gewährleisten.

Die Verleger stehen für Freiheit, Vielfalt und Wettbewerb!


Meine laienhaft­e Beobachtung ist, dass gegenwärtig Media-Spendings in einem überproportionalen Umfang auch in den TV- und Online- Bereich fließen und aus Print abgezogen werden. Und mich überzeugt hier nicht die starke Zielgruppenorientierung, wenn ich sehe, für was und in welchem Umfang TV-Werbung geschaltet wird. Für mich ist fraglich, ob da bestimmte Formen der Rabattierung einen Ausschlag geben können. Und wir müssen auf die Media-Agenturen schauen, die das Kartellamt in den Blick nehmen muss.

Hat Politik trotz aller Professionalisierung nicht ein großes Kommunikationsproblem?


Es ist eine Chance! Ich sehe die Entwicklung, dass es in Berlin wieder größere Redaktionsverbünde gibt, positiv, weil es dann mehr Ansprechpartner und mehr Reichweite gibt. Natürlich sind damit Synergien für die Verlage verbunden. So schwierig es für einzelne Redaktionen ist, wenn sie in Berlin zusammengehen müssen – möglicherweise gehen dabei Stellen verloren –, aber insgesamt bleibt die journalistische Kompetenz erhalten.

Welche Aufgabe haben die Verleger? Welche Botschaft  haben Sie?


Der Verleger ist ein besonderer Unternehmer, weil er das Streben nach wirtscha­ftlichem Erfolg mit einer publizistischen Mission verbindet. Verleger soll ten ihre Redaktionen und ihre Häuser motivieren, noch weiter und entschlossener den Modernisierungsschritt zu gehen. Der Journalismus verändert sich. Sowohl inhaltlich als auch in der Darreichungsform – Online, Print –, aber auch immer stärker der persönliche Kontakt mit dem Leser, die Erreichbarkeit.

Das Interview führte Peter Klotzki.

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