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Erklärung des MVFP zu Ratinginitiativen von Mediaagenturen

Medienpolitik Print & Digital

Es obliegt allein den Leserinnen und Lesern, über die inhaltliche Qualität journalistischer Arbeit zu urteilen.

  1. Als Medienverband der freien Presse unterstützen wir jede Initiative, die die Relevanz der freien Presse und des unabhängigen Journalismus für eine liberale Demokratie erkennt und respektiert. Die freie, weil unternehmerisch finanzierte Presse und die freie Meinungsäußerung sind zwei der Grundvoraussetzungen für das Funktionieren jeder pluralistischen Demokratie und jeder offenen Gesellschaft. Und je deutlicher die Demokratie aus der Balance und die freie Meinung unter Druck geraten, umso relevanter wird die Rolle der unabhängigen, dem Presserecht verpflichteten freien Presse.
     
  2. Zwei Drittel der fest angestellten Redakteurinnen und Redakteure in Deutschland arbeiten für die Verlage. Um diesen Journalismus marktwirtschaftlich finanzieren zu können, sind die Presseverlage in Deutschland unverändert auf Erlöse aus dem Werbemarkt angewiesen. Allerdings haben sich die Werbeinvestments von Unternehmen und Agenturen signifikant zu Gunsten internationaler Technologieplattformen verschoben. Über die Hälfte der globalen Werbeinvestitionen wird 2024 von Mediaagenturen als den Gatekeepern im Werbemarkt auf fünf Plattformen konzentriert: Google, Amazon, Meta, ByteDance und Alibaba. Das führt viele Verlage auch in Deutschland an die Grenzen ihrer Wirtschaftlichkeit.
     
  3. Allein von 2019 bis 2023 sind die Werbeinvestitionen in die Plattformen der drei Technologiekonzerne Google, Amazon und Meta in Deutschland um etwa 66 Prozent gestiegen. 90 Prozent dieser Werbeinvestitionen von Unternehmen werden in Deutschland von Mediaagenturen verteilt, und von den 26 Milliarden des gesamten deutschen Werbemarktes fielen 2023 über 10 Milliarden Euro in die Hände von Google, Amazon und Meta – Unternehmen also, die keinerlei inhaltliche Verantwortung für die von ihnen publizierten Inhalte übernehmen.
     
  4. Einzelne dieser Mediaagenturen oder von ihnen initiierte Konsortien maßen sich jetzt an, bei der Verteilung der für journalistische Medien übrigbleibenden Reste der Werbegelder zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Journalismus zu unterscheiden, zwischen „hochwertigen“ und „minderwertigen“ redaktionellen Produkten. Das ist in hohem Maße zynisch und unangemessen. Solche willkürlichen Eingriffe in die Freiheit der Presse und die einseitige Bewertung oder sogar Sanktionierung von Berichterstattung oder verlegerischen Geschäftsmodellen durch wirtschaftlich motivierte Marktteilnehmer lehnen wir ab. Es würde eine Selbstermächtigung marktmächtiger Partner bedeuten, denen ein Urteil über den Wert redaktioneller Arbeit jenseits der Werbewirkung in keiner Weise zusteht.
     
  5. Wenn Mediaagenturen oder von ihnen initiierte Konsortien wirklich etwas für die Stabilität der liberalen Demokratie in Deutschland und für den freien und verlässlichen Austausch von Information und Meinung erreichen wollten, müssten sie dort ansetzen, wo manipulative und manipulierte Inhalte, wo Lüge und Hetze massenhaft verbreitet werden, finanziert aus den massiven Finanzströmen der Mediaagenturen. 83 Prozent der Menschen in Deutschland vermuten Fake-News in den sozialen Netzwerken der Tech-Plattformen; 80 Prozent halten guten Journalismus für wichtig oder sehr wichtig für das Funktionieren von Gesellschaft und Demokratie.
     
  6. Wir Verlage beteiligen uns aus tiefer Überzeugung jederzeit an Initiativen, die die Medienvielfalt schützen und die Bedeutung unabhängiger Presse für die Demokratie betonen. Entscheidend dabei ist, dass die Unabhängigkeit der Medien gewahrt bleibt, und die beginnt bei ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Verlage stellen ein von der Verfassung geschütztes Gut her: verlässliche Inhalte, auf deren Basis die Menschen in Deutschland die für sie richtigen Entscheidungen treffen können in politischen und wirtschaftlichen Fragen oder in rein privatem Kontext. Das ist der Auftrag, der sich für die deutschen Verlage aus dem Art. 5 des Grundgesetzes ergibt. Für die Verlässlichkeit und Richtigkeit jeder Zeile, die sie publizieren, sind die Verlage „Verantwortlich im Sinne des Presserechts“ und stehen also auch rechtlich gerade für ihre publizistische Leistung. Das Recht, über die inhaltliche Qualität journalistischer Arbeit zu urteilen, steht in einer Demokratie und einer freien Marktwirtschaft allein den Leserinnen und Lesern zu – nicht dem Staat, nicht gesinnungsprüfenden Geheimdiensten, nicht Mediaagenturen, die ihren privatwirtschaftlichen Interessen folgen.
     
  7. Über Moral und Unmoral, über ethisch oder unethisch, entscheidet allein die Tat.

 

16. Oktober 2024

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