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Generation Journalismus-Y

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Über die Entscheidung, Journalist zu werden, und warum Zeitungen eigentlich die besseren Onlinemagazine sind // Beitrag von Eva-Maria Vogel, Redakteurin beim Focus, Ressort Wissen & Technik | erschienen im Kompendium 'VDZ 2016'

Als ich beschloss, Journalistin zu werden, wurde mir eindringlich davon abgeraten. Zu unsicher, zu wenig Jobs, zu wenig Gehalt waren Argumente, die ich ständig von älteren Kollegen zu hören bekam. Gut gemeint, klar. Aber ich wollte einfach Geschichten erzählen und spannende Menschen treffen.

Soziologen würden meine Berufswahl wohl mit den Generation-Y-typischen Merkmalen begründen: Mir wird nie langweilig, ich erfahre immer das Neueste, werde nicht von Trends überrannt, sondern bestimme sie mit und plane meine Zukunft nicht 30 Jahre im Voraus. Wenn man so will, gehöre ich zu den Digital Natives und versuche, meinen Berufsweg zwischen Onlinenachrichten, Blogs und Social Media zu verwirklichen.

Statussymbol Magazin 

Die sozialen Medien revolutionieren den Journalismus wohl mehr, als es die Erfindung des Internets getan hat. Der Lieblingsartikel wird auf Facebook geteilt und nicht mehr am Frühstückstisch in der Zeitung entdeckt. Auch die allerneuesten Nachrichten bekommt man nicht zuerst bei Onlinemedien, sondern über Twitter, Snapchat oder Periscope. Was beispielsweise in den Schreckensstunden in Paris im Bataclan vorging, konnte jeder verfolgen, indem er den richtigen Hashtag eingab. Wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, sind Menschen, die vor Ort via Social Media berichten, erst einmal schneller als erfahrene Reporter.

Onlineartikel haben unser Lesen verändert. Wir konsumieren Texte in kürzester Zeit, wollen es umgangssprachlicher, mögen aber trotzdem schöne Formulierungen. Die meisten meiner Freunde lesen Blogs, weil ihnen diese irgendwie aus der Seele sprechen. Magazine möchten sich dahingehend anpassen. Aber vielleicht sollte Print gar nicht versuchen, Online nachzumachen. Ich glaube, es gibt keine Trennlinie zwischen der Netzwelt und den Heften am Kiosk. Alle müssen den Anspruch haben, die Welt abzubilden, in der wir leben, und dabei authentisch zu sein. Und es sitzen nun mal gerade Redakteure, egal für welches Medium sie arbeiten, ständig vor den Rechnern und haben irgendwelche Onlineseiten offen. Warum also nicht sich als Teil einer großen Erzählwelt begreifen, in der Zeitungen einfach eine Variante sind? Eine ziemlich wertvolle, wie ich finde: Das Magazin, das unterm Arm klemmt oder auf dem "Coffee table" liegt, ist ein Statussymbol und sagt etwas über die Person aus, die es kauft. Es ist schöner, wertiger und gibt uns das Gefühl, für unser Geld etwas Tolles zu bekommen. Magazine sind einfach ein Statement – politisch oder stilistisch.

Die News-Nische

Natürlich ist es schwierig, sich dem immer schneller werdenden Puls der Zeit anzupassen. Da recherchiert man Tage an einer Geschichte, veröffentlicht sie und ein paar Stunden später ist das Netz voll davon. Niemand weiß mehr, woher die Information stammt. Die Leser wollen schnell Zugang zu den Fakten haben, sich aber deshalb nicht unbedingt ein Heft kaufen. Nachrichtenmagazine müssen sich da noch eine Nische suchen. Vielleicht, indem sie die Welt vereinfachen und überschaubar machen, Geschichten erzählen, die so nicht wiederholbar sind, etwa ganz persönliche Berichte. Das Heft, das man sich im Supermarkt oder am Kiosk gönnt, ist eine Belohnung. Genau diese müssen wir den Käufern auch geben. Online lesen strengt nämlich an. Besonders frustrierend ist es, wenn auf der Timeline bei Facebook wiederholt ein Artikel mit den fünf besten Tricks gegen Kopfschmerzen oder Liebeskummer auftaucht und darin Tipps stehen, die wir uns auch hätten selbst geben können. Da wird jedem Leser bewusst, dass gute Recherche einfach Zeit braucht.

Viele meiner Freunde, die Journalisten werden wollten, haben einen Job bei großen Verlagen gefunden. Auch in unsicheren Zeiten bieten Medienhäuser anscheinend Platz für diejenigen, die etwas können. Gut schreiben reicht aber nicht aus. Wir müssen wissen, wie wir schneller sein können als die sozialen Netzwerke. Wir müssen offen gegenüber allen Erzählformen sein. Mehr Wege in Betracht ziehen, um mit Journalismus Geld zu verdienen. Die Chancen, heute erfolgreich zu werden, sind größer und vielfältiger denn je. Man muss sich nur darauf einlassen. Ich glaube, es war nie spannender, Journalist zu werden. //

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