Mit Augenmaß und Mut den Manteltarifvertrag reformieren und erhalten
Der für Tariffragen zuständige Sozialpolitische Ausschuss im VDZ hat aufgrund des sich in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts erheblich veränderten wirtschaftlichen Umfelds in 2009 den bestehenden bundesweit geltenden Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften fristgemäß gekündigt. Ziel ist es, den bisherigen Flächentarifvertrag in eine an die gravierenden Strukturveränderungen im Zeitschriftengeschäft angepasste zeitgemäße neue Regelung zu überführen.
Der Manteltarif muss reformiert werden
Im Zeitschriftenbereich Deutschlands gibt es vier Tarifwerke, die im Verhältnis zwischen Redakteur und Verlag gelten: Der Gehaltstarifvertrag, der Manteltarifvertrag, der Tarifvertrag über die zusätzliche Altersversorgung des Presseversorgungswerkes und der allgemeinverbindliche Tarifvertrag zum Volontariat. Hinzu treten regionale Tarifverträge für die Verlagsangestellten.
Entwicklung des Tarifniveaus
Während der Gehaltstarifvertrag früher jährlich, heute eher im Zweijahresrhythmus neu verhandelt wird, ist der Manteltarifvertrag lediglich fünfmal in den 35 Jahren seines Bestehens geändert worden. Gerade in den 80er und 90er Jahren bestanden diese Änderungen in deutlichen Anspruchsverbesserungen der Redakteure. So stieg die ursprünglich gar nicht vorgesehene Jahresleistung auf 95 Prozent eines Monatstarifgehaltes. Auch verlängerte sich der Urlaub beispielsweise eines 30-jährigen von anfänglich 21 Tage 1974 auf 30 Tage. Ebenso wurden das Urlaubsgeld und seine Bemessungsgrenze stetig erhöht, von 35 Prozent des Tarifgehaltes und ca. 1.400 € auf 85 Prozent und rd. 3.600 Euro. Trotz der Erkenntnis, dass sich das Selbstverständnis des Redakteursberufs mit einer starren Arbeitszeitregelung nicht verträgt, erzwangen die Journalistengewerkschaften 1984 die 40 Stundenwoche, die in mehreren Schritten zur heute geltenden 36-Stundenwoche reduziert wurde. Hinzu kommen deutlich längere Kündigungsfristen als gesetzlich vorgesehen und zusätzliche Zahlungen über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus. Diese Aufzählung soll verdeutlichen, dass der Manteltarifvertrag in allen Bereichen komfortable Regelungen enthält, die im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts von den Gewerkschaften erstritten wurden. Damit verließen die Tarifverträge ihre ursprüngliche Aufgabe, Mindestbedingen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu regeln. Der Blick in den Gehaltstarif, die Regelungen der Presseversorgung oder auch die Höhe des im Manteltarifvertrages geregelten Urlaubsgeldes machen deutlich, dass Redakteure finanziell deutlich besser gestellt werden als die übrigen Verlagsangestellten. Natürlich wollten manchen Regelungen auch der besonderen Stellung des Redakteurs im Verlag Rechnung tragen, seiner Verantwortung für die publizistische Qualität und Vielfalt der Zeitschriften.
Kostendruck der Verlage
Auf der anderen Seite stehen die Verlage infolge fortschreitender Digitalisierung vor ungeheuren Aufgaben. Längst steht nicht mehr allein der Printtitel im Vordergrund vielmehr gilt es, sich auf allen Kommunikationswegen zu behaupten. Hierfür sind ständig neue Investitionen erforderlich, ohne dass entsprechende Erlöse mit Inhalten online oder mobil erzielt werden. Im Kerngeschäft hat sich der strukturelle Trend der Erosion der Anzeigenerlöse im Rahmen der konjunkturellen Krise seit Herbst letzten Jahres dramatisch beschleunigt und das bei überwiegend sinkenden Auflagen pro Titel im Vertriebsmarkt. Hier entsteht dauerhaft ein Kostendruck für die Verlage an dem auch die Tarifpolitik des VDZ nicht vorbeikommt. Auf diese gravierend geänderten Rahmenbedingungen, muss verantwortungsvolle Tarifpolitik jetzt reagieren und in einem kritisch-konstruktiven Dialog mit den Gewerkschaften als Sozialpartner Antworten finden. Der im März 2009 abgeschlossene Beschäftigungssicherungsvertrag war in diesem Zusammenhang eine erste wichtige Vereinbarung der Tarifpartner. Er bietet den Verlagen die Möglichkeit, in der gegenwärtigen konjunkturellen Krise im Rahmen betrieblicher Bündnisse zeitnah und sofort wirksam finanzielle Einsparungen gegen die Zusage temporärer Beschäftigungssicherung zu erzielen. Doch diese Maßnahme alleine ist nicht ausreichend, um der hinter der konjunkturellen Krise stehenden gravierenden strukturellen Herausforderung im Zeitschriftensegment zu begegnen.
Forderungen der Verlage
Die Mehrheit der Verlage ist diesen Herausforderungen der Zukunft nur gewachsen, wenn auch im Manteltarifvertrag das großzügige Leistungsspektrum an die neuen Gegebenheiten angepasst wird. Neben verschiedenen anderen Anpassungsnotwendigkeiten sind folgende große Themenfelder gegenüber den Gewerkschaften seitens der Verlage aufgerufen: Das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahresleistung sollten zu einem 13. Monatseinkommen zusammengefasst werden. Ein wichtiges Thema ist auch die tarifliche Arbeitszeit, die es gilt, an die redaktionellen Anforderungen flexibel anzupassen. Ebenso wird angestrebt, bei den Beiträgen zur Presseversorgung zur früher geltenden paritätischen Finanzierung durch Verlage und Redakteure zurückzukehren. Den Verlagen und Gewerkschaften kommt in den anstehenden Gesprächen eine große Verantwortung zu, mit Augenmaß und Mut die nötige Reform des Manteltarifvertrages zu gestalten. Allein auf diese Weise kann es aber gelingen, dem gegenwärtigen Trend der fehlenden Tarifbindung in vielen Verlagen entgegenzuwirken und den Flächentarifvertrag im Zeitschriftenbereich auch künftig zu erhalten.
VDZ und Gewerkschaften stehen in ihrer langjährigen sozialpartnerschaftlichen Tradition gegenüber den Verlagen und den dort tätigen Beschäftigten in der Pflicht, den dramatischen Umbrüchen im Zeitschriftengewerbe ein auf diese neuen Gegebenheiten adäquat angepasstes neues Tarifwerk gegenüberzustellen. Nur so können auch künftig die sozialen Belange der Mitarbeiter dieser Branche sowie die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Mitgliedsverlage in Einklang bleiben.