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Monopole regulieren leicht gemacht

Nachrichten Medienpolitik

Gestern startete die Europäische Kommission den öffentlichen Konsultationsprozess für den Digital Services Act (DSA). Bei diesem „Rechtsakt über digitale Dienste“ geht es zunächst darum, die Inhaltsverantwortlichkeit großer wie kleiner Plattformen zu reformieren. Abgefragt wird aber auch, ob und wie Monopolplattformen reguliert werden müssen, um Freiheit und Wettbewerb zu sichern. Lesen Sie dazu den Beitrag von Prof. Dr. Christoph Fiedler.

Monopole regulieren leicht gemacht
Asymmetrische Marktregulierung der digitalen Megaplattformen als Schicksalsaufgabe Europas

Noch kann freier Wettbewerb auf Monopolplattformen durch Regulierung wiederhergestellt werden. Verpasst Europa diese Chance, droht ein Ende ökonomischer und politischer Freiheit. Massive Schäden für Wirtschaft, Kultur und Demokratie werden die Folge sein. Schwierigkeiten liegen nicht in der Ausgestaltung der nötigen Ex-ante-Regulierung. Die ist anspruchsvoll, aber nicht mehr. Die Schwierigkeiten sind ausschließlich politischer Natur. Teile des politischen Systems nehmen die Desinformationskampagnen zur angeblichen Harmlosigkeit oder Unregulierbarkeit der Monopole für bare Münze. Zuweilen herrscht auch eine gewisse Teilnahmslosigkeit, der schlicht die Energie fehlt, das offenbare Problem der Digitalmonopole im Rahmen des Möglichen zu adressieren. Und schließlich gibt es auch Entscheidungsträger, die die Megaplattformen unterstützen. Doch es besteht Hoffnung, die mit den Namen Vestager, Breton und von der Leyen verbunden ist.

1. Skizze einer Ex-ante-Regulierung, die die Monopolgewinne als solche belässt

Es ist kein Hexenwerk, wenn nur die Politik es will: Eine asymmetrische Regulierung der digitalen Megaplattformen könnte einen diskriminierungsfreien und fairen Wettbewerb in der digitalen Welt wiederherstellen und sichern. Die Grundanforderungen der dafür nötigen EU-Regulierung lassen sich unschwer erkennen. Dabei hilft es, die Erfahrungen aus den Selbstbegünstigungsfällen Google Shopping (EC Case AT.39740), Android (EC Case AT.40099) und Amazon (EC Case AT.40462) sowie aus dem Boykott des Verlegerrechtes in Deutschland und Frankreich durch eine Quasimonopol-Suchmaschine mit bewährten Prinzipien erfolgreicher Integration von Monopolen abzugleichen:

  1. Ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang aller legalen Angebote zu der jeweiligen Megaplattform, das sich auf Rankingkriterien, Darstellungsoptionen und alle sonstigen wettbewerblich relevanten Features erstreckt. Dieses Gleichbehandlungsgebot ist mit einem strikten Verbot der Selbstbegünstigung des Megaplattformbetreibers zu koppeln, das bis hin zum Verbot der Tätigkeit auf nach- oder vorgelagerten Märkten reichen kann.
     
  2. Ein umfassendes Verbot unbilliger Behinderung, beispielsweise durch das Fordern einer unentgeltlichen Überlassung immaterialgüterrechtlich geschützter Inhalte als Voraussetzung für den Zugang zu einer Vermittlungsplattform. So ließe sich etwa der erwähnte Boykott des Verlegerrechtes durch ein Suchmaschinenmonopol in einigen europäischen Ländern adressieren.
     
  3. Generell ist es den Megaplattformen zu untersagen, sich kommerzielle Vorteile wie beispielsweise den Zugang zu Daten der Marktteilnehmer etc. einräumen zu lassen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu der erbrachten Vermittlungsleistung stehen.
     
  4. Eine Begrenzung der gegen Entgelt verkauften Vermittlungsleistung (beispielsweise Suchwortwerbung) im Verhältnis zu der auf Relevanz basierten Vermittlungsleistung  (beispielsweise generische Suchergebnisse). Wenn etwa ein Monopol in der allgemeinen Internetsuche besteht, spricht viel dafür, dass die bestplatzierten Antworten der  Suchmaschine zu einem weit überwiegenden Anteil relevanzbasierte, sogenannte generische Ergebnisse sein sollten und nur zu einem begrenzten Anteil aus versteigerten Werbeanzeigen oder kommerzieller Eigenwerbung des Suchanbieters bestehen dürfen.
     
  5. Vorgaben zur Verhinderung einer weiteren unverhältnismäßigen Ausdehnung von Marktmacht, wie etwa eine Anordnung zur Trennung der auf dem Monopolmarkt gewonnenen Daten von Daten aus anderen Geschäftsbereichen etc.

Die Konkretisierung und der Vollzug einer solchen Regulierung sollten marktorientierten, spezialisierten Regulierungsbehörden übertragen werden, wie sie z. B. im Bereich der Regulierung der Telekommunikation seit Langem sehr erfolgreich agieren. Die nötige Regulierung ist dabei kategorisch milder, als es die Regulierung der TK-Monopole war. Während diese die vormals umfassenden Telekommunikationsmonopole aufgebrochen hat, wird die Regulierung von Megaplattformen bestehende Monopole, sofern sie auf effizienzsteigernden Netzwerkeffekten beruhen, als solche nicht durch Wettbewerb ersetzen. Die Monopolgewinne auf der Vermittlungsebene selbst, also beispielsweise aus der Suchwerbung im Monopol der allgemeinen Suche, bleiben erhalten. Allein der Einsatz und Missbrauch dieses Monopols auf der Plattform werden endlich konsequent unterbunden. Dass dieser Schritt überhaupt noch der Begründung bedarf, ist schwer verständlich.

2. Vermittlungsmonopol und übermächtige Konkurrenz zugleich

Die fortschreitende und zunehmend verfestigte Macht der Monopolplattformen macht eine angemessene Marktregulierung zur Existenzbedingung freier und wettbewerblicher Politik und Wirtschaft. Dabei sind die in marktwirtschaftlicher Freiheit verbreiteten und finanzierten Presseunternehmen gleich in zweifacher Weise der zunehmenden Expansion der Digitalmonopole in immer neue Bereiche der Gesellschaft ausgesetzt. Immer häufiger entscheiden mächtige Plattformen, welche Medien unter welchen Bedingungen Zugang zu den Nutzern ihrer jeweiligen Plattform haben und wie gut oder schlecht die ausgewählten redaktionellen Inhalte für Nutzer sichtbar und auffindbar sind. Damit bestimmen diese Plattformen darüber, welche Medien und welche Inhalte eine Chance auf dem jeweiligen Leser- und Anzeigenmarkt haben. Gleichzeitig steuern die Monopole so den publizistischen Erfolg und Misserfolg des jeweiligen Presseprodukts und schließlich sogar den jeweiligen politisch-kulturellen Meinungsmarkt. Die Plattformgiganten beschränken sich allerdings im Verhältnis zu den Presseunternehmen nicht auf diese äußerst problematische Monopolvermittlerrolle, sondern treten vielfach in einen – schon angesichts der erdrückenden Marktmacht – unfairen Wettbewerb zu den Presseverlagen auf den der Plattform nachgelagerten Märkten. Das gilt insbesondere für Leser- und Anzeigenmärkte als die beiden wesentlichen Märkte redaktioneller Verlagsprodukte. Plattformen bieten vielfach mit  Presseangeboten konkurrierende Inhalte an, ohne für diese zu bezahlen. Gleichzeitig vereinnahmen wenige digitale Plattformunternehmen einen immer größeren Anteil der digitalen Werbebudgets.

3. Die Macht der Digitalmonopole wächst weiter

Die Entscheidungsmacht der Digitalmonopole über die Chance redaktioneller Medien auf Zugang zu ihren Leser- und Anzeigenmärkten wird im Zuge des Heranwachsens noch stärker digital geprägter Generationen weiter zunehmen. Im Jahr 2020 gibt es, zumindest in Deutschland, zum Glück noch relativ viele Verbraucher, die sich die Mühe machen, die von den Digitalplattformen mitgeformten Informationswelten durch die regelmäßige Konsultation anderer Quellen zu relativieren und zu korrigieren. Doch ihr Anteil wird im Zuge der Ausbreitung der Digitalplattformen immer kleiner. So werden wir Europas Pressefreiheit und -vielfalt letztlich nur bewahren können, wenn wir den diskriminierungsfreien und fairen Zugang aller redaktionellen Medien zu den  marktmächtigen Plattformen sicherstellen. Anderenfalls werden in einer noch sehr viel weiter digitalisierten Gesellschaft die herrschenden Intermediäre quasi exklusiv darüber entscheiden, welche marktwirtschaftlich finanzierten Publikationen noch sichtbar sind und existieren können. Und in ganz ähnlicher Weise wird es eine Chance auf einen freien Markt ungezählter weiterer Dienstleistungen und Produkte nur in dem Maße geben, in dem eine Regulierung der allmächtigen Monopolplattformen den fairen Wettbewerb der jeweiligen Produkte auf der  Monopolvermittlungsplattform sichert.

4. Die Google-Shopping-Entscheidung als historischer erster Schritt

Die skizzierte Entwicklung ist der Grund dafür, dass die deutschen Presseverlegerverbände bereits 2009 eine Missbrauchsbeschwerde gegen das seitdem weiter gewachsene Internet-Suchmonopol erhoben haben. Die konsequente Verfolgung dieser Beschwerde hat – nach Ansicht mancher Beobachter maßgeblich – zur Verbotsverfügung der EU-Kommission im Fall AT.39740 – Google Search (Shopping) – vom 27. Juni 2017 beigetragen. Mit dieser Verfügung wurde es erstmals einem Digitalunternehmen untersagt, auf seiner Monopolplattform ein eigenes Angebot gegenüber Angeboten von Wettbewerbern zu bevorzugen. Im Klageverfahren gegen diese Entscheidung sind BDZV und VDZ Nebenintervenienten aufseiten der Kommission. Im Android-Verfahren der Kommission wurden BDZV und VDZ als interessierte Dritte und im Klageverfahren ebenfalls als Nebenintervenienten aufseiten der Kommission zugelassen. Zutreffend hält das Gericht erster Instanz in der Begründung der Zulassung der Presseverlegerverbände fest, dass die Presseunternehmen für die Veröffentlichung ihrer redaktionellen Inhalte zunehmend auf  Endgeräte, Anwendungen und Suchdienste angewiesen sind und dass ihre Wirtschaftlichkeit weitgehend von ihrer Sichtbarkeit im Internet abhängt (Anordnung vom 23. September 2019, Google vs. Kommission, Case T-604/18, Rz. 78).

5. Die allgemeine Missbrauchsaufsicht genügt nicht

Die Google-Shopping-Entscheidung der EU-Kommission ist ebenso grundlegend positiv, wie sie die Notwendigkeit illustriert, von der einzelfallbezogenen Ex-post-Missbrauchskontrolle zu einer gesetzlichen und behördlichen Ex-ante-Marktregulierung fortzuschreiten, will man tatsächlich einen fairen Wettbewerb auf den beherrschenden Plattformen erreichen. Auf einen Einzelfall  bezogene und beschränkte Verbote, oft erst Jahre nach dem Verhalten, reichen in keiner Hinsicht. Selbst zehn Jahre nach der Beschwerde ist die Google- Shopping-Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Das in der Entscheidung auferlegte Gleichbehandlungsgebot wird vom Adressaten faktisch ignoriert und nur pro forma umgesetzt. Und es genügt in seiner Begrenzung auf den Markt für Produkt- und Preisvergleicher ohnehin nicht, um einen fairen Wettbewerb auch für all die anderen Unternehmen auf anderen Digitalmärkten zu sichern, die allesamt auf eine neutrale Suche angewiesen sind.

6. Was nun geschehen muss

Die EU-Kommission erklärt bislang immerhin, sie werde »die Einführung von Ex-ante-Regulierungsmaßnahmen prüfen«, um „Fairness und Wettbewerbsmöglichkeiten … auf Märkten“ sicherzustellen, „die von großen Plattformen mit erheblichen Netzwerkeffekten geprägt sind, die als Torwächter fungieren“ (KOM(2020) 67 final vom 19. Februar 2020, S. 11). Diesen Worten müssen zügig Taten durch den Entwurf einer Regulierung mit den unter 1. skizzierten Elementen folgen.

7. Was nicht geschehen darf: Vermengung der asymmetrischen Marktregulierung der Megaplattformen mit der Regulierung der Inhaltsverantwortung von Plattformen aller Art (DSA)

Die Regulierung von Online-Vermittlungsleistungen adressiert spezifische Marktmacht. Diese asymmetrische Marktregulierung ist inhaltlich wie politisch von gänzlich anderer Natur als die im Grundsatz für Plattformen jeder Größe relevante Verschärfung der Inhaltsverantwortlichkeit im Rahmen des geplanten »Rechtsaktes über digitale Dienste«. Dieser Digital Services Act (DSA) wird als Nachfolger der E-Commerce-Richtlinie sowohl die Haftung sozialer Netzwerke für Nutzeräußerungen als auch die Haftung der Verlage und sonstiger Anbieter für Leserforen,  Diskussionsforen und Bewertungsplattformen betreffen. In der Diskussion über die Balance zwischen Meinungsfreiheit und Plattforminhaltskontrolle wird der Digital Services Act schon jetzt mit  Themen wie Upload-Filtern, künstlicher Intelligenz als Zensor etc. in Verbindung gebracht. Dementsprechend müssen die beiden Themen strikt voneinander getrennt und separat verhandelt  werden. Anderenfalls droht, dass die Ex-ante-Marktregulierung der Monopolplattformen in unsachlicher Weise mit der ganz anderen Frage der Inhaltsverantwortlichkeit vermengt und dadurch abgeschwächt und verwässert wird. Darauf haben zuletzt auch hochrangige Kommissionskreise nachdrücklich hingewiesen.

8. Was geschehen wird

Einige Personalien auf europäischer Ebene lassen Hoffnung schöpfen. Margrethe Vestager hat als Wettbewerbskommissarin der Juncker-Kommission nicht nur die Google-Shopping-Entscheidung federführend verantwortet und mit beeindruckender Souveränität verfolgt. Sie hat auch die Grenzen der Missbrauchsaufsicht erfahren müssen. In ihrer aktuellen zusätzlichen Rolle als geschäftsführende Vizepräsidentin für das digitale Europa hat sie weiteren Gestaltungsspielraum gewonnen und dürfte zudem zu den ganz wenigen zählen, die die Dringlichkeit des Problems aus eigener Erfahrung erfassen können. Thierry Breton, der für eine solche Regulierung unmittelbar zuständige Binnenmarktkommissar, ist zwar in Brüssel noch ein unbeschriebenes Blatt, sollte aber die Erfahrung, den Mut und die Ausdauer mit sich bringen, die für ein solches Vorhaben nötig sind. Gewinnen die beiden in dieser Schicksalsfrage Europas die Unterstützung der Kommissionspräsidentin von der Leyen, kann eine effektive Regulierung auf den Weg gebracht werden. Niemand kann derzeit sagen, ob der EU-Gesetzgeber, bestehend aus EU-Kommission, Parlament und Ministerrat, die zum Schutz von Wettbewerbsfähigkeit und Demokratie überfällige asymmetrische Regulierung der Megaplattformen vollbringen wird. Zwei Aspekte stehen aber außer Zweifel. Erstens besteht die historische Chance, dass der alte Kontinent mit einer solchen Regulierung tatsächlich einmal den Weg weist. Denn nur mit einer solchen Marktregulierung können Freiheit und Vielfalt im politischen und ökonomischen Wettbewerb der digitalen Welt gesichert werden, die zunehmend von einer Handvoll Unternehmen beherrscht wird. Und zweitens wird es niemand tun, wenn es die EU nicht macht. Weder China noch die USA.
 

Monopole regulieren leicht gemacht


// Beitrag von Prof. Dr. Christoph Fiedler, VDZ-Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik, Chairman Legal Affairs EMMA (European Magazine Media Association) | erschienen in PRINT&more 1/2020

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