Nachweisgesetz: Was geht im Arbeitsvertrag?
Bis zu Beginn der 2000er-Jahre konnten Arbeitsverträge relativ frei erstellt werden. Häufg wurden Arbeitsverträge auch nur mündlich abgeschlossen. Die Gefahr für Arbeitgeber, negative Folgen zu erleiden oder sich gar Schadensersatzansprüchen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auszusetzen, war relativ gering. Im Januar 2002 erließ der Bundesgesetzgeber das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts. Seitdem werden Arbeitsverträge darauf überprüft, ob sie Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.
Inhalte von Arbeitsverträgen richtig nachweisen
Unabhängig von den veränderten Prüfungsmaßstäben aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts gilt seit dem 1. August 2022 ein „verschärftes“ Nachweisgesetz. Das Gesetz regelt, welche arbeitsvertraglichen Pflichten ein Arbeitgeber in Verträgen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schriftlich niederlegen muss. Das Gesetz vor dem 1. August 2022 sah im Wesentlichen keine Sanktionen vor, wenn der Arbeitgeber gegen die gesetzlichen Pflichten zu Inhalten von Arbeitsverträgen verstieß. Seit diesem Sommer ist dies anders. Verstöße gegen die Pflichten des Nachweisgesetzes stellen Ordnungswidrigkeiten dar. Es drohen Bußgelder. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass sich Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen, wenn sie gegen die Pflichten des Nachweisgesetzes verstoßen. Der deutsche Gesetzgeber sieht einen Nachweis weiterhin nur dann als ausreichend an, wenn dieser in Schriftform erfolgt. Schriftform bedeutet vereinfacht dargestellt, dass die Regelungen auf Papier niedergelegt und vonbeiden Parteien unterschrieben werden. Mit anderen Worten: Ein Arbeitsvertrag, der nur durch den Austausch elektronischer Kommunikation zustande kommt, z. B. durch E-Mails, wird nicht den Anforderungen des Nachweisgesetzes gerecht. Nur Verträge, die ab dem 1. August 2022 gelten, müssen angepasst werden. Allerdings kann eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auch in bestehenden Verträgen verlangen, dass quasi nachträglich ein Nachweis der geltenden Arbeitsvertragsinhalte in Schriftform übermittelt wird.
Verschärfte Haftung und neue Nachweispflichten
Die neu als Verpflichtung für die Arbeitgeberseite in das Gesetz aufgenommenen Tatbestände sind vielfältig. Es sind Sachverhalte betroffen, die in jüngerer Vergangenheit größere Bedeutung erfahren haben, wie z. B. die mobile Arbeit. Aber auch Selbstverständlichkeiten, wie z. B. die Art der Auszahlung des Arbeitsentgeltes, sind nunmehr zur Nachweispflicht geworden. Es dürfte keine generelle Verpflichtung geben, zu jeder Thematik im Arbeitsvertrag eine Regelung aufzustellen, selbst wenn diese für das betroffene Unternehmen und das Verhältnis zur Arbeitnehmerin/zum Arbeitnehmer keine Bedeutung hat. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, etwa nur gesetzliche Regelungen zu wiederholen.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, Gesetzestexte in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, gilt im Hinblick auf etwaige Kündigungen des Arbeitsverhältnisses und die Klagen von Arbeitnehmern gegen diese Kündigungen. Der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Vorschrift ausdrücklich verpflichtet, das einzuhaltende Verfahren einer Kündigungsschutzklage, mindestens das Schriftformerfordernis, die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und auch die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage als Hinweis im Arbeitsvertrag konkret zu regeln. Zwar regelt das Nachweisgesetz, dass eine Arbeitgeberkündigung auch dann weiterhin grundsätzlich als wirksam anzusehen ist, wenn die Dreiwochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes nicht eingehalten wurde und der Arbeitgeber nicht auf das Verfahren einer Kündigungsschutzklage im Arbeitsvertrag hingewiesen hat. Gesetzlich geregelt ist damit allerdings nur die Frage der Wirksamkeit der Kündigung. Es gibt die Auffassung, dass trotz der Klarstellung im Nachweisgesetz gegebenenfalls Schadensersatzansprüche von Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber denkbar sind, wenn der Arbeitgeber nicht auf das Kündigungsschutzverfahren hingewiesen hat und die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer deshalb nicht rechtzeitig die Dreiwochenfrist eingehalten hat. Zu möglichen Verweisen in Arbeitsverträgen auf gesetzliche Regelungen oder Tarifverträge stellt sich die Frage, wie genau diese Verweise/Bezugnahmen sein müssen. Grundsätzlich reicht ein allgemeiner Hinweis auf den Tarifvertrag. Eine wörtliche Wiedergabe der gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Vorschrift ist nicht erforderlich.
Variable Vergütung als Personalführungsinstrument
Auch bei Vorschriften zur variablen Vergütung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, einem beliebten Mittel zur Personalführung, ist den dargestellten Anforderungen an arbeitsvertragliche Klauseln besondere Beachtung zu schenken. Die Voraussetzungen, wann ein Mitarbeiter in welcher Höhe eine von Unternehmenskennzahlen abhängige zusätzliche Entlohnung verlangen kann, müssen klar und widerspruchsfrei geregelt werden. Arbeitgeber müssen genau darauf achten, dass geregelte Verfahren, z. B. die jährliche Festlegung von Zielvereinbarungen, eingehalten werden.
Homeoffice muss geregelt werden
Die Arbeit im Homeoiffce muss im Hinblick auf Umfang, Arbeitszeit, Datenschutz und Arbeitsmittel ebenfalls sehr detailliert geregelt werden. Dies wird häufig vergessen, da in Zeiten der Corona-Pandemie Arbeitgeber sehr flexibel in Einzelfällen ihre Arbeitnehmer in das Homeoffice schicken konnten. Wollen Arbeitgeber unabhängig von extremen Situationen, wie z. B. einer Pandemie, Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten lassen, bedarf es einer eindeutigen und nachvollziehbaren vertraglichen Regelung, wie und in welchem Umfang Homeoffice-Arbeit erfolgen soll. Auch eine etwaige Beendigung von Arbeit im Homeoffice ist konkret zu regeln.
Regelungen zur Freistellung von Mitarbeitern sinnvoll?
Ein sensibles Thema im Zusammenhang mit einer Prüfung auf Unangemessenheit durch Gerichte sind auch Klauseln zur Freistellung von Mitarbeitern oder zur Befristung von Arbeitsbedingungen. Ein Arbeitnehmer muss wirksam und unwiderruflich freigestellt werden, wenn Urlaub durch die Freistellung erfasst werden soll. Immer vermeiden sollte man es, einen Arbeitnehmer unwiderruflich freizustellen, wenn nicht sicher ist, ob das Arbeitsverhältnis auch in der nächsten Zeit beendet wird. Die Folge kann sonst sein, dass ein Mitarbeiter bis zu seinem Eintritt in die Rente oder gegebenenfalls sogar noch länger nicht arbeiten muss, aber Vergütung erhält.
Befristung von Arbeitsbedingungen als Gestaltungsmittel
Die Befristung von Arbeitsbedingungen ist anders zu beurteilen als die Befristung von Verträgen insgesamt. Prüfungsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hier nicht das Teilzeit- und Befristungsgesetz, wo die Zulässigkeit von Vertragsbefristungen geregelt ist. Vielmehr ist Maßstab die bereits mehrfach angesprochene AGB-Kontrolle. Ausschlussfristen der veränderten Rechtsprechung anpassen Auch zu sogenannten Ausschlussfristen hat es in den letzten Jahren diverse Urteile des Bundesarbeitsgerichtes zur Frage gegeben, wann derartige Vorschriften Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und deshalb insgesamt unwirksam sind. Eine moderne und wirksame Ausschlussfrist muss regeln, dass Ansprüche auf den Mindestlohn vom Ausschluss ausgenommen sind. Ebenso muss eine Ausschlussfrist nach heutigen Maßstäben eindeutig klarstellen, dass zur Wahrung der Ausschlussfrist auch die Textform ausreicht.
Thomas Lemke ist Geschäftsstellenleiter MVFP Nord und Fachanwalt für Arbeitsrecht