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Online internationale Märkte ausprobieren

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Das digitale Zeitalter bietet Verlagen neue Chancen, Marken und Medien weiterzuentwickeln. Eine davon ist der Gang ins Ausland. Der VDZ untersucht in einer Studie die Online-First -Expansion in internationale Märkte.

Vergangene Woche übernahm das weltweit größte Frauenportal Aufeminin.com das britische ElternportalNetmums.com – Mehrheitsgesellschafter von Aufeminin (32 Millionen Unique User in Europa) ist der Axel Springer Verlag mit 82 Prozent. Der Coup ist exemplarisch für die Expansion deutscher Verlage ins Ausland. Die Reichweiten, egal ob digital oder Print, sollen nicht an den Landesgrenzen enden. „Oft sind aber die Erwartungen an Vertrieb, Anzeigenmärkte und das, was der Leser lesen will, falsch“, meint Joachim Weidemann, Medienberater bei Bartholomäus & Cie. (Frankfurt). Er hat gemeinsam mit dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ die Studie „Online-First-Expansion in internationale Märkte“ vorgelegt. Vor allem für Fachverlage ist der Voll-Rollout ins Ausland aufwendig und kostenintensiv. Die Studie empfiehlt deshalb, Themen online in internationalen Märkten zu testen. Denn die Markteintrittsbarrieren sind niedrig und technische Plattformen international verfügbar, der Investitionsaufwand ist gering, der Vertrieb einfacher und das Feedback vom Markt schnell. Leuchtendes Vorbild – auch wenn die Verlage es ungern hören dürften – ist die integrierte Vorgehensweise von Google, Facebook oder eBay, die von einem Portal ausgehend weltweit erfolgreich operieren.

Entscheidend ist die Balance zwischen Technik, Inhalt, Vertrieb und Kommerz. Das Pflichtenheft reicht von der Wahl der technischen Plattform, der Installation eines Content-Pools und der Analyse der Reichweiten bis hin zur Entwicklung neuer Erlösmodelle für das Ausland. Bisher praktiziert als einziger deutscher Verlag Gruner + Jahr den integrierten Ansatz. Die Hamburger haben basierend auf Eltern.de ein länderübergreifendes Webportal geschaffen, das die internationalen Verlage vereint. Die Technik ist in Hamburg zentralisiert, der internationale Content basiert auf den Inhalten von Eltern.de. „So
müssen unsere internen und externen Partner weder für die technische Umsetzung noch für den Content größere Investitionen tätigen“, sagt André Moellersmann, Leiter International Brands and Licenses G+J International. Das internationale Konzept ermögliche die Nutzung von Technologie, Know-how und Best Practices von Eltern.de. Mit Erfolg: Das International Parenting Network erreicht weltweit elf Millionen Unique User im Monat (einschließlich Eltern.de zwölf Millionen Unique User). Eine wichtige Erfolgskomponente ist dabei der Content. Die Elternthemen sind universell und relevant. Zudem lassen sich die deutschen Inhalte auf den Zielmarkt übertragen. Reines Übersetzen reiche aber nicht, kulturelle Unterschiede und Tonalitäten müssten berücksichtigt werden, mahnt Moellersmann.

Damit bildet Gruner + Jahr die Ausnahme. Die meisten Verlage entwickeln ihre Auftritte nicht selbst, sondern akquirieren Online-Plattformen, wie das Beispiel Axel Springer zeigt. Die Verlage sind vor allem an der internationalen Werbevermarktung der Portale interessiert. Eine Plattform ermöglicht die zentrale Buchung mit gleichen Anzeigenformaten, ähnlichem Content und klar definierten Zielgruppen – wichtige Prämissen für den Wachstumsmarkt paneuropäischer Kampagnen. „Brands werden immer globaler in ihren Marketingaktivitäten. Global concept, local flavor und alles aus einer Hand, das wünschen sich immer mehr CMOs“, bestätigt Ralf Hirt, VP International & CEO Deutschland von Glam Media.

Auch Glam, ein Joint Venture mit Hubert Burda Media, praktiziert den integrierten Ansatz. Die deutsche Internet-Seite Glam.de bündelt 340 Seiten von 200 Publishern und kommt auf zwölf Millionen Unique User monatlich. Das vertikale Frauennetzwerk – Glam.com im Ausland – produziert keine eigenen Inhalte, stellt aber die Technologie und übernimmt die Vermarktung. User-Nutzen und Alleinstellungsmerkmale seien das Erfolgskonzept für Digital First, ist sich CEO Hirt sicher.

Eine Verlagerung des Kerngeschäfts ins Ausland muss schließlich nicht zwingend folgen. Auch wenn die Voraussetzungen dank Marktkenntnis, erprobten Arbeitsabläufen und Online-Verankerung gut sind, will der Bedarf geklärt sein. „Für eine mögliche Print-Expansion muss eine interne Benchmark erreicht werden. Da kommt dann auch die grundsätzliche Überlegung Print oder Bezahl-App“, warnt Weidemann. Das Elternnetzwerk war für Gruner + Jahr der erste Online-Markteintritt auch ohne bestehende Zeitschriftenmarke. Inzwischen ist das Portal in neun Ländern (ohne Eltern.de) aktiv, teils mit starker Print-Marke, teils ohne. Denn gerade im Printbereich spielt die nationale Identität eine große Rolle. Beispiel Italien: „Hier kann man wirklich von Digital First sprechen“, sagt Moellersmann. Die Seite Nostrofiglio.it sei durch Kooperationen und Marketing bekannt geworden. In einem zweiten Schritt könnte man überlegen, ein Print-Magazin zu starten. Entscheidend sei die Zielgruppe, nicht das Medium, glaubt Moellersmann: „Auch wenn mit Print mehr Geld verdient wird, ist es nicht sinnvoll, pauschal Print Digital vorzuziehen.“

 "Mit der Online-Aktivität den Markt ‚on the job‘ tesen"

Medienberater Joachim Weidemann von Bartholomäus & Cie. empfielt Digital First für die Expansion ins Ausland

W&V: Ist Online-First die bessere Lösung für Verlage, um im Ausland Fuß zu fassen?

Weidemann: Für kleinere Verlage, die sich nur vorsichtig ins Ausland wagen, ist Online First der richtige Schritt, um einen Markt in aller Tiefe zu sondieren. Auf der Basis von Online-Investments lassen sich jederzeit neben digitalen Medien auch Magazine und andere Printmedien entwickeln und außerdem das Seminar- und Konferenzgeschäft. Auch für große Medienhäuser lohnt sich der Ansatz, wenn mehrere Märkte parallel erschlossen werden sollen. Das lässt sich von einer Online-Plattform aus sehr gut machen, da diese flexibel genug ist, die Eigenheiten der Zielmärkte zu berücksichtigen, etwa beim Themenspektrum.

W&V: Wo liegen die Risiken?

Weidemann:
Die Risiken sehen wir eher im traditionellen Mediengeschäft in neuen Märkten. Viele Medienhäuser hatten da in der Vergangenheit die Probleme im Print-Vertrieb oder die lokalen Kartelle im Anzeigenmarkt unterschätzt. Medienhäuser können mit der Online-Aktivität den Markt on the job testen. Sie erhalten direktes Feedback, was läuft und was nicht. Sie können ihr Portfolio ausprobieren und erweitern. Falls die Benchmarks nicht erreicht werden, fährt man Projekte ohne Aufsehen zurück oder gibt ihnen einen neuen Spin. Die Reputations- und Finanzrisiken sind also nur minimal.

W&V: Sollte eine Print-Expansion immer folgen?

Weidemann: Eine Online-to-Print Expansion kommt nur dann infrage, wenn die Nutzer-Benchmarks erreicht werden. Wer im Fachmedien-Segment auf 200 000 Nutzer im Monat kommt, kann vermutlich auch erfolgreich ein Printmedium in dem Segment etablieren. Wer dagegen im populären Special- Interest-Segment wie Kochen nur knapp 10 000 Nutzer erreicht, sollte vermutlich keine Print-Version wagen.

W&V: Lassen sich Online-Erfahrungen überhaupt auf Offline übertragen?

Weidemann: Wer heute in einen Markt eintritt, ist ja vor allem an den Lesern von morgen interessiert. Und gerade hier geht der Trend zu digitalen Medien, online und mobile. Besetzt man diese Kanäle, so kann man nach einem halben Jahr aus dem konkreten Markt heraus schon einschätzen, ob eine Print- Version Sinn macht. Dann lässt sich immer noch entscheiden, ob es ein Hochglanz-Magazin sein soll oder gleich eine App.

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