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Pressefreiheit nur noch auf dem Papier?

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promedia 01/2014

Ein Beitrag über die Medienordnung in der Konvergenz von Rechtsanwalt Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik im VDZ - erschienen in <link fileadmin vdz_de user_upload download medienpolitik promedia_1-2014_fiedler_6-7.pdf _blank>promedia 01/2014.

Das Projekt eines neuen Medienstaatsvertrags ist in aller Munde. "Eine umfassende Medienordnung auf der Höhe der digitalen Zeit", so das von Olaf Scholz im Mai 2013 treffend skizzierte Ideal, wäre tatsächlich ein Meilenstein der Mediengesetzgebung. Was aber soll sie regeln, die neue Ordnung? Und vor allem, wie? Zwei ganz unterschiedliche Zielrichtungen müssen unterschieden werden.

I. Da die Medien konvergieren, so eine Vorstellung, müsse man nun auch gedruckte Presse, E-Paper, Videoportal und Rundfunk einheitlich regulieren. Schon die tatsächliche These muss nicht überzeugen, weil zwar Verbreitungswege und Endgeräte, die Mediengattungen selbst aber nur sehr eingeschränkt konvergieren. Dessen ungeachtet stellt sich so die Gretchenfrage jeglicher Mediengesetzgebung, die auch im dritten Jahrtausend dieselbe bleibt: Medienfreiheit nach dem Vorbild der seit 1874 liberal und außenplural regulierten periodischen Presse, bei der die nachträgliche Verantwortlichkeit anhand allgemeiner Gesetze vor dem unabhängigen Richter an die Stelle exekutiver Inhaltsaufsicht tritt? Oder staatliche Mediengestaltung nach dem Vorbild der in Zeiten des öffentlichrechtlichen Rundfunkmonopols etablierten binnenplural orientierten Staatsaufsicht?

Wer wirklich ein und dieselbe Medienordnung für gedruckte und digitale Pressepublikationen, für redaktionelle Online-Videos und für Rundfunkprogramme will, muss sich entscheiden. Entweder  schafft er die Pressefreiheit ab und macht – in alphabetischer Reihenfolge – ct', Focus, SPIEGEL, SZ und Welt wie Rundfunkprogramme von einer staatlichen Genehmigung abhängig. Oder er muss die zum Kern der Pressefreiheit zählende Erlaubnisfreiheit auch auf Rundfunkprogramme erstrecken.
Dabei wäre jedenfalls die Lizenzpflicht für Zeitungen und Zeitschriften mit Art. 5 GG unvereinbar. Lässt man die gedruckte Presse außen vor und will den einheitlichen Erlaubnisvorbehalt nur auf den Rundfunk und digitale Medien wie heise.de, focus.de etc. erstrecken, ist das ebenfalls mit Art. 5 GG unvereinbar und zudem ein eklatanter Verstoß gegen Art. 4 E-Commerce-RL.

Ähnliches wie für das plastische Beispiel der Erlaubnisfreiheit gilt für eine Vielzahl weiterer Differenzierungen in der Gestalt intensiverer Rundfunkkontrolle: Entweder muss das Verbot politischer Werbung und also bspw. das Werbeverbot für Amnesty International im Fernsehen auch auf die digitale und gedruckte Presse  ausgedehnt werden, was kaum verfassungsgemäß erscheint. Oder es muss auch für das Fernsehen abgeschafft werden, wozu der Medienpolitik die Kraft fehlt, wie die gegenläufige Ausdehnung dieses Verbotes auf nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste im Zuge des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrages zeigt.

Auch die für die Presse essentielle Freiheit von behördlicher Aufsicht über redaktionelle Inhalte, die erst in diesem Jahrzehnt ansatzweise auf Teile der digitalen Presse ausgedehnt wurde, müsste abgeschafft werden. Oder eben auch auf den Rundfunk ausgedehnt werden.

Richtigerweise können Angleichungen alleine durch Liberalisierungsschritte für bislang stärker regulierte Mediengattungen in Betracht gezogen werden. Das scheinen auch prominente Vordenker der neuen Medienpolitik so zu sehen, wenn zu einer funktionierenden Media Governance eine Rechtsordnung zählt, die "offener und liberaler ist als die bisherige" (Olaf Scholz, 28.5.2013). Eine grobe Skizze der derzeitigen Freiheitsgrade verschiedener Medientypen von Pressefreiheit bis hin zu klassischer Rundfunkregulierung hilft womöglich, sinnvolle nächste Schritte zu identifizieren:

  1. Gedruckte Presse findet ihr freiheitliches Medienordnungsrecht im Wesentlichen in den Landespressegesetzen, die auch besondere Belastungen wie Impressumspflicht und Gegendarstellungspflicht enthalten.
  2. Digitale Presse (Texte, Bilder etc., also etwa digitale Ausgaben oder Websites) ist als Unterfall der Telemedien im Rundfunk- und Telemedienstaatsvertrag mit Sonderlasten (Gegendarstellung etc.) versehen, die aus den Pressegesetzen übernommen wurden. Dabei werden teilweise und teilweise nur zögerlich auch pressetypische Freiheitselemente geregelt (Redaktionsdatenschutz, Ansätze der Polizeifestigkeit).
  3. Redaktionelle Videos, die nicht Hauptzweck des jeweiligen Medienangebots sind, erreichen einen teilweise mit 2. vergleichbaren Freiheitsschutz.
  4. "Audiovisuelle Mediendienste auf Abruf" sind Abrufmedien, deren Hauptzweck in redaktionell zusammengestellten Videos liegt, die zudem nach Form und Inhalt fernsehähnlich sein müssen. Es gelten Elemente der restriktiven Rundfunkregulierung wie bspw. das Verbot politischer Werbung etc.
  5. Rundfunkprogramme sind von staatlicher Genehmigung abhängig und unterliegen vielfachen weiteren besonderen Vorgaben wie etwa binnenpluralen Anforderungen.

"Digital verbreitete Presse darf online nicht stärker als offline beschränkt werden"

Ein erster, dringend überfälliger Schritt ist die technologieneutrale Sicherung der Pressefreiheit. Die zunehmend digital verbreitete Presse darf online nicht stärker als offline beschränkt werden. Das gilt selbstverständlich auch, wenn der gedruckte Verbreitungsteil ganz entfällt, oder es sich um eine reine Online-Publikation handelt. Der Staatsvertrag über Rundfunk und Telemedien ist in der Sache schon lange ein Staatsvertrag über elektronische Presse, sonstige Telemedien und Rundfunk. Es gilt nun, die digitale Presse auch als solche zu bezeichnen und ihre Freiheit systematisch zu sichern. Geschieht dies nicht, läuft man Gefahr, im Zuge weiterer Digitalisierung die Pressefreiheit schleichend abzuschaffen. Sodann ist genau zu prüfen, welche weitergehenden Freiheitsbeschränkungen und inhaltsbezogenen Kontrollstrukturen für andere Mediengattungen wirklich zwingend erforderlich sind oder nicht doch (endlich) abgeschafft werden können.

II. Mit einer zweiten Fragestellung wandert der medienpolitische Blick über die Regulierung der jeweiligen Medien und ihrer Inhalte hinaus. Darum geht es, wenn Transportinfrastrukturen wie die TK-Netze oder Vertriebsplattformen wie der Pressegrossohandel, digitale Kioske von Endegeräteherstellern oder Internet-Suchmaschinen in ihrer medienpolitischen Dimension in einer "der Medienkonvergenz angemessene[n] Medienordnung" (Koalitionsvertrag 2013, S. 134) erfasst werden sollen. Diese Erweiterung des Untersuchungsfeldes ist richtig.

Zwischen die Fertigstellung von Rundfunksendungen und Presseartikel einerseits und den Kauf sowie die Rezeption der Medienprodukte andererseits sind im Zuge der Digitalisierung neue Verteilplattformen getreten, die vielfältige Eigeninteressen an dem publizistischen Erfolg oder Misserfolg bestimmter Medien oder Medieninhalte haben. Netzneutralität und Suchmaschinenneutralität sind nicht nur für die wirtschaftspolitische digitale Agenda von kaum zu überschätzender Bedeutung. Sie sind in einer digitalen Welt existentielle Bedingungen freier und pluraler Meinungsbildung.

Dieser Beitrag ist in promedia <link fileadmin vdz_de user_upload download medienpolitik promedia_1-2014_fiedler_6-7.pdf _blank>01/2014 erschienen: Medienstaatsvertrag - Pakt für digitale Fairness und Vielfalt

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