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Pressefreiheit und Medienpolitik

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Rede von Dr. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Medien- und Europapolitik VDZ, auf der Jahrestagung des Verbandes der Zeitschriftenverlage in Bayern am 26. Mai 2011

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT.

 Sehr geehrter Herr Staatsminister,

sehr geehrter Herr Sinner,

lieber Herr Dr. Driever,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

 es ist mir eine besondere Freude, zu bayerischen Zeitschriftenverlegern und zu dem Leiter der bayerischen Staatskanzlei zu sprechen. Ein besseres Publikum ist für die medienpolitische Seite der Pressefreiheit kaum denkbar.

Die Mitglieder des VZB haben alles zu bieten, was eine vielfältige und qualitätsbewußte Zeitschriftenlandschaft ausmacht. 77 Medienhäuser, viele kleine und mittlere, einige größere und große, verlegen zusammen mehr als 430 Publikationen. Gedruckte wie digitale Publikumszeitschriften zu allen Themen, die Menschen bewegen. Und gedruckte wie digitale Fachmedien für alle Berufe und Karrieren, die Deutschland zu bieten hat. Mit gutem Grund ist ein bayerischer Verleger seit Jahren Präsident des Bundesverbandes. Die Zusammenarbeit mit dem VZB ist hervorragend. Und mit Herrn Professor Schweizer ist einer der profiliertesten Medienrechtler und Interessenvertreter der Zeitschriftenpresse im bayerischen Verband zu Hause.

Die bayerische Staatskanzlei ist eine der Schaltstellen der deutschen Medienpolitik. Die Gesetze für alle digitalen Medien werden zwischen den Staatskanzleien der Länder vereinbart und erstritten. Wenn Brüssel Medienthemen an sich zieht, bestimmen die Bundesländer die deutsche Ratsposition. Bei alldem spielt Bayern nicht nur eine wichtige Rolle. Die bayerische Staatskanzlei hat in den letzten Jahren erkannt, dass mit der Digitalisierung der Presse auch die Freiheit der Presse digitalisiert werden muss. Wenn deshalb beispielsweise der Staatsvertrag über Rundfunk und Telemedien heute einzelne Elemente der Freiheit der digitalen Presse schützt, ist das auch der bayerischen Staatskanzlei mit zu verdanken. Wenn gleichzeitig noch viel Überzeugungsarbeit im Länderkreis vonnöten ist, um die Freiheit der Presse auf ein ausreichendes Niveau anzuheben, dann ist die nachhaltige Unterstützung des Freistaates unverzichtbar. Aber die Stimme Bayerns dringt auch nach Berlin und hat Gewicht bei Bundesthemen wie denjenigen des Urheber- oder Verbraucherschutzrechts.

Was erwartet Sie in den nächsten Minuten?

Zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zu Pressefreiheit und Medienpolitik in einer teildigitalisierten Welt. Sodann acht ausgewählte Baustellen der medienpolitischen Rahmenbedingungen für verlegerisches Handeln.

I. Die Existenz einer freien und vielfältigen Zeitschriftenpresse hängt von einer Vielzahl tatsächlicher und rechtlicher Faktoren ab.

Dabei treibt die größte aktuelle Herausforderung für die Medienpolitik auch die Verleger seit Jahren um:

Die Teildigitalisierung der Kommunikation.

1. Als tatsächliche Basis ist dazu festzuhalten: Die Zeitschriftenpresse ist technologieneutral. Zeitschriften können in publizistischer wie ökonomischer Hinsicht nur noch in ihrer Mehrfachpräsenz auf Papier und digitalen Verbreitungswegen begriffen werden. Die Verlage erreichen ihre Leser zunehmend über das offene mobile und stationäre Internet, aber auch über proprietäre E-Reader- und Smartphone-Plattformen. Je nach Segment und Titel reicht der Anteil digitaler Leser von einstelligen Prozentsätzen bis hin zu 100% bei den rein digitalen Publikationen.

Diese Technologieneutralität der Zeitschriften ist offenkundig. Nur zwei Beispiele: Ein fiktives und dennoch repräsentatives Wochenmagazin erreicht 5 Millionen Leser pro Printausgabe, mit seinem Onlineangebot pro Woche 1,3 Millionen Leser. Dabei besuchen die Online-Leser das Angebot 23 Millionen Mal und rufen 120 Millionen Texte und Bilder auf. Eine fiktive und dennoch repräsentative Zeitschrift deckt alle technischen wie gesellschaftlichen IT-Themen im Zweiwochenrhytmus ab. Sie erreicht damit ca. 1 Millionen Leser pro Printausgabe, online im gleichen Zeitraum knapp 2 Millionen Leser bei 12 Millionen Besuchen und 75 Millionen Seitenaufrufen.

Die digital und gedruckt verbreiteten redaktionellen Angebote der technologieneutralen Presse sind nach Themen und Zielgruppe identisch. Die konkreten Inhalte überlappen sich. Neben übereinstimmenden Texten finden sich nur gedruckt oder nur digital verbreitete Artikel. Außerdem wird zusätzlich in vielen Segmenten die komplette Printausgabe auch in digitaler Form angeboten.

2. Zeitschriften sind also nur noch technologieneutral denkbar. Was ändert sich für die Verleger dadurch?

Alles und Nichts.

a) Nichts ändert sich an der unternehmerischen Aufgabe. Es geht unverändert darum, erfolgreich an der freien Meinungsbildung zu den jeweils gewählten Themen teilzuhaben. Erfolgreich heißt zweierlei: Im freien publizistischen Wettbewerb mit interessanten und spannenden Inhalten die Leser zu überzeugen. Und zugleich im freien wirtschaftlichen Wettbewerb die nachhaltige Publikation des jeweiligen Titels finanziell sicherstellen zu können. Ob alle Leser zu der gedruckten Zeitschrift greifen oder ob sich die Leser auf Print, E-Reader und Smartphone, stationäres und mobiles Web verteilen, ist für diese publizistische und wirtschaftliche Aufgabe gleichgültig. Ebenso unerheblich ist, dass auf den digitalen Verbreitungswege vermehrt Videos oder andere neue Inhaltsformate hinzukommen.

b) Alles ändert sich, weil die Aufgabe in unvorhersehbarer Weise schwierig, kleinteilig und aufreibend geworden ist, ohne die Möglichkeit, einen Schalter umzulegen und dann in der neuen Welt erfolgreich zu sein. Stattdessen ein exponentielles Wachstum der Baustellen, auf denen je nach thematischer Ausrichtung, Zielgruppe und weiteren Faktoren für jede Publikation anders gebaut werden muss. Und alles, was im teildigitalisierten Jahr 2011 funktioniert, funktioniert vielleicht schon im nächsten Jahr so nicht mehr. Positiv gewendet: Die Anforderungen an die Zeitschriftenverleger werden immer differenzierter.

c) Dabei sind die Verlage unverändert publizistisch erfolgreich. Sie erreichen und begeistern ihre Leser mit gedruckten Ausgaben, aber eben auch an den diversen Bildschirmen. Die Zeitschriften erreichen mit ihren gedruckten und digitalen Ausgaben nicht weniger, sondern zuweilen sogar mehr Leser denn je. Mit der zunehmenden Verlagerung der Leserschaft zu digitalen Endgeräten nimmt jedoch vielfach – nicht überall – das Problem zu geringer Deckungsbeiträge der Online-Ausgaben zu.

3. Auch der gesetzliche Rahmen der Zeitschriftenpresse ist nur noch technologieneutral verständlich und denkbar. Was ändert sich für die Medienpolitik?

Alles und nichts.

a) Nichts an der Aufgabe, weil es nach wie vor darum geht, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der es der Presse ermöglicht, sich unabhängig vom Staat im freien publizistischen und wirtschaftlichen Wettbewerb zu organisieren, zu entfalten und zu finanzieren. Diese im Spiegel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Jahrzehnte vor Schaffung des Internet festgeschriebene Aufgabe der Politik gilt unverändert, ja ist dringlicher denn je.

b) Alles hat sich für die Medienpolitik geändert, weil die Aufgabe in unvorhersehbarer Weise schwierig, kleinteilig und aufreibend geworden ist, ohne die Möglichkeit, einen Schalter umzulegen und damit eine neue Medienordnung für die Zukunft der teildigitalisierten Presse geschaffen zu haben. Positiv gewendet: Die Anforderungen an den gesetzlichen Rahmen für die Presse werden immer differenzierter.

c) Das ist unbefriedigend. Denn es löst das Versprechen nicht ein, das viele der Konvergenz immer noch zu entlocken versuchen: Ein Gesetz und eine Regulierung für alle und alles!

Wer sich ernsthaft darum bemüht, den für eine freie Presse nötigen Rechtsrahmen den veränderten Realitäten anzupassen, kommt um die Erkenntnis der Notwendigkeit effektiver Pressefreiheit auf allen Verbreitungswegen nicht herum.  Man muss sich also die gesetzlichen Rahmenbedingungen der kompletten Produktions- und Vermarktungsprozesse der Presse auf allen Verbreitungsplattformen anschauen und auf ihre Pressefreiheitstauglichkeit abklopfen.

d) Gibt es keine Alternative zu der schwierigen Anpassung des Rechts an die differenziertere Presserealität? Subventionen oder eine weitere Expansion gebührenfinanzierter Medien wären medienpolitische Armutszeugnisse. Sie wären vor allem aber ein Bärendienst an jeder freien und demokratischen Gesellschaft.

e) Wenn es schon keine Alternative zur mühsamen Kleinarbeit gibt, dann doch wenigstens zwei Leitlinien:

Erstens: Das Existenzminimum vernünftiger Medienpolitik muss in der heutigen Zeit lauten: Keine weitere Verschlechterung des Rechtsrahmens für die Presse.

Zweitens: Verbesserungen des Rechtsrahmens, wo irgend möglich. Strukturell spricht einiges dafür, dass sich im Zuge einer fortschreitenden Teildigitalisierung die Finanzierungsherausforderungen weiter verschärfen werden. Die Online-Reichweite trägt bislang in der Regel nur unzureichend zur Gesamtfinanzierung der Presse bei. Deshalb findet vielfach eine Quersubventionierung statt, die mit der weiteren Verlagerung der Leseranteile hin zur digitalen Presse auf Dauer nicht gut gehen muss.

Es gilt daher: Wer für die gerade angebrochene Epoche der technologieneutralen Presse eine Zeitschriftenvielfalt und -qualität erhalten will, wie sie für freie und demokratische Gesellschaften unverzichtbar ist, wird zu Recht von Verlegern und Journalisten alle möglichen Anstrengungen verlangen. Er wird darüber hinaus aber auch nicht umhinkommen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so weit als möglich zu verbessern.

II. Die Schaffung eines technologieübergreifenden Rechtsrahmens, der eine freie Presse im gesellschaftlichen Raum ermöglicht, ist anspruchsvoll. Wie viele Gesetze an den darüber entscheidenden Stellschrauben drehen, wurde bislang nicht gezählt.

Wenigstens 15 nationale und europäische Gesetze sind für die folgenden 8 medienpolitischen Baustellen von Relevanz, die aus einem größeren Kreis ausgewählt sind. Auch deshalb, weil vier der Fragen von den Bundesländern entschieden werden.

1. Baustelle: Ländersache ist die Schaffung oder Versagung technologieneutraler Pressefreiheit. Die technologieneutrale Regulierung von TV und Radio ist weithin Konsens.

Nötig ist nun die konsequente Sicherung der Pressefreiheit online wie offline. Die Presse darf online nicht stärker als offline beschränkt werden. Das gilt für den Hybridvertrieb, also für Artikel, die gedruckt und digital verbreitet werden, ebenso wie für die reine Online-Presse, die schon heute oder erst morgen kein gedrucktes Pendant mehr kennt.

Diese Freiheit muss in allen einschlägigen Gesetzen konsequent umgesetzt werden. Dazu zählt auch der Staatsvertrag über Rundfunk und Telemedien, denn die digitale Presse ist in der Systematisierung des deutschen Gesetzgebers ein Unterfall der Telemedien. Und der Jugendmedienschutzstaatsvertrag, der mit dem Jugendschutz für die Telemedien die digitale Presse betrifft.

Zur Illustration ein Beispiel, das uns auch nach dem Scheitern der letzten Novelle des Jugendmedienschutzstaats­vertrages weiter bewegt. Es gibt ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen der Pressefreiheit, deren Maßstab naturgemäß vielfach der erwachsene Leser ist, und dem Jugendmedienschutz, der auf den Entwicklungsstand von Kindern und Jugendlichen abstellt. Der Konflikt wird rechtstechnisch dadurch abgefedert, dass Zeitschriften im Bereich einfacher Jugendgefährdung solange frei verbreitet werden können, bis eine staatliche Stelle, die Bundesprüfstelle, im Einzelfall die Jugendgefährdung eines konkreten Artikels feststellt.

Anders online: Derselbe Artikel, der auf Papier bis zu einer Entscheidung der Bundesprüfstelle frei verbreitet werden darf, steht unter der latenten Drohung, im Falle der kaum vorhersehbaren und ungewissen Einschätzung als entwicklungs­beeinträchtigend mit einem Bußgeld von bis zu 500.000,- EUR belegt zu werden.

Nach langen Diskussionen erklärten sich die Länder in Zuge der letzten Novellierungsdiskussion bereit, digital verbreitete Presseartikel wenigstens dann wie in der gedruckten Form zu schützen, wenn es sich um „Inhalte periodischer Druckerzeugnisse“ handelt. Dabei hat die bayerische Staatskanzlei die Verleger unterstützt, was wir anerkennen. Die Geltung der Pressefreiheit online nur für solche Artikel, die auch gedruckt erscheinen, genügt jedoch nicht. Ist etwa die rein digitale Zeitschrift, ein zunehmender Anteil der technologieneutralen Presse weniger schutzwürdig? Und soll die Pressefreiheit der heute gedruckt wie digital verbreiteten Zeitschriften enden, wenn die gedruckte Variante eingestellt wird?

2. Baustelle: Ländersache ist der Glücksspielstaatsvertrag und die dort anstehende Frage einer Liberalisierung der Veranstaltung und Bewerbung von Sportwetten.

Werbefreiheit ist unverzichtbar für die Pressefinanzierung. Jede weitere Einschränkung der Werbung, sei es durch Verbote oder Zwangsinformationen, wäre ein Angriff auf die Vielfalt und Qualität der Presse. Deshalb ist es Grundlage jeder vernünftigen Medienpolitik, die Werbefreiheit auf allen politischen Ebenen entschieden zu verteidigen.

Mit dem Glücksspielstaatsvertrag gibt es nun sogar eine Liberalisierungschance. Wir begrüßen, dass Bayern sich der Fortschreibung des Staatsmonopols bei den Sportwetten widersetzt hat. Wir sind aber nicht sicher, dass die nun vorgeschlagene Liberalisierung weit genug geht, um einen funktionsfähigen und damit in Europa überlebensfähigen Sportwettenmarkt in Deutschland zu etablieren.

Voraussetzung für einen funktionierenden Markt ist in jedem Fall eine angemessene Werbefreiheit.

Insbesondere die Kanalisierungsfunktion, d. h., die Lenkung der Wettnachfrage weg von illegalen Online-Angeboten hin zu legalen Veranstaltern ist ohne Werbefreiheit unmöglich. Und natürlich muss bei einem Markt, der tatsächlich online stattfindet, auch die Werbung im Internet erlaubt werden. Wir halten es in diesem Zusammenhang für sehr wichtig, die Legalisierung der Internetwerbung bereits im Staatsvertrag zu entscheiden und nicht auf spätere Länderrichtlinien zu verlagern.

3. Baustelle: Digitale Presseverteilplattformen. Google und Apple sind Beispiele für unterschiedliche Schwierigkeiten, einen zugangsoffenen und transparenten Pressevertrieb im digitalen Umfeld sicherzustellen.

Es handelt sich zunächst vor allem um eine Frage des Kartellrechts. Der VDZ unterstützt die Untersuchungen der Generaldirektion Wettbewerb in Sachen Google. Aber wenn es letztlich beispielsweise bei nicht nachvollziehbaren Bevorzugungen bestimmter Inhalteanbieter oder bei intransparenten Zugangsbeschränkungen auf marktbeherrschenden Verteilplattformen bleibt, ist auch die Medienpolitik gefordert. Denn marktbeherrschende Medienverteilplattformen bedeuten Risiken nicht nur für die ökonomischen Märkte, sondern auch für den freien Meinungsmarkt, die Meinungsvielfalt. Insoweit kann die Regulierung digitaler Medienplattformen zur Aufgabe der Medienpolitik werden.

4. Baustelle: Das Urheberrecht. Das aktuelle Hauptanliegen der Presseverleger im Urheberrecht ist die überfällige Schaffung eines Leistungsschutzrechts. Es genügt im digitalen Zeitalter nicht mehr, die Verlage nur auf die verstreuten und unterschiedlich abgeleiteten Rechte der Urheber zu verweisen.

Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist heute unverzichtbar, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern wirksam schützen zu können. Das Leistungsschutzrecht schafft keine Gebühr und keinen Zwang. Es schützt die Entscheidungsfreiheit des Verlegers über die Vermarktung des Presseerzeugnisses, ohne die eine freie Presse unmöglich ist und die online anders nicht gesichert werden kann.

Der bayerische Ministerpräsident hat sich auf den Münchener Medientagen für das Leistungsschutzrecht ausgesprochen und die Koalition gemahnt, diese Initiative voranzutreiben. Wir rechnen auf Bayern, wenn es in den kommenden Monaten darum gehen wird, den hoffentlich in Berlin bald vorliegenden Entwurf mit einem guten Inhalt Gesetz werden zu lassen.

5. Baustelle: Der Vertrieb von Zeitschriftenabonnements im Wege des Direktmarketing. Lesen muss verkauft werden können. Direktmarketing für Zeitschriftenabonnements ist unverzichtbar für den Erhalt der Lesekultur und Leserschaft. Zeitschriftenabonnements sind erklärungsbedürftige Produkte ohne Ladenlokal. Deshalb sind die Verlage darauf angewiesen, die natürliche Fluktuation von bis zu 30% der Abonnenten pro Jahr durch Direktmarketing über alle relevanten Kommunikationswege auszugleichen. Das sind Brief, Internet und Telefon. Jede weitere Verschlechterung des ohnehin schon stark belasteten Rechtsrahmens (Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Verbraucherrecht) ist unangemessen und abzulehnen. 

Das gilt insbesondere für den Vorschlag, telefonisch geschlossene Verträge bis zu einer schriftlichen Bestätigung durch den Verbraucher für unwirksam zu erklären. Derartige Vorschläge wurden bereits in der letzten Legislaturperiode von den Rechtspolitikern zu Recht verworfen. Auch der Evaluierungsbericht des Bundesjustizministeriums stützt solche Überregulierung nicht. Sie würde die Hauptprobleme illegaler und krimineller Telefonaktivitäten nicht erreichen, gleichwohl aber seriöse Unternehmen empfindlich treffen. Wir sind enttäuscht, wenn es so aussieht, als ob Bayern gemeinsam mit anderen Ländern über den Bundesrat solche Vorschläge in den Bundestag tragen will.

Abzulehnen ist aber auch die sogenannte Button-Lösung, nach der es bei Abonnements im Internet nicht mehr genügen würde, vor der Bestellung alle wesentlichen Vertragsbestandteile inklusive Preis etc. deutlich anzugeben. Stattdessen würde eine weitere Bestätigungshürde nötig, die in seriösen Angeboten unverständlich und überflüssig ist. Eine solche Hürde würde nach dem Urteil von Vertriebsexperten die Abbruchquote um bis zu 20% steigern. Auch diese Restriktion würde rechtstreu agierende Unternehmen über Gebühr belasten, die illegal und vielfach kriminell handelnden Akteure hingegen nicht erreichen.

6. Baustelle: Öffentlich-rechtliche digitale Presse?

Vorab: Verleger und gebührenfinanzierter Rundfunk können sich bei gemeinsamen Interessen gegenseitig unterstützen. Das geschieht seit Jahren etwa bei den Bemühungen um einen angemessenen Schutz journalistischer Quellen. Da schlossen und schließen unsere Anstrengungen immer auch die Redaktionen von ARD und ZDF ein. So spricht auch nichts dagegen, gemeinsam bspw. Gefahren für die Medienfreiheit  durch internationale Technologiekonzerne entgegenzutreten. Das kann aber nicht von der Bedingung abhängen, dass die Verleger der Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin zu öffentlich-rechtlicher Presse zustimmen.

Bayern hat sich immer gegen eine Legalisierung öffentlich-rechtlicher digitaler Presse ausgesprochen. Nun sieht es aber so aus, als ob ARD und ZDF die im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Beschränkung presseähnlicher Angebote in einen Freibrief zu digitaler (Gratis-)Presse uminterpretieren wollen.

Die Verleger wollen nicht streiten. Wir würden uns freuen, wenn sich ARD und ZDF doch noch zu einer freiwilligen Zurückhaltung beim Angebot digitaler Presse durchringen könnten. Wenn sich aber die gegenteiligen Anzeichen weiter verdichten, werden die Verleger auch diesen Streit politisch wie rechtlich aufnehmen müssen.

Das Problem der staatlich zwangsfinanzierten Wettbewerbsverzerrung dürfte sich sogar noch verschärfen. Denn Vertriebserlöse für digitale Presse-Abos sind dringend erforderlich, bislang aber vielfach nur sehr viel schwerer und in geringerem Umfang zu erzielen sind als für die klassische Presse. Wie sollen in dieser Situation kostenpflichtige digitale Presse-Abos am E-Kiosk in unmittelbarer Konkurrenz zu staatlich zwangsfinanzierten Apps bestehen, die jeder Leser am Kiosk ohne weitere Zahlung erhält?

7. Baustelle: Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die periodische Presse ist gerade heute ohne Alternative. Er darf nicht angetastet werden, auch nicht für Zeitschriften mit Zugaben, die insbesondere bei Kinderzeitschriften vielfach zum Lesen führen.

Wir halten sodann die Erstreckung der reduzierten Mehrwersteuer auf die digitale Presse für eine unverzichtbare Anpassung des Rechtsrahmens an die veränderten Realitäten.

Das ist keine neue Unterstützung. Es ist lediglich der Erhalt der reduzierten Mehrwertsteuer für denjenigen Teil der Presse, der nicht mehr gedruckt, sondern digital vertrieben wird.

Schließlich ist angesichts der fortdauernden Herausforderungen an die staatsunabhängige Finanzierung einer vielfältigen Presse eine weitere Absenkung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes wünschenswert, wenn möglich, bis auf Null. Die reduzierte MwSt. ist – anders als direkte Subventionen – eine wirksame Hilfestellung, die die Pressefreiheit nicht gefährdet. Denn da sie für jeden Verkaufserlös gilt, haben Regierungen oder andere hoheitlich geschaffene Stellen keinen Einfluss darauf, welche Publikation die Hilfe erhält.

8. Baustelle:  Quellenschutz. Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Pressefreiheitsstärkungsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es derzeit im Bundestag pausiert. Es reduziert die Gefahr, dass journalistische Quellen unter dem Vorwand eines Vorwurfs strafbarer Beteiligung des Journalisten aufgedeckt werden. Es genügt jedoch nicht. Denn es wird zwar Abgeordneten und Rechtsanwälten ein praktikabler Schutz der Vertraulichkeit ihrer beruflichen Kommunikation eingeräumt.

Die vertrauliche Kommunikation der Redaktionen kann  jedoch nach wie vor insbesondere im Wege der Überwachung der Telekommunikation auch ohne jeden Vorwurf strafbarer Beteiligung des Journalisten ausgespäht werden. Das gefährdet die für jede freiheitliche Presse unverzichtbaren Quellen in Staat und Gesellschaft und bedarf dringend der Korrektur.

Ich komme zum Schluss.

Die Zeitschriftenpresse ist nur noch technologieneutral verständlich. Das gilt für die Verlage, die auf einer Vielzahl klassischer und digitaler Plattformen unter schwierigen Bedingungen nachhaltig rentable Publikationen erhalten und neu etablieren müssen. Und es gilt für die Medienpolitik: Sie muss für all diese Verbreitungswege Gesetze schaffen, die zweierlei ermöglichen: Eine robuste Pressefreiheit und die Chance einer staatsunabhängigen Finanzierung der Verlage im wirtschaftlichen Wettbewerb auch unter erschwerten Bedingungen.

Wer, wenn nicht der Freistaat, ist als Heimat starker Medienpolitik dazu berufen, noch konsequenter dafür einzutreten, dass der Rechtsrahmen für die technologieneutrale Presse nicht hinter dem Rechtsrahmen für die gedruckte Presse zurückbleibt?

Wir freuen uns als Verleger auf den weiteren Dialog!

Vielen Dank.

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