Publishers’ Summit 2019 – Verlage als wertegebundener Gegenentwurf zu manipulativem Content
„Eine freie Presse, die keiner Zensur unterworfen ist und die von keiner staatlichen Gewalt gelenkt wird, ist für jede freie demokratische Gesellschaft unentbehrlich“, mit diesen Worten eröffnete VDZ-Präsident Dr. Rudolf Thiemann den Publishers‘ Summit 2019. Marktwirtschaftlich finanzierte Presse sei ein essentieller Teil der Pressefreiheit. Ein Beitrag zur Finanzierbarkeit der freien Presse im Netz sei die verabschiedete Urheberrechtsreform, die Unternehmen, die mit fremden Rechten Geld verdienen, in die Pflicht nehmen soll. Diese müsse jetzt in nationales Recht umgesetzt werden. Thiemann bedankte sich bei dem anwesenden Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet für die Standhaftigkeit der CDU bei der Umsetzung der Reform trotz vieler Schmähungen und Drohungen. Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie in Brüssel ohne Not Vorschläge für eine E-Privacy-Verordnung unterstütze, die die Finanzierung von Journalismus im Netz beschädigen und den digitalen Monopol-Plattformen weitere Wettbewerbsvorteile verschaffen würde. Thiemann betonte zudem, dass die Verlage auf jede Form des Direktvertriebes angewiesen seien, auf Telefonmarketing ebenso wie auf ausreichende Laufzeiten. „Unserer Auffassung nach sind diese Themen ausreguliert.“ Jede Verschärfung der heute bereits zu restriktiven Regelungen würde das vielfältige Presseangebot in Deutschland gefährden, ist Thiemann überzeugt.
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet knüpfte in seiner Keynote an das geschichtsträchtige Datum des 4. Novembers an: „Damals, genauso wie nach dem zweiten Weltkrieg auch, begann der demokratische Wiederaufbau mit der Freien Presse. Die Freie Presse ist der Stabilitätsgarant für eine freie Gesellschaft.“ Print habe aus seiner Sicht Zukunft und Qualität ihren Preis. „Wir begrüßen, dass die EU die Grundlage für den reduzierten Mehrwertsteuersatz geschaffen hat. Wir unterstützen die zweijährige Abolaufzeit.“ Das Internet würde als Vertriebsweg immer wichtiger. Es sei an der Zeit, ein großes Projekt im Bereich der künstlichen Intelligenz anzustoßen. „Qualitätsjournalismus brauchen wir, wenn Menschen sich über soziale Medien eine eigene Parallelgesellschaft erschaffen. Wir müssen technologisch auf der Höhe sein, um mitzuhalten mit dem, was sich in der Welt tut.“
Auf dem Panel „Journalismus im Stresstest“, diskutierten Jan Fleischhauer, FOCUS, Sven Gösmann, dpa, Marion Horn, BILD am SONNTAG, Jörg Quoos, FUNKE Zentralredaktion und der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Christian Rieck, Frankfurt University of Applied Sciences über die Nähe zum Leser und dem Kampf um seine Aufmerksamkeit. Zu Beginn fragte Moderatorin Carola Ferstl, n-tv, wie es um den Dialog mit den Leser stünde. Die Aufmerksamkeitsspanne sei bei den Lesern geringer geworden, meinte Marion Horn. Junge Leute informieren sich zwar, aber sie wollen dies bevorzugt von Ihresgleichen hören. Jan Fleischhauer warf die These auf, es würde zu viel Peer Group Journalismus betrieben, das Leserinteresse würde zu wenig hinterfragt. Medien widmeten sich alle dem gleichen Thema, „niemand fällt etwas anderes ein“. Das schaffe ein Klima, in dem Menschen sich nicht mehr trauen würden, ihre Meinung zu sagen. Sven Gösmann wies darauf hin, dass er eine stärkere Entfremdung von Teilen der Leserschaft bemerke, was sicherlich damit zu tun hätte, „dass wir viele Themen verpasst haben, die den Leser interessieren.“ Journalismus sei allzu oft ein Großstadt-Journalismus. „Für den Dialog mit dem Leser suchen wir neue Antworten. Der Dialog muss zurück in den Journalismus.“ Einfacher wäre es für Regionalzeitungen, so Jörg Quoos. Sie seien viel näher an den Menschen dran. „Das müssen wir mehr nutzen. Wir müssen mehr in die Zielgruppen reingehen.“ Christian Rieck wies darauf hin, dass Journalismus mehr zur Life-Performance werden müsse. Kleine Fachzeitschriften seien hier erfolgreich, weil sie quasi richtige Fanclubs hätten.
Philipp Welte, Vorstand Hubert Burda Media und Vizepräsident des VDZ, betonte in seinem Impulsvortrag „Freie Presse – Kraftzentrum der Demokratie“, dass die Freiheit der Presse und die Rolle der Medien in der Gesellschaft kein Naturgesetz seien. „Wir müssen der Politik klarmachen, dass das Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaft auf dem Spiel steht.“ In Bezug auf die Internetgiganten wie Google & Co. hob er hervor: „Wir Verlage sind der wertegebundene Gegenentwurf zu der nicht enden wollenden Flut an manipulativem Content, mit der die Menschen heute in den sozialen Netzen konfrontiert sind. Und wir müssen mehr denn je ein stabilisierender Faktor in unserer Demokratie sein.“ Wer sich die medien- und ordnungspolitische Realität in Deutschland und Europa anschaue, könne daran zweifeln, ob die Politik wirklich erkenne, wie glücklich sich unser Land schätzen kann eine so einzigartig reichhaltige, freie und marktwirtschaftlich geprägte Verlagslandschaft zu haben. Diese weltweit einzigartige Vielfalt der journalistischen Medien gehöre zum Wertvollsten, was unsere demokratische Gesellschaft besäße. Presse könne nur wirklich frei von Einflüssen sein, wenn sie sich marktwirtschaftlich finanzieren könne. Welte appellierte daher an die Politik: „Wir brauchen jetzt endlich ein Regelwerk, das auf nationaler wie auf europäischer Ebene fairen Wettbewerb garantiert und es uns möglich macht, Journalismus marktwirtschaftlich zu finanzieren.“
Annalena Baerbock, Bündnis90/Die Grünen, betonte in ihrer Keynote, dass Pressefreiheit Grundlage jeglicher Freiheit und Gradmesser von Demokratien sei. Journalistinnen und Journalisten müssen ihren Beruf frei ausüben, denn „wir Politiker sind darauf angewiesen. Für unsere parlamentarischen Entscheidungen ist es essentiell, dass wir uns weltweit für die Pressefreiheit einsetzen, um politische Situationen in anderen Ländern einschätzen zu können.“ Das gefährlichste, was einer Demokratie passieren könne, sei, Freiheitsrechte der Zivilgesellschaft einzuschränken. Auch in kritischen Zeiten dürfe Sicherheit nicht gegen Freiheit ausgespielt werden.
„Wir brauchen einen aufgeklärten Journalismus, der immer wieder deutlich macht, was Fake News sind.“ Der Vorwurf, es gäbe eine Lügenpresse, fordere alle heraus – Politik und Medien. Wenn wir „Waffengleichheit“ mit den großen Plattformen wollen, müssen wir in die Regulierung gehen.