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Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim Publishers' Summit des VDZ am 2. November 2015

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Sehr geehrter Herr Professor Burda,
sehr geehrter Herr Scherzer,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten,
meine Damen und Herren,

ja, vor 20 Jahren war all das für manche noch nicht so absehbar. Aber Sie haben, Herr Burda – das darf ich sagen –, von Anfang an auf die revolutionäre Veränderung hingewiesen und immer wieder gesagt: Die Digitalisierung wird unsere Welt so verändern, wie Gutenberg das mit seinem Buchdruck gemacht hat. In der heutigen Bundesregierung ist das auch angekommen. Unsere Digitale Agenda spricht dafür. Aber zuerst möchte ich mich für die Einladung bedanken.

Verlagsunternehmen sind natürlich darauf angewiesen, dass die wirtschaftlichen Kriterien stimmen. Wirtschaftlicher Erfolg ist notwendig. Aber es geht auch um etwas, das eigentlich jeden Bürger angeht. Sie haben gesagt, 95 bis 97 Prozent der Menschen in Deutschland haben Kontakt mit Zeitschriften. Deshalb ist die Frage der verlegerischen Vielfalt und der Unabhängigkeit des Journalismus eine zentrale. Sie sind diejenigen, die Informationen für jedermann und jede Frau gewährleisten. Sie weiten den Horizont. Sie helfen Menschen, mündige Bürger zu sein. Die wesentliche Voraussetzung dafür ist die Pressefreiheit. Deshalb gehören Demokratie und freie Medien unabdingbar zusammen. Freie Medien sind ohne eine funktionierende demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung, die dazu den Rahmen bietet, undenkbar. Deshalb freue ich mich, dass auf Ihrer diesjährigen Tagung dem Grundrecht der Pressefreiheit und damit auch der Meinungsfreiheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wir haben in Deutschland Zeiten ohne freie Presse erlebt. Sie tagen hier in einem Gebäude, das vor dem Fall der Mauer auf der Seite Ostberlins stand. Ich weiß noch sehr gut, wie Zeitungen mehr oder weniger zum Sprachrohr einer Partei verkommen sind. Man hat aber auch gelernt, manches zwischen den Zeilen zu lesen. Dies ist bei den heutigen Zeitschriften nicht mehr so notwendig. Da bekommt man meist schon in der Überschrift fettgedruckt mitgeteilt, was man verstehen soll. Aber auch da lohnt es sich manchmal, zwischen den Zeilen zu lesen, doch das ist nicht mehr ganz so überlebenswichtig.

Die Bundesrepublik Deutschland konnte sich glücklich schätzen, dass die nationalsozialistische Propaganda den Müttern und Vätern des Grundgesetzes eine überdeutliche Lehre war, den Missbrauch der Presse durch verfassungsrechtliche Absicherung der Medienfreiheiten zu verhindern. Und auch im wiedervereinten Deutschland haben wir jetzt 25 Jahre unabhängigen Journalismus und mediale Vielfalt. Ich glaube, wir können diesen Wert gar nicht hoch genug schätzen. Denn wenn wir in die Welt schauen, stellen wir fest, dass Pressefreiheit trotz Digitalisierung alles andere als selbstverständlich ist.

Sie werden heute Daniel Barenboim ehren und ihm die Goldene Victoria für sein Lebenswerk verleihen. – Ich freue mich auch, dass der Botschafter des Staates Israel hier ist. – Barenboim hat kürzlich in einem Presseartikel geschrieben: „Freiheit ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht aller Menschen.“ Das gilt natürlich auch für die Pressefreiheit. Sie fehlt aber in vielen Staaten bzw. steht in vielen Staaten nur auf dem Papier, sodass von unabhängigem Journalismus keine Rede sein kann. Das fängt damit an, dass Recherchen nur unter staatlicher Beobachtung möglich sind oder Interviewpartner und Informationsquellen Einschüchterungen ausgesetzt sind. Im Extremfall werden Journalisten verfolgt, eingesperrt und sogar getötet. Deshalb möchte ich an diesem Tag einfach auch allen danke sagen, die zum Inhalt Ihrer Zeitschriften beitragen und sich oft auch sehr schwierigen Situationen aussetzen, wie wir sie heute in unserem Land glücklicherweise nicht haben.

Die Erfahrung zum Beispiel in der DDR oder auch in den Staaten hinter dem Eisernen Vorhang insgesamt war: Auf Dauer lässt sich das freie Wort nicht unterdrücken. Das ist nie vollends gelungen und gelingt heute angesichts der digitalen Möglichkeiten noch viel weniger. Deshalb freue ich mich, dass der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger in diesem Jahr ein besonderes Zeichen für die freie Berichterstattung setzt, indem erstmals auch eine Goldene Victoria für Pressefreiheit verliehen wird. Die Auszeichnung geht an zwei Journalistinnen und einen Journalisten, die trotz allen Drucks und aller Drohungen immer an ihren Themen dranbleiben. Ihre persönlichen Geschichten, ihre Arbeiten mögen verschieden sein, aber aus ihnen spricht eine Botschaft des Mutes und der Hoffnung: Pressefreiheit bahnt sich immer wieder einen Weg; es finden sich immer wieder mutige Menschen, die sich nicht einschüchtern lassen.

Deshalb will ich nochmals betonen: Pressefreiheit und Medienvielfalt sind ein Wert an sich. Das ist auch kein Widerspruch zu dem, was ich am Anfang sagte, dass nämlich Pressearbeit bzw. journalistische Arbeit auch wirtschaftlich erfolgreich sein muss. Dazu gehören wiederum vernünftige Rahmenbedingungen, damit sich neben großen Verlagen auch kleine behaupten können. Es sind ja auch viele kleinere Verlage, die zur Medienvielfalt beitragen und die Medienlandschaft bereichern.

Ich weiß, dass das Anzeigengeschäft nach wie vor eine große Rolle spielt. Werbung ist eine zentrale Quelle für Einnahmen. Das ist nicht nur für Zeitschriftenverlage so. Es gibt auch einen Wettbewerb zwischen ihnen, Fernsehsendern und Anbietern im Internet. Ich vermute, dass sich dieser Wettbewerb weiter verschärfen wird. Deshalb sind Kooperationen bei der Anzeigenwerbung und deren kartellrechtliche Erleichterung wichtige Themen für die Presseverlage. Wir prüfen als Bundesregierung derzeit, wie wir eine entsprechende Regelung am besten umsetzen können. Wir stoßen dabei aber auch auf europarechtliche Beschränkungen.

An dieser Stelle will ich zum Wettbewerbsrecht in Europa insgesamt sagen: Sie haben recht; die Fragen der Reichweite des Bereichs sind wirklich notwendig. Wir haben es jetzt erreicht, dass sie überprüft werden. Wir haben nach langen Debatten in vielerlei Kontexten erreicht, dass die Europäische Kommission eine Studie darüber macht. Die Studie bietet dann vielleicht die Möglichkeit, entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir machen jedenfalls an dieser Stelle schon seit längerem Druck – und das nicht nur im Hinblick auf Presseverlage, sondern auch auf das Wettbewerbsrecht in Europa insgesamt und im Hinblick auf die Globalisierung. Wir haben auch bei Telekommunikationsunternehmen erhebliche Komplikationen, wie man feststellen kann, wenn man sich die Wettbewerbssituation anderswo anschaut. Die Vielfalt in Europa muss nicht immer ein Wert an sich sein, wenn man sich im globalen Wettbewerb durchsetzen will. Da ist aus unserer Sicht noch einiges zu tun. Und wir versuchen, das in Brüssel deutlich zu machen.

Europarechtliche Beschränkungen – damit bin ich auch schon beim Thema Datenschutz. Hierbei gilt es eine grundlegende Abwägung vorzunehmen. Sie brauchen hinreichend Freiheiten, um neue Daten, um neue Möglichkeiten des Datenmanagements, des Big Data Minings oder auch die Cloud für Ihre Geschäftsmodelle zu nutzen. Ich glaube, das ist eine bis jetzt, jedenfalls in Deutschland, noch nicht richtig erkannte Form der Wertschöpfung. Daten sind Rohstoffe des 21. Jahrhunderts. Die Art der Verknüpfung und der Entstehung von neuen Produkten wird unsere Welt erheblich verändern. Wir haben auf der einen Seite Produkte, die aus anonymisierten Daten gewonnen werden können. Das funktioniert in Europa einigermaßen. Doch auf der anderen Seite, wenn es um individualisierte Daten geht, wird es recht schwierig. Aber die Menschen werden in Zukunft auch individualisierte Produkte, gleichzeitig aber natürlich auch einen Schutz ihrer Privatsphäre haben wollen. Und das wird uns noch vor viele Abwägungen stellen.

Balance von Sicherheit und Freiheit im Netz – dabei stellt sich die Frage eines einheitlichen europäischen Datenschutzrechts. Wir kennen diese Frage aus der Debatte über die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die die Innen- und Justizminister verabschiedet haben. Ich glaube, dass diese Datenschutz-Grundverordnung, so wie sie sich nach Kommissions- und Ratsberatung darstellt, relativ ausgewogen ist. Wir haben jetzt aber einen Trilog mit dem Europäischen Parlament, bei dem wir aufpassen müssen, dass der Datenschutz nicht die Oberhand über die wirtschaftliche Verarbeitung der Daten gewinnt. Alles, womit Sie uns dabei unterstützen können, nehmen wir gern auf. Wir brauchen einen Kompromiss. Die Entscheidung ist jetzt sozusagen in der heißen Phase, hat aber den Vorteil – Stichwort Grundverordnung –, dass wir dann unmittelbar geltendes Recht für ganz Europa haben. Das heißt, wir haben keine schwierige Umsetzungsphase von Richtlinien in nationales Recht, sondern einen einheitlichen Geltungszeitpunkt.

Auf dem Weg zu einem modernen Rechtsrahmen gibt es die verschiedensten Anliegen. Sie haben berechtigte Geschäftsinteressen, aber es geht immer auch um Kompromisse. Da ist zum Beispiel das Thema Direktmarketing. Die Regeln im Direktmarketing sahen im ursprünglichen Kommissionsentwurf noch deutlich anders aus. Die Presseverleger haben sich sehr für Verbesserungen eingesetzt. Wir glauben, dass auch einige erreicht wurden.

Ähnliches gilt für die Verkehrsdatenspeicherung. Da sind Sie allerdings nicht so sehr daran interessiert, dass möglichst viele Verkehrsdaten gespeichert werden. Das wird insbesondere von Journalisten argwöhnisch betrachtet. Das verstehe ich auch. Aber ich will noch einmal darauf hinweisen, dass das vom Bundestag im Oktober verabschiedete Gesetz aus Sicht der Bundesregierung extrem enge Grenzen für die Speicherung von Daten steckt. Das Recht auf unbeobachtete Kommunikation ist und bleibt erhalten. Die jeweiligen Telekommunikationsunternehmen erfassen die Daten. Und wenn jemand an sie herankommen möchte – also Strafverfolgungsbehörden –, wird jeweils ein richterlicher Beschluss benötigt, in dessen Rahmen der besondere Schutz bestimmter Berufsgruppen – darunter auch der Schutz der Journalisten – zu berücksichtigen ist. Im Übrigen sind die Speicherungsfristen sehr kurz. Ich glaube, das ist vertretbar. Der Richtervorbehalt macht nochmals deutlich, dass in dem sensiblen Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit die Balance gewahrt wird und die berechtigten Interessen unabhängiger Medien angemessen berücksichtigt werden.

Digitale Technologien verändern die Kommunikation extrem. Wir müssen als funktionsfähiger Staat natürlich darauf reagieren. Deshalb müssen wir faire Wettbewerbschancen für alle Medienanbieter bieten. Es ist in einem Land, in dem sowohl Bund als auch Länder entscheiden, und wenn dann noch eine europäische Entscheidungsebene besteht, natürlich nicht ganz einfach, alles auf neue Füße zu stellen. Aber ich glaube, es ist richtig, dass Bund und Länder die Kommission zur Medienkonvergenz eingerichtet haben. Ihr Verband bringt da seine Stellungnahmen aktiv ein. Wir wollen mit dieser Kommission erreichen, dass der Weg für eine zeitgemäße Änderung der Medienordnung bereitet wird. Wie schon angedeutet: Die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sind unterschiedlich. Das interessiert Sie nicht; Sie wollen einen ordentlichen Rahmen haben. Aber uns als Bundesregierung muss das natürlich interessieren. Deshalb ist diese Bund-Länder-Kommission auch die richtige Stelle und das richtige Format, um das zu erreichen.

Fragen gibt es ausreichend: Wie passen Medienaufsicht und Kartellrecht zusammen? Wie wird mit Plattformen und Intermediären umgegangen? Wie stellen wir uns die Überarbeitung der EU-Richtlinie zu audiovisuellen Mediendiensten vor? Das deutet schon an: Die Konvergenz der Medien und das sich ändernde Nutzungsverhalten stellen auch das Verhältnis zwischen Rundfunk und Presseanbietern neu auf den Prüfstand. Dabei habe ich noch gar nicht davon gesprochen, dass wir öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk haben, die ja wiederum mit unterschiedlichen Interessen an die Sache herangehen.

Alle haben auf den digitalen Wandel reagiert. Sie als Presseverleger haben genauso wie die Rundfunkanstalten Online-Angebote entwickelt. Sie stellen Anwendungen für die mobile Nutzung bereit. Es war ganz interessant, was heute über Videos in Zeitschriftenangeboten zu erfahren war. Man ist ja schon fast richtig enttäuscht, wenn man Online-Angebote von Zeitschriften hat, aber nicht dauernd auch ein kleines Filmchen sehen kann. Man merkt ja an sich selbst, wie sich die mediale Kommunikation verändert. Die neuen Geschäftsfelder sind natürlich längst etabliert. Wir haben heute die Wahl, Zeitungen oder Zeitschriften auf dem Tablet zu lesen, in der gedruckten Ausgabe oder manchmal in beiden Varianten.

Damit komme ich zu den Mehrwertsteuersätzen. Es ist relativ schwer verständlich, warum für Bücher oder Zeitschriften als Printausgaben der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, für E-Books und E-Paper der volle Mehrwertsteuersatz gilt. Der Gedanke der umsatzsteuerlichen Begünstigung von gedruckten Presseerzeugnissen ist natürlich der, Kulturgüter zu schützen und auf diese Weise die Zugangsschwelle für Nutzer so niedrig wie möglich zu halten. Aber ich glaube, es kann nicht das entscheidende Kriterium sein, ob ein Text oder ein Bild auf Papier gedruckt ist oder ob es elektronisch zu sehen ist, sondern entscheidend muss der Qualitätsstandard der Inhalte sein. Deshalb glauben wir, dass sowohl auf elektronische als auch auf herkömmliche Presseerzeugnisse der ermäßigte Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist. Dazu müssen wir das europäische Steuerrecht ändern, was in Europa immer sehr schwierig ist, weil Steuerrecht nur einstimmig geändert werden kann. Aber wir werben für eine einheitliche Besteuerung. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist bereit, diesen Weg einzuschlagen, und hat einen entsprechenden Richtlinienvorschlag angekündigt. Wir sind nicht allein, sondern eine ganze Reihe an Mitgliedstaaten ist auch unserer Meinung. Aber wir müssen noch große Überzeugungsarbeit leisten. Und ich bitte Sie hier einfach, dabei mitzumachen.

Nun geht es nicht nur um finanzielle Faktoren, sondern auch um die Verbreitung und damit die Auffindbarkeit von Inhalten. Die Aufmerksamkeit des Internetnutzers ist für bestimmte Medien fast eine Überlebensfrage. Da nun das Verhalten der Nutzer auch sehr an die großen Suchmaschinen gebunden ist, stellt sich natürlich die Frage: Wie wird dort die Auffindbarkeit der Medien sichergestellt? Von der Position unter den Treffern, die die Suchmaschine erbringt, hängt extrem viel ab. Es muss verhindert werden, dass marktstarke Suchmaschinenanbieter ihre dominierende Stellung ausnutzen, indem sie eigene Inhalte besser platzieren als die der anderen. Deshalb bin ich der EU-Kommission dankbar dafür, dass unabhängig geprüft wird, wie die Praktiken im Kartellverfahren konsequenter als bisher berücksichtigt werden können. Das ist auch ein sehr emotionalisiertes Terrain, aber ich glaube, die Kommission macht das mit großer Ruhe und Sachlichkeit. Und das halte ich auch für richtig.

Damit bin ich nicht mehr weit entfernt vom Urheberrecht. Da wünschen Sie sich natürlich eine größere Dynamik, wenn es darum geht, das Urheberrecht an die digitale Entwicklung anzupassen. Sie, Herr Burda, haben gesagt, mit Kommissar Oettinger haben wir für all die Bereiche, die ich genannt habe, einen sehr kundigen und engagierten Ansprechpartner. Jean-Claude Juncker liebt es nicht, wenn ich von „unserem deutschen Kommissar“ spreche, sondern er möchte, dass sich alle Kommissare für alle verantwortlich fühlen und nicht nur für ein Land. Aber: Günther Oettinger macht das prima.

Beim Urheberrecht zeichnen sich im Augenblick nur kleinere Schritte ab, aber es gibt eine Einigkeit darüber, dass die Richtlinie zum Urheberrecht auf den Prüfstand gehört. Es laufen drei wichtige Konsultationsprozesse: zur Satelliten- und Kabelrichtlinie, zum Geoblocking und zur Arbeit von Online-Plattformen. Diese drei Prozesse sollen dazu dienen, den Weg für gesetzgeberische Schritte hin zum geplanten digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union zu ebnen. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Zeit drängt. Die Kommission hat ihre Arbeitsplanung jetzt auch ambitionierter gestaltet.

Das Jahr 2016 wird ein entscheidendes sein. Wir haben auch sehr gut, wie ich glaube, die Kommission und den European Round Table, also wichtige europäische Unternehmen, zusammengebracht. Dazu hat erst kürzlich wieder eine Tagung in Paris stattgefunden. Es war bereits die vierte. Diese Kongresse, an denen auch der Kommissionspräsident teilnimmt, führen wir immer wechselseitig in Paris und Berlin durch. Wir brauchen eine bessere Entscheidungsgrundlage für unsere Regulierungsvorhaben. Wir müssen eben ein einheitliches Rechtsverständnis in Europa bekommen, sonst werden wir die Vorteile des digitalen Binnenmarkts nicht ausreichend nutzen können oder im globalen Markt sogar untergehen.

Die Harmonisierung des Urheberrechts wird aber Zeit brauchen – das wissen Sie selbst –, weil die Interessen sehr, sehr unterschiedlich sind. Es wird nicht mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt, sondern alle Mitgliedstaaten müssen gleichermaßen zustimmen. Deshalb ist unser Ansatz als Bundesregierung richtig, die Urheberrechtsfrage zu einer wissenschaftlichen Frage zu machen und wissenschaftlich fundierte Wege aufzuzeigen, um möglichst viel Sachlichkeit in die gesamte Debatte hineinzubringen.

Auf nationaler Ebene haben wir zwei Reformprojekte beim Urheberrecht. Auch unsere nationale Debatte ist alles andere als einfach, wenn ich das einmal vorsichtig sagen darf. Es liegt erstens ein Vorschlag zur Reform des Rechts der Verwertungsgesellschaften vor. Ich gehe davon aus, dass wir darüber bald im Kabinett entscheiden werden. Wir wollen natürlich, dass mit der Umsetzung der betreffenden EU-Richtlinie die deutschen Verwertungsgesellschaften auch weiterhin ihrem Kultur- und Sozialauftrag gerecht werden können.

Das zweite Projekt betrifft das Urhebervertragsrecht. Auch da gibt es einen ersten Entwurf. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung läuft. Mit den Ländern und Verbänden sind wir auch im Gespräch. Hierbei geht es darum, die Position der Urheber zu verbessern. Professionelle kreative Leistungen sollen angemessen vergütet werden. – Dazu gibt es auch die Allianz für die Inhalte, die Content Allianz. – Das haben wir schon einmal bei der Reform des Urhebervertragsrechts von 2002 versucht. Aber das Rad hat sich weitergedreht. Die digitalen Technologien haben viele neue Wege eröffnet, auf denen Inhalte zum Nutzer kommen, weshalb wir eine neue Reform brauchen.

Nun stellt sich die Frage: Wie soll vor diesem Hintergrund die Vergütung zum Beispiel für ein und denselben Artikel gestaltet werden? Einheitlich oder gesondert je nach Print-Ausgabe und Online-Ausgabe? Nun wäre es schön, Sie würden alle das Gleiche sagen, soweit Sie im journalistischen Bereich tätig sind. Aber da scheiden sich die Geister; es gibt Gesprächsbedarf. Aber ich bitte Sie: Wir dürfen das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren. Qualität und Vielfalt in unserer Kultur- und Medienlandschaft sollten uns leiten.

An dieser Stelle will ich zum Level Playing Field mit den Vereinigten Staaten von Amerika und auch zur Frage Safe Harbor noch etwas sagen. Politiker haben Gerichtsurteile zwar nicht zu kommentieren. Das Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs wirft dennoch eine Vielzahl von Fragen auf und ist nicht gerade ein unmittelbarer Beitrag zur Vereinheitlichung des Level Playing Field. Wir haben jetzt relativ viel Unsicherheit für viele Unternehmen – also auch außerhalb des Journalismus – dadurch, dass keinerlei Übergangsfristen gesetzt wurden. Die Kommission verhandelt aber mit Hochdruck und will innerhalb von drei Monaten einen Vorschlag unterbreiten.

Aber an dieser Stelle zeigen sich natürlich wieder die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen auf Seiten Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika. In Amerika gibt es die Tendenz: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Bei uns ist die Tendenz eher genau umgekehrt: Was nicht erlaubt ist, ist eher verboten. Hieraus ein gemeinsames Level Playing Field zu machen ist nicht ganz trivial, weil die Urimpulse unterschiedlich sind. Deshalb werden wir für ein Level Playing Field im transatlantischen Bereich sicherlich noch viele, viele Regelungen in Europa brauchen. Aber umso wichtiger ist es, dass wir die notwendigen Freiräume im Verarbeiten von Daten schaffen – siehe Datenschutz-Grundverordnung.

Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Dazu muss ich auch wieder sagen: Diese geht natürlich genau in die Richtung, dass wir ein Level Playing Field zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa erreichen wollen. Gleichzeitig stellt sich in Ihren Kreisen die Frage, was das auch für die Kulturfrage bedeutet.

Das Besondere des geplanten Handelsabkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika ist, dass die Zölle, die klassischen Inhalte von Freihandelsabkommen, eher eine untergeordnete Rolle spielen; sie sind auch nicht der Stein des Anstoßes. Die Diskussion dreht sich vielmehr um sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse, die unter anderem technische Standards berühren. Ich glaube, damit kommen wir noch gut zurande. Ob es nun um orange Leuchten oder gelbe Leuchten am Auto gehen mag – vieles muss doppelt gemacht werden; bezüglich dessen, was sicherer ist, kann man zumindest gegenseitige Anerkennung bekommen oder sich einigen, wie man gemeinschaftlich verfährt. Sehr wichtig für die Vermeidung nichttarifärer Handelshemmnisse sind neue Technologien, in denen noch gar keine Standards gesetzt worden sind – Beispiel Nanotechnologie. Da geht es darum, in Zukunft zu versuchen, in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika gleich gemeinsame Standards zu setzen, sodass man nicht hinterher vor der Frage steht, wie man mit verschiedenen umgeht.

Jetzt komme ich zu den sogenannten „weichen“ Bereichen wie Umweltschutz und Verbraucherschutz. Da gibt es große Sorgen, wie sich ein Abkommen darauf auswirken könnte. Müssen wir Abstriche von unserem bekannten Umwelt- und Verbraucherschutz machen? Dazu sage ich als Erstes: Nichts, was wir heute in Europa an Verbraucherschutz und Umweltschutz haben, wird abgesenkt. Zweitens: Wir haben am Beispiel von VW ungern gemerkt, dass die Abgasvorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika auch nicht so schlecht sind. Man hatte ja immer das sogenannte Chlorhühnchen als Symbol des amerikanischen Vorgehens. Das Chlorhühnchen ist raus. Es wird, wie gesagt, nichts in Europa erlaubt, was heute verboten ist.

Natürlich ist das Neuland, da sich die klassischen Handelsexperten mit nichttarifären Handelshemmnissen noch nicht so viel beschäftigt haben. Aber ich sage Ihnen: Wenn Sie wollen, dass Sie ein Level Playing Field auch im Datenbereich bekommen – ich rede jetzt nicht über Kultur und Inhalte, sondern über den Datenbereich –, dann ist TTIP, ein Freihandelsabkommen, eher hilfreich, als dass es nicht hilfreich wäre. Zweitens ist die große Chance dieses Handelsabkommens, dass wir in den beiden größten Wirtschaftsräumen, die dann zusammen ein wirklich großer Wirtschaftsraum sind, Standards definieren können, an denen andere, die heute noch wenige Verbraucher- und Umweltschutzstandards kennen, nicht so einfach vorbeikommen werden.

Das heißt, die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft kann dahingehend Geschichte schreiben, dass ein Abkommen nicht nur auf Zollabbau beruht, sondern auch die Frage sozialer Standards, Verbraucherstandards, Umweltstandards betrifft, was natürlich zu einer Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit führt, weil wir von all diesen Standards relativ viel haben, die auf den ersten Blick kostensteigernd wirken, aber ihre Wirkung auf der Zeitachse nachhaltig entfalten. Deshalb würden wir als Europäer einen Riesenfehler machen, wenn wir blockieren würden und hierzu nicht bereit wären. Ich erzähle das so umfassend, weil das vielleicht auch Ihr Interesse wecken könnte, in Ihren vielen Magazinen einmal Interessantes darüber zu schreiben – natürlich unter Berücksichtigung der journalistischen Freiheit.

Die Bundesregierung hat vor wenigen Wochen ein Positionspapier veröffentlicht, mit dem wir unsere Haltung unterstreichen, dass das Freihandelsabkommen keinerlei Bestimmungen enthalten soll, die die Kultur- und Medienvielfalt bei uns beeinträchtigen. Die öffentliche Kulturförderung wird weiter möglich sein. Die Buchpreisbindung bleibt bestehen. Und unser gesetzgeberischer Spielraum in der Kultur- und Medienpolitik bleibt erhalten. Deshalb sollten wir das, was wir an Mehrwert haben, unter den gesetzten Rahmenbedingungen beachten und die Chancen nutzen, natürlich auch über die Risiken diskutieren, sie aber nicht gegenüber den Chancen unangemessen in den Vordergrund stellen.

Bundeskanzler Adenauer sagte einmal: „Der Sinn des Staates muss sein, die schöpferischen Kräfte eines Volkes zu wecken, zusammenzuführen, zu pflegen und zu schützen.“ An diesem grundsätzlichen Anspruch hat sich für uns als gewachsene Kulturnation bis heute nichts geändert – unbeschadet der verschiedenen digitalen Technologien, mit denen wir heute arbeiten.

Medien, Kunst und Kultur informieren, provozieren, inspirieren. Sie bringen uns zum Nachdenken. Auf diese geistigen und kreativen Impulse können und wollen wir nicht verzichten. Daher sieht sich die Bundesregierung in der Pflicht und in der Verantwortung, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen, damit sich kreative Kräfte entfalten können, damit die Arbeiten der Kreativen Verbreitung und Anklang finden können.

Ich habe versucht, Ihnen unsere medienpolitischen Aktivitäten in einigen Fragen nahezubringen. Ich hätte natürlich auch von den wunderbaren Inhalten schwärmen können, die in der Arbeit und Freizeit auch mich erfreuen, wenn ich eine Zeitschrift zur Hand nehme. Über Nichterfreuliches spreche ich lieber nicht. Jedenfalls nochmals ein Dankeschön dafür, dass Sie mich eingeladen haben. Wir bleiben in engem Kontakt, um den Wandel in diesen Zeiten richtig zu bewerkstelligen. Herzlichen Dank.

Quelle: bundesregierung.de/Rede/2015-11-03-merkel-publishers-summit

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