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Erkenntnisse aus dem erfolgreichen Verlegerleben von Pat McGovern - Würdigung von VDZ Hauptgeschäftsführer Stephan Scherzer

Patrick J. McGovern

"Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird", so Tomas Watson, CEO von IBM, in den 1940er Jahren. Selbst noch in den 60er Jahren war eine Menge Weitsicht Voraussetzung dafür, eine verlegerische Vision zu entwickeln, in deren Zentrum 'Information about information technology' verankert war. 1964 gründete Pat McGovern sein Unternehmen IDG, das vielen auch heute als internationales Rollenmodell eines erfolgreichen, inhabergeführten Verlagshauses gilt.

Fünf Jahrzehnte nach der Gründung besteht das Portfolio aus 180 Printpublikationen, 460 Websites, 200 Apps, über 700 Konferenzen in 97 Ländern. Mehr als 13.000 Mitarbeiter weltweit erwirtschafteten 2013 einen Umsatz von 3,5 Milliarden US-Dollar mit einer globalen Reichweite von 280 Millionen Technologie-Interessierten.

So wie IDG ist ein großer Teil der Mitglieder des VDZ in den Landes- und Fachverbänden inhabergeführte, mittelständische Verlage, viele davon spezialisiert auf bestimmte Märkte und Zielgruppen. Nahezu alle haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, sich immer wieder den Marktentwicklungen angepasst und gelegentlich auch neu erfunden.

IDG ist hierfür ein gutes Beispiel. 1964 begann Pat McGovern, MIT-Absolvent, mit einem Startkapital von 5.000 Dollar, die er durch den Verkauf eines Autos eingenommen hatte. Er sah die Nachfrage nach professionellen Informationen rund um die erwachende IT-Industrie und gründete IDC, den Marktforschungszweig von IDG mit heute über 1.000 Analysten. Drei Jahre später erschien mit der Computerworld der erste Printitel in den USA. Die folgende internationale Expansion stand unter dem Leitmotiv: "Think global, act local".

So wurden Zeitschriften wie PC World, Macworld, Computerworld, Networkworld, Infoworld, GamePro in bis zu 70 Ländern pro Medienmarke verlegt. McGoverns verlegerische Vision war, Menschen in jedem Land der Erde mit nützlichen und relevanten Informationen rund um die Informationstechnologie zu versorgen. Er sah schon so früh die gewaltigen Auswirkungen der IT und der Digitalisierung auf die globale Gesellschaft. Das große Potenzial und den Wissenshunger in China erkannte er als erster Verleger und gründete bereits 1980 IDG China. Er sagte in Präsentationen gelegentlich: "Doing business in China is easy … When you involve yourself." 1997 schrieb Forbes Magazine über ihn: "Pat McGovern has more readers in China than the People’s Daily does." Sein Venture-Geschäft in den USA und vor allem in China hat Beteiligungen von über vier Milliarden Dollar unter Verwaltung und damit Zugang zu innovativen Unternehmen.

McGovern hat drei Dinge ins Zentrum seines Handelns gestellt: den Kunden, hochwertige Informationen und die eigenen Mitarbeiter – und eben nicht die Distributionswege wie Print, Digital und Mobile oder das Geschäftsmodell. Er setzte nicht auf die eine, sprichwörtliche "Silver Bullet": Im Vordergrund stand immer die Fokussierung auf die Wünsche der Kunden und die stetige Beobachtung der Marktveränderungen, um darauf mit entsprechenden redaktionellen Inhalten und Services schnell reagieren zu können. Redaktionelle Unabhängigkeit und Integrität waren dabei immer die entscheidenden publizistischen Grundsätze. Bei einem Treffen mit einem jungen Chefredakteur, der ihn beeindruckt mit "Great to meet the boss of IDG" begrüßte, antwortete Pat McGovern: "I'm not your boss – the reader is!". Mit dieser verlegerischen Einstellung und dem stetigen Mut, IDG mit den Entwicklungen der Informationstechnologie weiter zu entwickeln, wurde Pat McGovern zum Milliardär (Forbes-Liste Rang 244, 5,7 Milliarden Dollar).

Im Mai 2008 schrieb die New York Times: "Technology Publishing just happens to be at he point of this whole transformation of media. What´s happening at IDG is a fairly accurate map of every other publishing organization. Get over it, it´s going to happen." In fünf Dekaden hat Pat McGovern das Unternehmen immer wieder verändert: 60er Jahre Marktforschung, 70er Jahre Publishing, 80er Jahre Konferenzen, Services, Internationalisierung, 90er Jahre Digitalisierung, in den 2000er Jahren  dann Web, Mobile und Big Data.

Er glaubte als Entrepreneur fest an den Unternehmer im Unternehmen und schenkte Managern und Chefredakteuren viel Vertrauen und unternehmerische Freiheit; und stellte sich auch in schwierigen Momenten hinter seine Leute – nicht nur in den USA. Gute Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, war für ihn Chefsache. Auch aus diesem Grund war er unermüdlich unterwegs, um seine Landesgesellschaften persönlich zu besuchen und dort mit Mitarbeitern aller Hierarchiestufen zu sprechen. Für viele seiner Mitarbeiter war es ein gutes Gefühl, dass er sein Vermögen nicht in Statussymbole, einen mächtigen Firmensitz oder pompöse Auftritte investierte. Ganz im Gegenteil: Sein Dienstwagen, den er stets selbst fuhr, war ein betagter Mercedes. Die Firmenzentrale in Boston spiegelt ebenfalls sein „schlankes” Denken wider. Auch sonst war McGovern immer sehr dicht bei den Menschen, ohne Attitüde und möglichst wenig Aufsehen um seine Person. Als er vor Jahren die Keynote auf dem Digital Innovators Summit in Berlin hielt, kam er am Abend vorher selbst vorbei, zu Fuß vom Hotel, sah sich den Raum an, sprach mit dem sichtlich überraschten Techniker über seine Präsentation und gab ihm den USB-Stick mit dem Vortrag.

Pat McGovern war ein großer Philantroph. Im Jahr 2000 spendete er zusammen mit seiner deutschen Frau Lore 350 Millionen Dollar an das MIT in Boston für die Gründung des McGovern Institute for Brain Research. Als Biophysiker hat er sich Zeit seines Lebens für die Hirnforschung interessiert und nach Wegen gesucht, die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen und Krankheiten wie Alzheimer, Bipolarität und Parkinson zu bekämpfen. Auch sein Verständnis vom Verlegen und sein Umgang mit Mitarbeitern und Weggefährten war davon geprägt. Rafael Reif, der Präsident des MIT, sagte am 19. März 2014, dem Tag als Pat McGovern nach kurzer Krankheit starb: "The MIT community has lost an extraordinary friend, supporter, advisor, and inspiration — and the world has lost someone with a rare power to see the future and seize its opportunities." RIP, Pat McGovern.

Stephan Scherzer, März 2014

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