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VDZ besteht Stresstest

Startseite Erstellt von Eva-Anabelle v.d. Schulenburg

Wolfgang Fürstner im Horizont-Interview über AIM, Grosso und eine Privat Public Partnership mit dem ZDF

Wolfgang Fürstner im Horizont-Interview über AIM, Grosso und eine Privat Public Partnership mit dem ZDF.

Herr Fürstner, eigentlich hatten wir ja damit gerechnet, dass es auf Ihrer jüngsten VDZ-Vorstandssitzung richtig kracht – wegen des Ad Impact Monitors (AIM), wegen Grosso, wegen Meinungsverschiedenheiten unter Ihren Mitgliedern.

Da muss ich Sie enttäuschen, für mich war unsere Sitzung eine Sternstunde. Ich räume ja ein, dass ich nicht völlig entspannt nach München gefahren bin. Am Ende aber hat sich einmal mehr gezeigt, dass bei den VDZ-Mitgliedern die Bereitschaft viel größer ist, die Gemeinsamkeiten zu sehen, als alle Differenzen in der Sache. Genau das macht die Stärke eines Verbandes aus.

Gehen wir die einzelnen Streitpunkte mal durch. In den vergangenen Wochen mehrten sich die Zeichen, dass der AIM, mit dem die Werbewirkung von Print belegt werden soll, auf der Kippe steht und einzelne Verlage – darunter Bauer – sich aus dem Projekt verabschieden wollen.

Das sind Geschichten von gestern. Wir haben den Stand von AIM sehr intensiv diskutiert. Am Ende waren sich alle einig, dass wir ein gemeinsames Gattungsmarketing brauchen und AIM in diesem Zusammenhang ein Tool von überragender Bedeutung ist. Da gibt es überhaupt keinen Dissens innerhalb des VDZ. Die Beschlusslage lautet: AIM ist unverzichtbar und wird weitergeführt.

 AIM wird definitiv nicht sterben?

Nein, das will niemand. Noch einmal: Es gibt ein klares Bekenntnis zu AIM und daher sollten wir da jetzt auch nicht irgendwelche Dinge hineingeheimnissen. Dass es bei einem so großen Projekt auch mal Durststrecken oder Meinungsverschiedenheiten gibt, liegt doch in der Natur der Sache. Aber es ist ja nicht so, dass AIM kein Erfolg wäre, im Gegenteil. Die Reaktionen der Werbungtreibenden und der meisten Mediaagenturen sind überaus positiv. Der Markt begrüßt und fordert unsere Initiative.

Es gibt aber auch scharfe Kritiker. Der Prominenteste ist Boris Schramm von Group M, der in einem Horizont-Interview im April seine Bedenken geäußert und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekundet hat. Viel passiert ist seither nicht. Ist Ihnen die Meinung von Group M egal?

Das Gegenteil ist der Fall. Es steht doch völlig außer Frage, dass wir die Mediaagenturen alle im Boot haben müssen, damit AIM sich am Markt durchsetzt. Daher gibt es auch keine Alternative zu einem offenen, konstruktiven Dialog. Wir wollen die Skeptiker überzeugen.

Sie werden auf Group M und Co zugehen?

Ja. Und wir werden versuchen, die Einwände noch stärker aufzunehmen als wir es bisher getan haben.

Ein anderes Thema, das zuletzt für reichlich Verdruss gesorgt hat, ist der Pressevertrieb. Zunächst schien die Gefechtslage klar: Hier der Grosso-Verband, dort der VDZ. Doch dann formierte sich der Arbeitskreis mittelständischer Verlage (AMV) und vertrat öffentlich eine Gegenposition zum VDZ. Plötzlich sprachen die Verlage mit zwei Stimmen – das ist in der Außenwirkung höchst unglücklich.

Das Bild, das der VDZ an dieser Stelle abgegeben hat, war nicht gut, zugegeben. In der Sache habe ich großes Verständnis für die mittelständischen Verlage und ihrer Sorge vor Missbrauch von Marktmacht. Nur, und das ist mein Punkt: Es ist besser, solche Kontroversen innerhalb des Verbandes auszutragen. Verbandsarbeit besteht darin, Kompromisse zu finden und Interessen zu bündeln. Und ich kann Ihnen versichern: Es gibt keinen Verlag innerhalb des VDZ, der nicht von der Notwendigkeit überzeugt ist, genau das zu tun.

Also haben Sie Herrn Ganske vom Jahreszeiten-Verlag  wieder einfangen können?

Darum geht es doch gar nicht. Die Vertreter des AMV haben in vollem Selbstbewusstsein und klarer Haltung im Vorstand erklärt, dass sie innerhalb des VDZ weiter mit an der Entwicklung des Vertriebssystems der Zukunft arbeiten und nicht gegen den VDZ. Aber wenn Sie genau wissen wollen, wo der Jahreszeiten-Verlag steht: Er hat in der Vorstandssitzung klar das Bekenntnis zu einem gemeinsamen Vorgehen im VDZ unterstützt und bekräftigt.

Ziemlich heftig waren zuletzt auch die Auseinandersetzung zwischen VDZ und dem Grosso-Verband, bei dem auch die Politik angerufen wurde. Ist das Tischtuch zwischen Ihnen und Ihrem Gegenpart Frank Nolte zerschnitten?

Überhaupt nicht. Was ich allerdings sehr bedauere, ist, dass die Verbände in den vergangenen Monaten mehr übereinander als miteinander gesprochen haben. Wir werden uns jetzt gemeinsam an einen Tisch setzen, beherzt streiten und am Ende einen Kompromiss finden.

Leicht wird das nicht.

Das liegt in der Natur der Sache. Die Diskussion ist deswegen so intensiv, weil wir es mit gravierenden Veränderungen in der Presselandschaft zu tun haben. Wir wissen alle, dass die Vertriebserlöse heute eine deutlich wichtigere Rolle spielen als noch vor ein paar Jahren.

Das bedeutet, dass ein Verteilungskampf unvermeidbar ist?

Ja. Und natürlich wird derjenige, der etwas hergeben muss, erst einmal nein sagen. Aber es führt nun mal kein Weg daran vorbei, dass die Verlage stärker an den Vertriebserlösen partizipieren müssen. Beide Parteien haben ihre Maximalforderungen formuliert, am Ende wird ein Kompromiss stehen. Grosso und Verlage sind aufeinander angewiesen und haben eine so starke Verbindung, dass wir zu einer Lösung gezwungen sind.

Ganz so schlecht scheint es den Verlagen doch gar nicht zu gehen, wenn man sich die aktuellen Halbjahreszahlen von Axel Springer, Gruner + Jahr oder Burda ansieht.

Die Aussage, dass die Verlage vor gewaltigen Herausforderungen stehen, ist unverändert richtig. Wir erleben gerade eine Veränderung, die in ihrer Radikalität der Erfindung des Buchdrucks gleichkommt.  Das ist die eine Seite der Geschichte. Die andere ist, dass die Verlage die Krise 2009, wie ich finde, meisterlich gemanagt haben. Dass die Unternehmensergebnisse heute besser sind als vor einem Jahr, kommt aber nicht von ungefähr, sondern ist ganz hart erkämpft worden. Der Preis war sehr hoch: Die Verlage haben Arbeitsplätze abgebaut, Redaktionen zusammengelegt, Rationalisierungsprogramme aufgesetzt.

Für Entwarnung besteht dennoch kein Anlass?

Sicher nicht. Die Ergebnisse, die heute sichtbar sind, ermutigen die Verlage, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Und das bedeutet, einerseits konsequent auf Zeitschriften zu setzen, Kosten zu senken und gleichzeitig technikgetriebene Vertriebswege wie das Internet nicht zu vernachlässigen.

Angeblich liegt es ja auch an ARD und ZDF, dass die Verlage sich mit dem Geldverdienen im Internet so schwer tun. Ihr Präsident Hubert Burda spricht sogar davon, dass „das ganze System der freien Presse bedroht“ sei. Ist das nicht ein bisschen arg dick aufgetragen?

Wenn man eine Gefahr sieht, kann man sie gar nicht deutlich genug benennen. ARD und ZDF sind nun mal das größte Hindernis, Bezahl-Inhalte im Internet zu etablieren. Es kann nicht sein, dass ein durch eine steuerähnliche Finanzierung entstandener Medienriese wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen privatwirtschaftliche Verlage an die Wand drückt. Das geht nicht, das muss bekämpft werden. Und genau das werden wir weiter tun.

Zuletzt haben Sie mit der Forderung für Aufsehen gesorgt, ARD und ZDF zu privatisieren. Verstehen können wir den Vorstoß ja schon – uns fehlt bloß die Fantasie, dass Sie damit durchkommen.

Ich will Ihnen ja nicht unterstellen, zu wenig Fantasie zu haben. Aber sicher ist, dass auch ein ungewöhnlicher Gedanke dazu beitragen kann, dass eine über Jahrzehnte gewachsene Schieflage gelöst werden muss.

Wie könnte denn ein konkretes Modell aussehen?

Es gibt mehrere Ansatzpunkte, die denkbar sind. Lassen Sie mich einen herausgreifen. Ich könnte mir etwa eine Public Private Partnership zwischen Medienunternehmen der Privatwirtschaft und einer Anstalt der ARD oder dem ZDF vorstellen. Markus Schächter als CEO wäre doch eine brillante Lösung eines solchen gemeinschaftlichen Unternehmens. Die Haushaltsabgabe könnte reduziert werden, unternehmerisches Denken stärker entwickelt, und es käme zu einem Ausgleich der Interessen von ZDF und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Ich finde diesen Gedanken außerordentlich reizvoll. Eine solche Lösung würde auch den starken Druck aus der Diskussion darüber nehmen, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet darf und was nicht.

Das ist ja mal eine echte Vision in einer manchmal quälenden Debatte.

Ich möchte den Vorschlag einer Public Private Partnership auch als ernst gemeinten Beitrag in die Diskussion einbringen.

Wenn Sie von privatwirtschaftlichen Unternehmen sprechen, die sich an ARD-Anstalten oder dem ZDF beteiligen sollten, meinen Sie Verlage, nehmen wir an.

 Es geht in einer solchen Partnerschaft um journalistische Inhalte. Wer wäre da besser als Partner für das öffentlich-rechtliche Fernsehen geeignet als Verlage? Aber ich will hier nicht so verstanden werden, als würde ich versuchen, durch die Hintertür Expansionspläne der Verlage zu kommunizieren. Mein Punkt ist ein anderer: Mir geht es um das ordnungspolitische Missverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen Medien-Giganten auf der einen und privatwirtschaftlichen Verlagen auf der anderen Seite, die neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um ihre wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Mir geht es um die ordnungspolitische Korrektur der öffentlich-rechtlichen Bestands- und Expansionsgarantie gegenüber dem intensiven unternehmerischen Daseinskampf auf der anderen Seite. Dieses Missverhältnis muss aufgelöst werden! Wir sind offen für eine Moderation des Interessenkonflikts zwischen Verlegern und öffentlich-rechtlichem Rundfunk durch eine anerkannte Persönlichkeit.

Den Beitrag aus HORIZONT finden Sie <link fileadmin download presse horizont_20100930_interview_fuerstner.pdf>hier

 

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