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Verstößt ARD gegen den Staatsvertrag?

Medienpolitik Erstellt von Eva-Anabelle v.d. Schulenburg

Auf Tagesschau.de ging ein bedenkenswertes Interview online. Christian Radler befragte die Web-Expertin Kathrin Passig zu dem Phänomen Facebook.

Auf Tagesschau.de ging ein bedenkenswertes Interview online. Christian Radler befragte die Web-Expertin Kathrin Passig zu dem Phänomen Facebook. Nicht die Qualität des aufschlussreichen Gesprächs ist dabei das Problem, sondern der fehlende "Sendungsbezug": Laut Rundfunkstaatsvertrag gehört ein solcher Text nicht zum Auftrag von Tagesschau.de. "Das Interview ist nach unserer Interpretation des Rundfunkstaatsvertrags presseähnlich", so VDZ-Justiziar Christoph Fiedler zu MEEDIA.

Seit Wochen streiten die Verlage und die Öffentlich-Rechtlichen darüber, was ARD und ZDF im Web machen dürfen und was nicht. Zuletzt wurde heftig debattiert, ob die Tagesschau-App zum Auftrag der ARD gehöre. Der jetzige Fall macht klar: Die ARD dringt tief in die rechtlichen Grauzonen des jüngst verabschiedeten 12. Rundfunkstaatsvertrags ein, denn das Text-Interview mit der 39-jährigen Web-Expertin wurde per E-Mail geführt und hat keinen Bezug zu einem Tagesschau-Beitrag. "Sendungsunabhängige pressähnliche Angebote sind unzulässig", sagt Fiedler.

In dieser Beziehung ist der Gesetzestext eindeutig. Paragraph 11d Rundfunkstaatsvertrag legt fest: "nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote sind nicht zulässig". Die "Tagesschau" selbst hatte am 12. Juni 2008 über die Gesetzesänderung berichtet. Darin hieß es: "ARD und ZDF sollen künftig nur noch solche Inhalte ins Netz stellen, die Bezug zu einer Sendung haben." Damit "soll der Tendenz begegnet werden, dass von Rundfunkanstalten angebotene nichtsendungsbezogene Telemedien den inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkt in Texten setzen" – so lautet die Gesetzesbegründung.

Dennoch findet die ARD in der Auslegung des Gesetzes eine Grauzone. Denn die Fernsehanstalt legt bei der Abgrenzung zu den Webseiten der Verlage offenbar den gesamten Online-Auftritt zu Grunde, nicht aber den einzelnen Beitrag. Im Telemedienkonzept der ARD-Gemeinschaftsangebote heißt es dazu: "Die Angebote der ARD sind nicht presseähnlich. Durch die Bezugnahme auf 'Zeitungen und Zeitschriften' hat der Gesetzgeber zudem zum Ausdruck gebracht, dass für die Presseähnlichkeit nicht nur die Gestaltung oder der Inhalt eines einzelnen Beitrags entscheidend ist, sondern die Ähnlichkeit des Gesamtangebots."

Das verstoße nach Ansicht Fiedlers aber gegen eine Grundlage jeder Gesetzesinterpretation. Denn ARD und ZDF legen den Rundfunkstaatsvertrag in einem Sinne aus, der das Verbot sendungsunabhängiger presseähnlicher Angebote leerlaufen ließe.

Das Hauptproblem ist das der Aufsicht, die umstritten ist. Zwar soll durch den sogenannten Drei-Stufen-Test geprüft werden, dass die ARD künftig nur nichtsendungsbezogener Formate online stellt, die einen klaren qualitativen Mehrwert zum publizistischen Wettbewerb liefern. Der Test wird aber nicht extern durchgeführt, sondern von Rundfunkräten, die selbst Organe der Rundfunkanstalten sind.

"Die ARD meint, soweit wir wissen, dass mit dem Drei-Stufen-Tests ohnehin alles genehmigt werden kann. Die Angebotsbeschreibungen sind so weit, dass man auf praktisch nichts mehr verzichten muss", sagt Fiedler.

Medienpolitik-Experte Robin Meyer-Lucht beschreibt die Aufsichtsstruktur der Rundfunkanstalten: "Es gibt berechtigen Anlass zu der Vermutung, dass es für die Aufgabe der Bundesnetzagentur förderlich ist, dass sie kein Organ der Deutschen Telekom ist. Derartige Ansichten gelten aber in Bezug auf das öffentlich-rechtlicher Rundfunk noch immer als eher exotisch."

Daher scheint im Rahmen der schwammigen Formulierungen des Rundfunkstaatsvertrags alles möglich. "Dafür, dass es hier um Meinungsvielfalt geht, ist die Aufsicht erstaunlich unverkrampft und der gesetzliche Rahmen erstaunlich interpretationsfähig organisiert", so Meyer-Lucht.

Der Carta.info-Gründer befürchtet, dass das "App-Theater" erst der Anfang heftiger Streits über die Ergebnisse der Drei-Stufen-Tests ist. "Nahezu alles deutet darauf hin, dass der 12. Rundfunkstaatsvertrag nicht den Rechtsfrieden bringt, den die Politik versprochen hat. Es gehört leider nicht mehr zu den Tugenden der Medienpolitik, klare und funktionsfähige Gesetze zu produzieren."

 

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