VG Wort braucht Zusammenhalt
Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung in München ist es einer Minderheit gelungen, eine breite Mehrheit handlungsunfähig zu machen. Der Vorstand der VG Wort hatte vorher um einen Kompromiss gerungen, der in der Tat kurzfristig am Tag der Sitzung vorgelegt wurde.
Die Urteile des EuGH und des BGH haben eine jahrzehntelange Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften für gesetzlich unzulässig erklärt. Es ist richtig, dass in einem Rechtsstaat alles der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden kann. Doch dieser Fall hat seine Besonderheit. Die Verteilung der Einnahmen der VG Wort aus den ihr gesetzlich zustehenden Vergütungsansprüchen für erlaubnisfreie Verwertungshandlungen Dritter bestimmten die Urheber und Verlage im Wege der Selbstverwaltung. Jahrzehnte lang fand jedenfalls eine deutliche Mehrheit die gefundenen Verteilungsschlüssel gerecht. Die Verteilung folgte der Einsicht, dass es gerecht sei, die Verleger an den Ausschüttungen zu beteiligen. Warum? Ganz einfach deshalb, weil die oben genannten Nutzungshandlungen immer an dem Verlagsprodukt vorgenommen wurden. Es wurde das in einem Buch, in einer Zeitschrift, in einer Zeitung veröffentliche Werk vervielfältigt. Will sagen, ohne den Beitrag des Verlegers wäre es gar nicht zur Vervielfältigung des Werks gekommen. Diesen Beitrag des Verlegers beschloss man, in den Mitgliederversammlungen der VG Wort zu honorieren. Wir denken, dass diese Entscheidung die große Mehrheit der Urheber auch heute noch für richtig hält.
Wie beim Urheber, waren und sind die VG Wort-Ausschüttungen auch bei den Verlagen Teil der Kalkulation. Sollten sie den Verlagen für die Vergangenheit und die Zukunft entzogen werden, so wird sich die Kalkulation zulasten der Urheber ändern müssen, weil sie ja nun 100 Prozent der Einnahmen erhalten.
Bezüglich der Publikumszeitschriften im VDZ und der Tages- und Wochenzeitungen im BDZV einigte man sich in den 80er Jahren auf ein anderes Konzept. Die VG Wort-Ausschüttungen für die so genannte Presserepro erhielten die Verlegerverbände, die sich verpflichten, die Mittel in die journalistische Aus- und Weiterbildung zu investieren. Hintergrund war u. a., dass, bezogen auf den einzelnen Verlag, die Beträge sehr überschaubar waren, gebündelt bei den Verbänden aber Beträge erreichten, mit denen "man etwas anfangen" konnte.
Beide Verbände gründeten in der Folge Ausbildungsakademien. Wenn der EuGH sinngemäß formuliert, eine Beteiligung der Verleger sei aufgrund der Gesetzeslage nur denkbar, wenn die Gelder den Urhebern jedenfalls indirekt wieder zukämen, so entspricht die Verwendung durch VDZ und BDZV wirklich genau diesem Gedanken.
Insoweit bedauern wir sehr, dass es in der VG Wort schon im Vorfeld nicht möglich war, sich darauf zu einigen, die ausgeschütteten Gelder den Ausbildungsakademien von VDZ und BDZV zu belassen. Schon wegen des Ausbleibens der Zahlungen in 2014 und 2015 konnte eine Ausbildungseinrichtung des BDZV sein Angebot nicht mehr aufrecht erhalten.
Im Budget der VDZ Akademie machten die VG Wort-Gelder etwa 20 Prozent aus. Sie bietet nicht nur Seminare für Journalisten an. Ausbleibende Presserepro-Gelder wurden durch Erlöse aus anderen Veranstaltungen und Rücklagen in der Hoffnung aufgefangen, dass der alte Zustand wiederhergestellt wird. Eine Rückforderung seit 2012 würde dieses Konzept infrage stellen.
Denn nunmehr wird für die Presserepro - anders als im Buch- und Fachzeitschriftensegment - nicht mal die Möglichkeit eingeräumt, dass die Urheber gegenüber der VG Wort auf ihren Rückforderungsanspruch zugunsten der Ausbildungseinrichtungen verzichten.
Gestatten Sie an dieser Stelle einen Appell an die vielen festen und freien Journalistinnen und Journalisten, die für die Presseverlage arbeiten: Auch wenn die VG Wort Abtretungen an Zeitungs- und Zeitschriftenverlage vermutlich nicht annehmen wird, haben Sie die Möglichkeit, Ihre Auszahlungsansprüche an die Verlegerverbände abzutreten, um den Fortbestand der Weiterbildungsangebote zu sichern. Machen Sie bitte von dieser rechtlich zulässigen Möglichkeit Gebrauch. Die VG Wort wird dann Ihre Rückforderung um den auf Sie entfallenden Anteil reduzieren müssen. Wie hoch Ihr Anteil ist, können Sie anhand der jährlichen Ausschüttungsmitteilungen der VG Wort berechnen. Sie erhielten 70 von 100 und würden somit 30 von 100 an den Verband abtreten.
Es erscheint uns ganz wichtig, an dem Verbund von Urhebern und Verlegern in den Verwertungsgesellschaften festzuhalten, ja ihn zu stärken. Nur so wird es gelingen, der Geräteindustrie weiterhin die Stirn zu bieten und angemessene Vergütungen durchzusetzen.