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Tag der Pressefreiheit, Pressefreiheit, wpfd2021

Zwischen „Cancel Culture“, Digitalmonopolen und Medien(in)kompetenz: Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung

Düzen Tekkal Nachrichten Medienpolitik Print & Digital

Diskussionsrunde zum Tag der Pressefreiheit: Julia Becker, Alexandra Borchardt, Sascha Brok, Roland Jahn, Konstantin Kuhle, Düzen Tekkal und Philipp Welte diskutierten mit Moderator Dietmar Ringel über wirtschaftlich unabhängigen Journalismus und demokratische Diskussionskultur

v.l.: Roland Jahn, Konstantin Kuhle, Julia Becker, Düzen Tekkal, Philipp Welte, Dietmar Ringel, Alexandra Borchardt (Foto: Frank Nürnberger)

(Foto: Frank Nürnberger)

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Der Pressefreiheitsabend ist eine Kooperation des VDZ mit der Allianz, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und dem rbb Inforadio. Die Diskussion im Allianz Forum wurde live gestreamt (hier zum Nachschauen); eine Aufzeichnung wird am 9. Mai um 11:05 Uhr und um 20:05 Uhr in der Sendereihe „Das Forum“ ausgestrahlt.
 

„Die Einschränkung der Meinungsfreiheit darf erst da enden, wo das Strafrecht beginnt“, appellierte Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe in ihrer Keynote am Abend des 3. Mai. Der VDZ hatte gemeinsam mit seinen Partnern Allianz, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und rbb Inforadio zur Diskussionsrunde in das Allianz Forum am Pariser Platz in Berlin geladen. Mit diesen Worten markierte Becker die Richtschnur, an der sich die Debatte um „Cancel Culture“ und „Political Correctness“ orientieren solle. Neben der pointierten und streitbaren Auseinandersetzung mit der Debattenkultur legte Becker den Fokus ihres Impulsvortrags auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die freie Presse: „Die digitale Infrastruktur wird von marktbeherrschenden Unternehmen definiert“, kritisierte die Funke-Aufsichtsrätin und forderte vehement die Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene, beispielsweise durch den Digital Markets Act, um die marktwirtschaftlich finanzierte freie Presse dauerhaft zu gewährleisten.

Mit dem Moderator Dietmar Ringel vom rbb Inforadio diskutierten anschließend die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Alexandra Borchardt, Roland Jahn (Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen), der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Konstantin Kuhle, die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal sowie Philipp Welte, Vizepräsident des VDZ und Vorstand Hubert Burda Media. Das Grußwort sprach Sascha Brok, Leiter Kommunikation des Allianz Hauptstadtbüros.

Tekkal: Mehr Sensibilität für unterrepräsentierte Gruppen

Müssen wir uns um die Pressefreiheit Sorgen machen? Deutschland ist im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um zwei Plätze auf Platz 13 abgerutscht – vor allem aufgrund der stark gestiegenen Zahl von tätlichen Angriffen auf Pressevertreterinnen und -vertreter. Düzen Tekkal bejahte diese Frage und verwies darauf, dass viele Kolleginnen und Kollegen sich die Frage stellten, worüber sie noch berichten „dürften“. Gleichzeitig warb sie für differenzierte Sichtweisen und forderte eine größere Sensibilität im Umgang mit bislang in der veröffentlichen Meinung unterrepräsentierten Gruppen ein.

Welte: Druck durch soziale Medien neuer Faktor

Philipp Welte verwies auf den enormen Druck, der über die sozialen Netzwerke erzeugt werde. Obwohl die Presse sich immer schon im Spannungsfeld bewege zwischen dem, was man als berichtenswert einschätzt, und denjenigen, die genau das verhindern wollen, entstünde dadurch eine ganz neue Art des Angriffs auf die Meinungsfreiheit. Dem stimmte Prof. Alexandra Borchardt zu und verwies zudem auf die Monopole der Tech-Plattformen. Als Gefahr für den Journalismus bezeichnete die Medienwissenschaftlerin auch die Tendenz der Journalistinnen und Journalisten, sich als eigene Marke zu positionieren. Ihr Augenmerk richtete sie zudem auf den Umstand, dass das Vertrauen in die Presse messbar gestiegen sei und gleichzeitig eine Minderheit immer radikaler und offener gegen die freie Presse agiere. Sie forderte zu einer Mobilisierung der schweigenden Mehrheit für die Meinungsfreiheit auf.

Jahn: Qualitätsjournalismus unterscheidet Meinung von Tatsachen

Auch Jahn sprach die Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an, was sich auch im Journalismus niederschlagen würde. Maßstab für Qualitätsjournalismus müsste seiner Überzeugung nach weiterhin die klare Unterscheidung zwischen Tatsachenberichterstattung und Meinung sein. Andernfalls entstehe der Eindruck eines Agenda-Journalismus. Kuhle forderte eine größere Wertschätzung der Kontroverse ein. Welches Ausmaß die Geringschätzung von Pluralität und Meinungsfreiheit mittlerweile erreicht hat, schilderte er anhand eigener Erfahrungen von Corona-Demonstrationen, wo massiv versucht werde, freie Berichterstattung zu verhindern.

Doch was ist die Rolle der sozialen Medien in diesem Spannungsfeld? Prof. Borchardt richtete den Blick dabei auf die Angst der Medienmacher, keine Kontroverse auf Twitter zu verpassen, die allerdings für eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gar keine oder kaum Relevanz hätten. Der daraus resultierende Überdruss sei eine große Gefahr, denn „wenn die immer gleichen Konflikte, immer breiter ausgetreten werden (…), wenden sich die Menschen von den Medien ab“, so Borchardt. Dem widersprach Welte, da die Presse sehr wohl ein feines Gespür dafür habe, was die Menschen interessiere.

Tekkal warb eindringlich für einen sinnstiftenden Umgang mit sozialen Medien und warnte davor, diese den lauten und radikalen Minderheiten zu überlassen. Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass eben nicht alles erlaubt und hinzunehmen sei, sondern – und damit schlug sie den Bogen zum Eingangsstatement von Funke-Aufsichtsrätin Becker – etliche Äußerungen eben strafbewährt und entsprechend zur Anzeige gebracht werden sollten.

Welte: Freie Presse braucht freie Finanzierung

Die Frage nach der Finanzierung der freien Presse war ein weiterer Schwerpunkt des Abends. Hierzu stellte Welte fest, dass die deutsche Verlagslandschaft durch Verlegerfamilien geprägt sei, die aus Überzeugung für die freie Presse stehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen Mäzene (vgl. USA: Jeff Bezos/Washington Post) mit der Nähe zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich (vgl. Frankreich: Dassault/Rüstungs- und Luftfahrindustrie) agierten. Das Modell in Deutschland gelte es, für die Zukunft zu erhalten. „Die freie Presse ist ein Zukunftsmodell, solange sie die Chance hat, sich frei zu finanzieren“, so seine Überzeugung. Diese Grundlage sei allerdings durch die Marktmacht der US-Tech-Konzerne bedroht. In diesem Zusammenhang forderte Welte die Umsetzung des Verlegerrechts ein, dass Grundlage für eine faire Bezahlung von Inhalten gewährleiste, die durch Dritte genutzt würden. Kuhle pflichtete Welte dahingehend bei, dass die Diskussion über die Regulierung der sozialen Medien erst am Anfang stünde. Gleichzeitig warnte er davor, die Freiheitsräume zu zerstören, die durch soziale Medien entstanden seien.

Jahrhundertaufgabe Medienkompetenz steigern

Einig war sich die Runde zum Abschluss, dass die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden müsse. Welte wies auf die vielfältigen Initiativen des VDZ für die Pressefreiheit und die Leseförderung hin. Für Jahn ist Medienkunde die entscheidende Grundlage zur Orientierung in einer Mediengesellschaft. Prof. Borchardt zeigte sich besorgt über die wachsende Kluft zwischen den Medienkompetenten und denjenigen, die bereits abgehängt seien. Gerade diese Bevölkerungsgruppen müsse für die Themen Presse- und Meinungsfreiheit sensibilisiert sowie den Wert guten Journalismus sensibilisiert werden, um ein Abgleiten ins Radikale zu verhindern, betonte Tekkal.

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