Stephan Scherzer: „Ganz vorne steht die Freiheit“
Der VDZ heißt nun MVFP. Geben Sie nicht eine sehr starke Marke, die lange gut klang, auf?
Der Medienverband der freien Presse, der Anfang April 2022 an die Stelle des VDZ getreten ist, wird mit seiner modernen, agilen und effizienten Gesamtstruktur, seinem transparenten Beitrags- und Leistungssystem in noch schlagkräftigerer Form für unsere rund 400 Mitglieder da sein. Wir haben sozusagen ein neues, noch leistungsfähigeres Betriebssystem aufgespielt, um mit einem modernen Bundesverband der Fach-, Publikums- und konfessionellen Pressemedien die Herausforderungen der Zukunft anzupacken und als starke Gemeinschaft mit Landes- und Fachvertretungen die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der unternehmerisch getragenen, freien Presse kämpferisch und zielstrebig zu vertreten.
Welches der vier Merkmale ist am wichtigsten: Medien.Verband.Freiheit.Presse?
All dies – aber ganz vorne steht die Freiheit! Es kommt auf uns – die unabhängigen Medien – an, auf den Journalismus der Verlage, auf die freie Presse. Dieses Fundament, der unabhängige Journalismus, erhält durch den neuen Namen ein viel größeres Gewicht. Unsere Mitglieder sind tragende Infrastruktur für die Demokratie, zusammen mit den Zeitungen. Über 7.000 Zeitschriftenmedien erscheinen in Deutschland – diese Vielfalt und Themenbreite ist weltweit einmalig und ein Fundament unserer Wissensgesellschaft. Das Thema Freiheit verbindet uns mit vielen – auch die Freien Berufe tragen den Begriff in ihrem Namen.
Warum wollen Sie sich, warum wollen die Verleger sich so für die Freiheit einsetzen?
Freiheit und Vielfalt gibt es nicht umsonst. Nur wenn die freie Presse wie alle demokratischen Kräfte bereit ist, den pluralistischen Gesellschaftsentwurf gegen den Ansturm von Ideologie, Extremismus und Radikalität zu verteidigen, bleibt die Demokratie dauerhaft kraftvoll. Die freie Presse ist eine der wichtigen Lebensadern unserer Demokratie, sie steht für die Freiheit der Meinungen. In unserer Kampagne zur Pressefreiheit, die seit den Anschlägen auf Charlie Hebdo 2015 läuft, ist der zentrale Gedanke: Die Pressefreiheit schützt deine Meinungsfreiheit. Auch in Europa gibt es immer mehr Staaten, die die unabhängige Presse und damit die Meinungsfreiheit an die Kette legen wollen. Fällt die Pressefreiheit, fallen alle anderen Freiheiten – und das freie, marktwirtschaftliche Unternehmertum kommt unter die Räder.
Was haben die sogenannten „Yellows“, was hat Werbung mit Pressefreiheit zu tun?
Warum ist gut gemachte Unterhaltung und Lean-back denn schlecht? Die Presse lässt sich nicht teilen! Es gibt keine Presse erster und zweiter Klasse. Die Zeitschriftenmedien sind die Form der Presse, die jeden noch so kleinen Winkel unserer Welt widerspiegelt und ausleuchtet. Es gibt in Deutschland über 7.000 Medienmarken der Publikums-, Fach- und konfessionellen Medien. Sie bilden in der Breite und in der Tiefe das gesamte Spektrum sämtlicher privater und beruflicher Lebensbereiche ab – und zwar Print, Web, Mobil, Social und in Konferenzformaten. Über 5.600 Fachmedienangebote zeigen die einzigartige Vielfalt der Fachmedien, die einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland leisten.
Die Themenvielfalt, Informationstiefe, Wissensbreite und Meinungsstärke der Zeitschriftenmedien sind unabdingbarer Teil unserer Gesellschaft, Fundament unserer Demokratie. Insbesondere in Zeiten sich schnell ändernder Nachrichtenlagen, von Fake News und Propaganda sowie politischer Umwälzungen und ungewisser Entwicklungen sind es die Redaktionen der Verlage, Journalistinnen und Journalisten, die – gerade auch vor Ort im Ausland – recherchieren, sachlich informieren, Fakten prüfen, aber auch kommentieren, einordnen und hinterfragen. Gerade auch in Krisenzeiten sind unterhaltende und entspannende Formate wichtig.
Was ist los mit der Freiheit? Ist Sicherheit nicht wichtiger? Das war doch ein Grundzug der „Coronazeit“?
Das sehe ich kritisch und halte es mit Karl Popper: „Wir müssen für die Freiheit planen und nicht für die Sicherheit, wenn auch vielleicht aus keinem anderen Grund als dem, dass nur die Freiheit die Sicherheit sichern kann.“ Wir dürfen nicht mit denselben Mitteln operieren wie autoritäre Regime. Presse- und Meinungsfreiheit sind Grundlage unserer pluralistischen Gesellschaft. Wenn man sich nicht mehr traut, einen Film zu zeigen, ein Theaterstück oder Lied aufzuführen, ein Buch, einen Artikel oder eine Karikatur zu publizieren, dann ist die Presse- und Meinungsfreiheit am Ende. Und man kann es nicht oft genug wiederholen: Fällt die Pressefreiheit, fallen auch alle anderen Freiheiten! Es ist wichtig, die Meinungen anderer zu hören, manchmal einfach zu ertragen, aber eben nicht aus „Sicherheitsgründen“ einzuschränken oder zu verbieten. „Der mündige Bürger“ ist unser Bild, nicht der desorientierte und hilflose Bürger, den man durch überbordende Fürsorge, sprich durch Regulierung und Gängelung, vor sich selbst schützen muss.
Welche Schnittstellen sehen Sie zwischen Pressefreiheit und der „Freiheit“ etwa von Architekten, Ärztinnen, Rechtsanwälten, Steuerberaterinnen und Yogalehrern?
Der MVFP ist ein Verband unabhängiger Unternehmen, die am Markt, um die Refinanzierung ihrer redaktionellen Angebote im harten Wettbewerb stehen und bestehen müssen. Das verbindet uns mit den Freien Berufen. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist für alle Bürgerinnen und Bürger ein hohes Gut – auch hier sind wir deshalb miteinander verbunden.
Gibt es einen „Tesla“ der Verlegerbranche?
Es gibt in Deutschland über 5.600 Fach- und 1.300 Publikumsmedien sowie rund 100 konfessionelle Titel – viele dieser Häuser sind seit über 100 Jahren publizistisch und unternehmerisch erfolgreich am Markt und haben alle Innovationssprünge der letzten Dekaden erfolgreich gemeistert. Da gab es bereits zahlreiche Tesla-Momente. Also auch ein Elon Musk könnte von erfolgreichen Medienunternehmen der freien Presse noch etwas lernen, mindestens mal zum Begriff der Pressefreiheit.