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Deutscher Online-Werbemarkt vor gewaltigen Veränderungen

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Potenziale, Herausforderungen und strategische Optionen für deutsche Online-Premium-Vermarkter

Christoph Schuh, Vorstand TOMORROW FOCUS AG und Leiter Arbeitskreis Digitale Medien

Das Geschäft mit der Online-Vermarktung läuft gut in Deutschland. Letztes Jahr konnten die Verleger mit ihren Online- Premium-Vermarktern ein zweistelliges Umsatzwachstum verbuchen und 2011 entwickeln sich die Geschäfte ebenfalls sehr erfreulich. Eigentlich ein Grund zufrieden zu sein, oder? Wenn man allerdings einen Blick nach Amerika wirft, die aktuellen Entwicklungen im Online-Werbemarkt analysiert und auf den deutschen Markt überträgt, dann ergeben sich erhebliche Bedrohungsszenarien.

Fokus internationale Internetgiganten auf Displayvermarktung

Das zunehmende Engagement der Internet-Giganten Google und Facebook bei der Display-Vermarktung zeigt die Attraktivität dieses Marktsegments. In diesem Jahr soll ihr Marktanteil am US-Displaymarkt schon mehr als ein Drittel betragen, 2012 bereits mehr als 40 Prozent. Damit wächst ihr Anteil schneller als der alleranderen Wettbewerber – auch und insbesondere der Verlage.

Um ihre Marktmacht im digitalen Werbemarkt weiter auszubauen,besetzen diese Giga-Unternehmen mit ihren gefüllten Kassen zunehmend strategische Schlüsselpositionen in der digitalen Wertschöpfungskette. So summieren sich z.B. die Google- Unternehmenskäufe für den Ad-Server-Anbieter Doubleclick, das mobile Vermarktungsnetzwerk Admob, die Demand-Side- Plattform invite media sowie des Video-Angebots YouTube auf ein Transaktionsvolumen von knapp 5,5 Milliarden US-Dollar.

Der Appetit der Giga-Unternehmen macht auch vor dem dynamisch wachsenden deutschen Werbemarkt nicht Halt. Perspektivisch könnten US-amerikanische Marktanteilsverhältnisse drohen. Eine Skillnet-Prognose zeigt, dass bis 2014 Google und Facebook in einem wachsenden Displaymarkt überproportional zulegen könnten und bis zu 50 Prozent Marktanteil erreichen bei gleichzeitig schrumpfendem Marktanteil für Verlagsund andere Vermarkter, deren Umsätze sich bei Ausbleiben von Gegenmaßnahmen nur unterproportional positiv entwickeln würden.

Margendruck durch Inventarinflation, neue Marktteilnehmer und Technologien

Wenngleich die Ausgangsbedingungen für deutsche Verlagsvermarkter im Vergleich zu USA noch günstig sind, kann auch im deutschen Markt seit 2008 ein deutlicher Verfall des Tausenderkontaktpreises beobachtet werden. Preissteigerungen spielen sich nur noch im Segment der Videowerbung, großformatiger Werbung und Sonderwerbeformen ab. Je nach angebotenem Inventar löst darüber hinaus die performance-basierte Abrechnung das klassische TKP-Preismodell in Teilen ab.

Doch nicht nur der Druck auf der Angebotsseite belastet. Die Attraktivität des Geschäfts hat eine Vielzahl neuer Spieler angelockt. Der digitale Werbemarkt ist zunehmend fragmentiert und komplex geworden. Die Fragmentierung der Wertschöpfungskette durch neue Marktteilnehmer (z.B. Ad Exchanges, Demandund Sell-Side-Plattformen) hat die Margen für Vermarkter und Publisher in den USA laut IAB bereits auf circa 30 Prozent gedrückt – und der Druck steigt weiter.

Außerdem werden die Werbungtreibenden durch den Einsatz fremder und die Entwicklung eigener Targeting-Technologien zur Inventarveredelung zunehmend unabhängiger von der Buchung klassischer Werbeumfelder. Bis 2014 soll nach IAB in den USA eine massive Verlagerung von Umfeld-Vermarktung zu Targeting stattgefunden haben – Targeting soll von 30 Prozent Buchungsanteil auf 50 Prozent steigen, während Umfeld-Vermarktung von 70 Prozent auf 50 Prozent im gleichen Zeitraum sinken soll.

Eine weitere Herausforderung liegt in der zunehmenden Automatisierung des Online-Vermarktungsgeschäfts. In Deutschland beginnt die digitale Werbebranche gerade erst, sich intensiver mit Echtzeit-Auktionen im Display-Handel zu befassen. 2010 haben US-Dienstleister wie Admeld, Rubicon Project oder Appnexus in Deutschland beziehungsweise in Europa Niederlassungen eröffnet. Sollte sich Real Time Bidding auch im deutschen Markt durchsetzen, führt dies zu einer Granularisierung des Display- Geschäfts, Paketpreise zerfallen in Bestandteile. Während Gegner den drohenden Preisverfall ins Feld führen, setzen Befürworter Umsatz- und Margensteigerungspotenziale für beteiligte Marktpartner entgegen.

Wenn sich diese US-Entwicklungen in Deutschland wiederholen sollten, drohen den deutschen Online-Premium-Vermarktern erhebliche Margen- und Umsatzrückgänge.

Allianzen als Antwort deutscher Premium-Vermarkter

In den USA haben jüngst vier führende Medienhäuser (The New York Times Company, Hearst Corporation, Gannett und Tribune) die Vermarktung ihres B- und C-Inventars in einem Joint-Venture organisiert. Unter dem Namen „Quadrant One“ wird eine eigeneprivate Ad Exchange betrieben. Der Vorteil für die Verlage an diesem Gemeinschaftsunternehmen ist, dass sie kritische Inventarmasse aufbauen und gleichzeitig die Vermarktungs- und Preishoheit über ihr Inventar halten können. Alternativ hätten die vier US-Medienhäuser ihr Inventar an Dritt-Exchanges geben können, allerdings unter Verlust der Vermarktungshoheit. Ob letztere in so einem Fall jemals wiederzugewinnen wäre, ist fraglich.

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen sollten auch im deutschen digitalen Werbemarkt verschiedene Szenarien für Allianzen der Premium-Vermarkter entwickelt und geprüft werden (vorbehaltlich kartellrechtlicher Prüfung und Billigung). Diese könnten von der Realisierung von Synergie- Effekten durch gemeinsame Operations im Back Office Bereich (z. B. Adserver, Targeting-Technologie, Automatisierung) bis hin zu exklusiven Vermarktungsallianzen für Mid-/Long-Tail Inventar bei gemeinsamer Nutzung von Technologien und Vermarktungsstrukturen reichen.

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