dpa: Zeitschriftenverleger: Müssen mit der Einstellung von Titeln rechnen
Zeitschriftenverleger in Deutschland dringen auf eine rasche staatliche Förderung von Pressehäusern. „Wenn jetzt noch lange gewartet wird, dann haben wir in Deutschland eine andere, ärmere Presselandschaft, weil viele redaktionelle Angebote es nicht schaffen werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, der Deutschen Presse-Agentur.
Eine staatliche Förderung von Zeitungs- und Zeitschriftenhäusern war bereits in der vergangenen Legislaturperiode der schwarz-roten Koalition geplant. Es wurden mehrere Optionen für Millionenhilfen geprüft. Am Ende zog man das Vorhaben aber wieder zurück.
Verlage fordern unter anderem deshalb staatliche Hilfen, weil die Auflagen von gedruckten Presseprodukten seit vielen Jahren rückläufig sind. Sie verweisen auf gestiegene Kosten bei der Zustellung gerade in ländlicheren Gebieten. Es soll sichergestellt werden, dass gedruckte Presse weiterhin überall verfügbar ist.
Im Ampel-Koalitionsvertrag steht nun: „Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind.“
Scherzer betonte, Grundvoraussetzung sei, Zeitschriften und Zeitungen diskriminierungsfrei zu fördern. „Wir bekommen Signale aus der Politik, dass daran gearbeitet wird, aber die Förderung ist gerade jetzt eine Frage der Umsetzungsgeschwindigkeit.“ Er warb für eine Diskussion im ersten Quartal und dann für eine sofortige Umsetzung.
Zu Jahresbeginn hatte sich der Präsident des Zeitungsverlegerverbands BDZV, Mathias Döpfner, optimistisch zu staatlichen Impulsen geäußert. Einen Punkt hob er dabei hervor: „Allen voran die Finanzierung unserer Zustellungsstrukturen, die nach Jahren der bei diesem Thema spürbaren Lethargie endlich einer kraftvollen politischen Gestaltung bedarf.“ Döpfner, der auch Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Axel Springer ist, hatte hinzugefügt: „Nach ersten Gesprächen, die ich hierzu mit Vertretern der neuen Regierung geführt habe, bin ich optimistischer denn je.“
VDZ-Hauptgeschäftsführer Scherzer sagte auf die Frage, wie eine Presseförderung aussehen könnte: „Es muss ordnungspolitisch ganz klar sein.“ Deshalb sei eine Trennung von Zeitungen und Zeitschriften nicht möglich. Die Fördermaßstäbe müssten neutral und objektiv sein. „Sie dürfen sich nicht von redaktionellen Inhalten ableiten, es muss alle betreffen - von Zeitschriften, konfessionellen, Fach- und Publikumstiteln bis Tageszeitungen.“ Gut handhabbar sei der Maßstab der zugestellten Exemplare, so wie bereits 2020 vorgesehen. „Bei Zeitschriften gerade mit kleinen Auflagen könnte man einen Aufschlagfaktor haben und bei den Tageszeitungen im ländlichen Gebiet ebenso“, ergänzte Scherzer.
Zeitschriftenhäuser sind nach Verbandsangaben inmitten der digitalen Transformation wegen mehrerer Faktoren besorgt. Scherzer sagte: Papier habe sich im vergangenen Jahr um bis zu 100 Prozent verteuert und sei so knapp, dass das Erscheinen von Titeln in den kommenden Monaten nicht mehr gesichert sei. Er führte steigende Energiekosten an, die für Transport und Druckereien relevant seien. „Auch die Zustellkosten der Post werden weiter steigen, wegen Lohnzahlungen,
die wieder deutlich oberhalb des Mindestlohns liegen werden.“
Ein weiterer Aspekt in der Corona-Pandemie: „Im Handel gibt es jetzt schon die Sorge - weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Corona infiziert sind, dass Geschäfte geschlossen werden könnten. Und wir sehen umgekehrt, dass die Leserinnen und Leser coronabedingt nicht mehr in hoher Frequenz zum Einkaufen gehen.“ Der Absatz sei auch deshalb rückläufig.
Sollte sich die Situation für die Verlage nicht ändern, prognostizierte Scherzer: „Wir müssen in diesem und in den nächsten Jahren mit zahlreichen Titeleinstellungen rechnen, vor allem von kleineren und mittleren Fachzeitschriften, Publikumstitel und auch Titeln der konfessionellen Presse. Wir reden nicht nur über Einstellungen der gedruckten Zeitschrift, sondern der gesamten Marke.“ Das bedeute, ganze redaktionelle Angebote würden verschwinden.