"Es gibt ein klares Ziel: Europa"
Vor dreieinhalb Jahren haben auf dem Maidan viele junge Menschen, die Europaflagge schwenkend, ihr Bekenntnis zu der großartigen Idee eines Paneuropa abgelegt – nicht wenige haben ihr Engagement und ihren Idealismus dabei mit dem Leben bezahlen müssen. Sie fühlten sich von einer besseren Zukunft anzogen, genauso wie diejenigen gleichen Alters vor vielen Jahrzehnten die Schrecken der Vergangenheit hinter sich lassen wollten, als sie die Schlagbäume niederrissen. Auch in den west- und mitteleuropäischen Staaten wächst mittlerweile wieder das Bewusstsein, welch enormes Geschenk ein friedliches und geeintes Europa bedeutet. Davon zeugen die jüngsten Bewegungen auf der Straße, in der Publizistik und in den sozialen Medien.
Auch die Ukraine erhielt mit ihrer Unabhängigkeit vor rund 26 Jahren ein großes Geschenk. Mit der Unabhängigkeit verbunden war der Traum von Frieden und Freiheit und von einem besseren Leben. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Hinzugekommen ist jedoch die bittere Erkenntnis, dass es ein beschwerlicher Weg ist, bis dieser Traum Realität wird. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hatte unser Volk Rückschläge unterschiedlicher Natur zu verkraften: Gegner unserer Unabhängigkeit und des demokratischen Gemeinwesens im Innern, Feinde unserer territorialen Integrität im Äußeren – und fast genauso fatal: fehlende Verbündete, Skeptiker und Gleichgültige in weiten Teilen der Staatengemeinschaft.
Nicht immer waren das Volk und die Regierung daran unschuldig, wenn ihr Weg außerhalb der Ukraine kritisch beäugt wurde. Aber meine Landsleute haben ein großes Potenzial; sie sind politisch reifer geworden, sie haben ein klares Ziel vor Augen; sie sind bereit, dafür hart zu arbeiten.
Die Ukraine auf dem Weg nach Europa
Die Anziehungskraft von Frieden und Freiheit, die Anziehungskraft Europas ist ungebrochen: Ich lebe in der Ukraine und möchte mit meinem Land ein Teil der EU sein. Mit großem Dank sehe ich das Engagement vieler Politiker, die diesen Traum unterstützen. Sie schaffen speziell für meine Ukraine den so wichtigen Rückenwind aus Brüssel auf unserem Weg zu einer EU-Vollmitgliedschaft in hoffentlich absehbarer Zeit. Das Assoziierungsabkommen von 2014 war in diesem Kontext für uns ein historischer Moment, ein Schritt näher Richtung Europa.
Die Ukraine gehört zu Europa, muss aber auch ihren Beitrag leisten, um in der Werte-, Wirtschafts- und politischen Union einen festen Platz erhalten zu können. In Kiew kämpfe ich derzeit für Transparenz, gegen Korruption und für den Aufbau einer Zivilgesellschaft. Wir schaffen deshalb eine moderne, transparente Verwaltung, die effizient ihre Aufgaben zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger löst; wir investieren in eine zukunftsfähige kommunale Infrastruktur, setzen auf Bildung in neuen Kindergärten und Schulen; wir verbessern das Gesundheitswesen, um angemessene soziale Standards für alle zu schaffen; wir nutzen die Vorzüge, die die Digitalisierung bringen kann, um Verwaltungsvorgänge schlanker zu gestalten. Vor allem wollen wir den Menschen das Gefühl geben, in einer liebenswerten Stadt, in einem lebenswerten Land zu wohnen. Dazu unternehmen wir alle Anstrengungen, den Restaurierungsstau der vergangenen Jahrzehnte aufzulösen, denn Lebensqualität zeigt sich auch und vor allem in einem intakten Stadtbild.
Unterstützung für Stabilität in Europa
Dies ist alles ist ein mühsamer und langwieriger Prozess; die Kraft für diesen Prozess muss und wird das Volk aufbringen. Aber ohne Unterstützung geht es nicht. Deshalb sind wir dankbar für jeden Journalisten, jeden Politiker und jeden Unternehmenslenker, die uns auf diesem Weg fördern, unterstützen und kritisch begleiten. Sie alle lade ich herzlich ein, zu berichten, Abkommen zu schließen und zu investieren – für das Wohl und die Zukunft der Ukraine; und damit auch für ein weiteres Stück Stabilität in Europa.
Jedem, der den Gedanken an die große Idee des geeinten Europas wachhält, muss man zu Dank verpflichtet sein. In diesem Sinne danke ich auch dem VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger: Er zeichnet jedes Jahr eine Persönlichkeit, ein Unternehmen oder eine Institution mit der Goldenen Victoria aus – für ihre Verdienste um die europäische Idee. Hinter den unterschiedlichen Erfolgsstorys der Preisträger der letzten Jahre verbergen sich oft Geschichten von Mühsal, Entbehrungen und Rückschlägen. Von den Staatspräsidenten der baltischen Staaten über das Land Portugal bis hin zum EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz legen alle Ausgezeichneten der letzen Jahre nicht nur ein beredtes Zeugnis ab, welche Vielfalt Europa auszeichnet – sondern auch, welche Anstrengungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten nötig waren und sind, um Europa nach zwei verhängnisvollen Kriegen auf den richtigen Weg zu führen und dort zu halten.
Europa ist ein Erfolgsmodell, das sich durch Einheit in Vielfalt begründet; es ist eine Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht zu Ende geschrieben ist. Wir wollen gemeinsam mit den anderen Völkern Europas weiter an ihr schreiben. Dafür freuen wir uns über Ihre Unterstützung!
-- erschienen im VDZ Kompendium 2017 --