„Ohne öffentliche Debatte keine freie Gesellschaft“
Medien sorgen für Debatten. Das ist gut so und unverzichtbar in unserer Gesellschaft. In Zeiten immer schnellerer Nachrichtenvermittlung und dem Kampf um Quoten und Abonnenten ist gerade die Debatte – ruhig, fundiert und sachlich geführt – umso wichtiger. Im 21. Jahrhundert haben daher Zeitschriften und Zeitungen ihren Auftrag und ihre Aufgabe nicht verloren. Digitalisierung ist notwendig, Print jedoch unverzichtbar. Denn auch das gilt für die Debatte in den Medien: sie sieht im Netz anders aus als im gedruckten Wort. Beide Zweige einer digitalen und gedruckten Debattenkultur sind wichtig. Fernsehen und Radio erweitern das Spektrum.
Zeitschriften haben Zukunft
Selbstverständlich prägen das Internet und die digitale Revolution nicht nur unsere Art der Kommunikation, des Austauschs, der Information, sondern auch unsere ganze Lebenswelt. Ich bin positiv erstaunt, wenn mir die Fachleute und Verleger sagen, dass es die Zeitschrift auch in Zukunft geben wird. Wie viele und in welchem Format das sein wird, kann man nicht voraussagen. Aber die Zeitschrift zur Unterhaltung, Information, zu ästhetischen Fotostrecken und Texten, zum intellektuellen Diskurs bleibt bestehen und zeugt von der Vielfalt unserer Medienwelt, die manchmal im digitalen Dickicht kaum zu entziffern ist.
Ohne Medien keine freie Gesellschaft
So wie Medien für Debatten sorgen, kann es ohne öffentliche Debatten keine freie Gesellschaft geben. Bereits daraus wird deutlich, dass Medien für eine freie Gesellschaft ebenso unverzichtbar sind wie die öffentliche Debatte selbst. Allein beim Blick in einige andere europäische Staaten macht es mich unruhig, wie die Pressefreiheit und damit die Fähigkeit zu einer Debattenkultur eingeschränkt werden. Dieses hohe Freiheitsgut dürfen wir weder aufs Spiel setzen noch aufgeben. Vor allem müssen wir uns alle zu Wort melden, wenn die Presse- und Debattenfreiheit begrenzt, reglementiert oder gar einseitig staatlich kontrolliert werden.
Verlust von Maß und Mitte
Wir brauchen Medien und Öffentlichkeit und die ehrliche, faire und kritische Auseinandersetzung über verschiedene Ansichten. Denn nur so kann sich eine demokratische Gesellschaft weiterentwickeln. Sorge bereitet mir bisweilen die Entwicklung, wenn der Stil und die Qualitat der öffentlichen Auseinandersetzung leiden, besonders im Netz: Beleidigungen, Hetze, falsche Informationen, ja der Versuch einer Ideologisierung dadurch sorgen für einen gefährlichen Verlust von Maß und Mitte, Demut und Selbstdistanz. Oft werden journalistische Beitrage nicht mehr kritisch hinterfragt: aus "mutmaßlich" wird "er war es".
Kardinaltugenden als Fundament für Qualitätsjournalismus
Medienschaffende, Politik und Kirchen, ja alle zivilgesellschaftlichen Kräfte, müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung Grundlagen für die öffentliche Debatte bleiben. Kritisches Hinterfragen von Positionen und Beitragen ist ebenso notwendig wie eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Fragen unserer Zeit. Das macht Zeitungen und Zeitschriften so wertvoll, weil sie den berechtigten Anspruch erheben, gut recherchiert und mit breitem Meinungsplatz ausgestattet zu sein. Die Kurzlebigkeit von Internetbeitägen und Eintragen in sozialen Medien gehören auch zu unserer Öffentlichkeitskultur, sie dürfen aber nicht das alleinige Allheilmittel kommunikativer Offensive und Debatte sein. Da braucht es das Gegengewicht von Zeitung und Zeitschrift! In dieser Herausforderung ist der Journalismus in doppelter Weise gefordert: Sensibel für eigene Fehlbarkeit muss er sein „Qualitätsmanagement“ pflegen, trotz des Produktionsdrucks genug Zeit vorsehen für interne Reflexion, Supervision – mindestens in Form externer Blattkritik – und Diskussion mit Lesern, Zuhörern und Zuschauern. Kritische Selbstdistanz und Optimierungsbemühungen sind gefragt.
Bekenntnis zum Journalismus – gelegen oder ungelegen
Im historischen und im internationalen Maßstab hat Deutschland heute einen Qualitätsjournalismus, der sich sehen lassen kann und für gute Debatten in unserem Land sorgt. Ich baue auch in Zukunft auf Journalisten in Zeitungen und Zeitschriften, in Radio und Fernsehen und auch im Internet, die mit Leidenschaft, Augenmaß und Verantwortungsgefühl ihren Beitrag zur öffentlichen Debatte und damit der sozialen und politischen Kommunikation leisten – "sei es gelegen oder ungelegen", wie Paulus im Zweiten Brief an Timotheus betont. Als Kirche werden wir diesen Weg auch weiterhin kritisch-konstruktiv begleiten: durch unsere eigenen Medien, christliche Kolleginnen und Kollegen in Redaktionen und Verlagen, Einrichtungen journalistischer Aus- und Fortbildung, Medienexperten und Pressestellen. Und wir laden ein, uns neugierig und kritisch zu begleiten in dem Bemühen, die Geister zu prüfen und zu unterscheiden (1 Kor 12,10). Denn eine freie Gesellschaft braucht die öffentliche Debatte.
-- erschienen im VDZ Kompendium 2017 --