"Für die vielfältigste Zeitschriftenkultur der Welt"
PRINT&more | Was haben Sie heute schon gelesen?
DR. STEPHAN HOLTHOFF-PFÖRTNER | Ein paar Abschnitte im Brief des Paulus an die
Römer. Außerdem habe ich einen Blick in die führenden nationalen Tageszeitungen und in drei unserer Regionalzeitungen geworfen. Und dann habe ich noch die Titelgeschichte im neuen SPIEGEL gelesen…
Wie informieren Sie sich generell?
Meine wichtigsten Informationsquellen sind Zeitschriften und Zeitungen, ganz egal, ob Print oder digital. Fernsehen spielt kaum eine Rolle, Radio schon eher.
Welche Medien unterhalten Sie?
Ich entspanne am besten bei der Lektüre guter Texte – es ist gleich, ob ich sie in einem Buch, einer Zeitung oder einem Magazin lese.
Sie sind jetzt zwei Monate im Amt. Wie ist die Aufgabe für Sie?
Ich hätte mir einen einfacheren Start gewünscht – aber ich finde das Amt interessant und anregend. Es macht Spaß, mit dem VDZ-Team zusammenzuarbeiten, das hoch anerkannt die Interessen unserer Branche gegenüber Politik und Wirtschaft vertritt. Natürlich beschäftigt mich, lassen Sie mich es so sagen, im Moment die Kommunikation nach innen besonders. Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen Verlegern gesprochen. Auch das Gespräch mit den Kritikern ist mir wichtig, und ich werde den Dialog weiter suchen. Ich werbe dafür, dass wir uns ernsthaft zuhören, aufeinander zugehen und gemeinsam den Verbandskurs finden. Ich werbe für eine starke Gemeinschaft, weil das im Interesse der Sache, im Interesse aller ist. Wir haben große Herausforderungen. Ich habe mich immer als Kommunikator, Vermittler, Botschafter verstanden.
Was hat Sie dazu bewogen, als VDZ-Präsident zu kandidieren?
Ich will dazu beitragen, die einzigartige Zeitschriftenkultur zu erhalten, getragen von über 490 zumeist inhabergeführten, mittelständischen Verlagen. Mich treiben die Werte Freiheit, Vielfalt, Wettbewerb um. Die Beschneidung der bürgerlichen Freiheit beginnt immer bei der Pressefreiheit. In der Türkei erleben wir das gerade in bestürzender Weise. Wir leben in Deutschland in einer pluralen Gesellschaft, die ich genieße und auf die ich stolz bin. Ich hätte mir 1969, als ich die Schule verließ, nicht vorstellen können, dass ich im Jahr 2016 verpartnert sein würde und mit einem Adoptivsohn, seiner Frau und deren Kindern in einer Gesellschaft frei leben kann – und akzeptiert werde. Diese Gesellschaft müssen wir mit ganzer Kraft verteidigen. Wenn wir das nicht tun, werden Freiheitsrechte infrage gestellt und eingeschränkt. Ich bin öfter in Russland und erlebe die Gesellschaft dort als vom Staat abhängig. Dort könnte ich nicht leben, weil ich keine Luft hätte. Ich habe große Sorge, dass in Europa die bürgerlichen Freiheiten gefährdet sind. Wenn ich mich als Präsident des VDZ für den Erhalt fairer Rahmenbedingungen für Verlage und die Pressefreiheit einsetze, dann engagiere ich mich für die Grundlage freiheitlicher Gesellschaften – das beflügelt mich.
Was macht heute einen guten Verleger aus?
Verleger sind immer schon auch Unternehmer gewesen. Wir stehen für die Medien, die sich komplett selbst finanzieren, durch Anzeigen und vor allem durch den Leser – dieser Abstimmung im Abo und am Kiosk, dieser Abstimmung mit dem eigenen freiwillig geleisteten Geld stellen wir uns jeden Tag wieder neu. Wir sind aber mehr als nur Unternehmer, wir sind immer auch Träger besonderer Werte, die wir offensiv gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vertreten.
Meinen Sie damit vor allem die Presse- und Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz?
Nicht nur, ich meine – noch viel grundsätzlicher – die Aufgabe, eine Gesellschaft im Kommunikationszeitalter exklusiv, wahrhaft und sorgfältig zu informieren, für Partizipation, freie Meinungsbildung und Vermittlung zu sorgen – eine Aufgabe, die nicht nur den Publikumszeitschriften zu eigen ist, sondern auch den Fachmagazinen. Fachmagazine sind Lotsen für wirtschafts- und berufsrelevante Fachinformation – damit Eisbrecher und Ermöglicher für die gesamte Wirtschaft.
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen Politik und freier Presse?
Pressefreiheit setzt immer auch unternehmerische Freiheit voraus. Der freieste Journalist ist immer der, der von seinen Lesern lebt. Deshalb bin ich entschieden gegen weitere öffentlich finanzierte und damit auch mitbestimmte Medien. Die Antwort auf die Herausforderungen gerade der Digitalisierung können nicht öffentliche Auffanglösungen sein. Was wir brauchen, ist eine konsequentere Politik, die den Lippenbekenntnissen endlich mehr faire Wettbewerbsbedingungen folgen lässt. Mir ist es wichtig, einen noch intensiveren Dialog mit der Politik zu führen. Ganz zentral ist für mich der Zusammenhang zwischen wirtschaftlich frei agierenden Verlagen und Pressefreiheit. Das gehört untrennbar zusammen. Wissen Sie, ich glaube an unsere Branche und ihre Möglichkeiten. Ich will die einzigartige Zeitschriftenkultur erhalten, das Zusammenspiel von Großen und Kleinen, von Publikums-, Fach- und konfessioneller Presse in einem fairen Wettbewerbsumfeld. Das ist es, was Innovation ermöglicht. Ich bin davon überzeugt, dass es meiner Arbeit an der Spitze des VDZ hilft, dass ich nicht politikfern bin, sondern politische Prozesse und politische Persönlichkeiten aller Parteien kenne und selber als Inhaber Verantwortung trage.
Was ist Ihre Agenda für den Verband? Ist der VDZ modern genug?
Es gibt wohl kaum einen anderen Medienverband, der so modern und digital vorangeht wie der VDZ. Schon vor 15 Jahren ist er mit Verlegertouren ins Silicon Valley gefahren, seit nahezu zehn Jahren veranstaltet er die größte deutsche Digitalkonferenz. In ihm wirken rund 700 Experten aus den rund 490 Häusern mit und tragen ein einzigartiges Wissen zusammen, prägen die Branche und gestalten – ein wichtiger Schatz, den es zu erhalten gilt.
Wie sehen Sie die Branche?
Die Branche ist sehr agil, geht neue Wege und managt die Digitalisierung nun schon seit nahezu zwei Jahrzehnten, unternimmt viel. Gerade auch die mittelständischen Verlage entwickeln sich stetig weiter und investieren. Die Innovationsfähigkeit zeigt sich auch in den vielen Neugründungen, in den kleineren Start-up-Verlagen und Very-special-interest-Häusern, von denen viele auch als Mitglied in den VDZ drängen. Gerade auch die Fachpresse zeigt, wie Modernisierung geht. Sie wächst seit 2008 jedes Jahr um deutlich über zwei Prozent, sie steht für das Prinzip des lebenslangen Lernens und ist Bedingung für den Industriestandort Deutschland.
Welche Aufgaben muss die Branche wirtschaftlich lösen?
Wir haben so viele Leser wie noch nie, die digitalen Reichweiten der Marken sind sehr gut. Wir arbeiten immer stärker auch an der Monetarisierung. Es gibt nun ernsthafte Paid-Modelle bzw. Einführungen. Der Umsatz vom Leser ist das Ziel, und wir müssen zur Werbung, zu Native, zur E-Commerce-Einbindung auch Paid Content setzen.
Wo steht die FUNKE MEDIENGRUPPE heute?
Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. Wir haben in den vergangenen Jahren viel in Zeitschriften und Zeitungen investiert – weil wir der Überzeugung sind, dass das Zeitschriftengeschäft (und im Übrigen auch das Zeitungsgeschäft) quicklebendig ist. Und die Entwicklung der Jahre nach dem »Deal« mit Springer gibt uns recht. Wir haben uns bei der Entscheidung für die Übernahme von Zeitschriften und Zeitungen von Axel Springer natürlich auch für die Vorteile interessiert, die aus der Größe erwachsen. Größe wird im Zuge der Konsolidierung des Zeitschriften- und Zeitungsmarktes zweifellos ein wichtiges Kriterium sein, um am Markt zu bestehen. Aber es ging uns um mehr: Aus der Größe heraus kann eine neue Form der Zusammenarbeit entstehen. Daraus erwächst wiederum Wirtschaftlichkeit. Und wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die zwingende Voraussetzung für journalistische Unabhängigkeit. Sie wiederum ist die Voraussetzung für inhaltliche Qualität. Hier liegt der eigentliche Kern des sogenannten »Deals«.
Was ist Ihr Motto? Was treibt Sie an?
Freiheit ist ein hohes Gut, "freedom is not for free".
Das Interview führte Peter Klotzki.