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Preisstrategien, iPad-Apps, Markenbindung: 950 Medienmacher diskutierten den Stand der Dinge und feierten die Stärkung von Print

Moderator war Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy, hier mit dem Schweizer Verleger Michael Ringier (Ringier AG)

Schon in seinem Grußwort zum Auftakt der Veranstaltung setzte er den bestimmenden Ton für die Zeitschriftentage 2010: „Der depressive Gesichtsausdruck, den ich letztes Jahr noch hatte“, sagte VDZ-Präsident Hubert Burda, „er ist weg.“

Die alljährliche Zusammenkunft der deutschen Verleger auf Einladung des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger stand somit 2010 von Beginn an unter einem guten Stern. Unter dem Motto „Faszination Zeitschriften – Zukunft gemeinsam gestalten“ hatten sich die entscheidenden 950 Macher der Zeitschriftenbranche Ende November in Berlin getroffen. Zwei Tage lang widmeten sie sich dem Status Quo ihres Geschäfts und debattierten über neue Erlösmodelle, innovative Markenkonzepte und natürlich die Zukunft des Kerngeschäfts Print.

Gemäß Hubert Burdas Schlachtruf „Print is back“ wurde dann auch viel über Print diskutiert. Und in der Tat konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die verbale Feier von Print in den Diskussionsrunden und Vorträgen heuer mehr war als reine Lippenbekenntnisse. Es hatte etwas von einer Rückbesinnung, man wirkte erleichtert. Eigentlich sei Print ja nie weg gewesen, kommentierte Axel Springer-Vorstand Andreas Wiele, „nur das Selbstbewusstsein in die eigene Kraft“. Die Glaubwürdigkeit des Mediums sei unangefochten. „Ich halte Print langfristig nicht für zukunftsfähig“, beschied dagegen Andreas von Buchwaldt von der Medienberatungsfirma „OC&C Strategy Consultants“ knapp. Die Mediennutzungszeit stagniere, dazu komme der massive multimediale Wettbewerb, das sei das „Grunddilemma“ für Print. Man sehe die Tendenz schon mit Blick auf die App-Charts, so Buchwaldts These: Die Top-Applikationen kämen schließlich allesamt nicht aus Medienhäusern. Als eine Kernfrage für Verleger destillierte er daher die Entscheidu g, welche Produktlinie man mit welcher Kompetenz für welches Gerät und welche Plattform lancieren möchte. „Ohne Multiplattform geht es nicht mehr.“

„Wir müssen den Journalismus nicht neu erfinden. Wir müssen ihn nur neu organisieren“, entgegnete der Schweizer Verleger Michael Ringier. Ideen lieferten Chefredakteure und Verleger, sei es, dass man Hefte in Form von „Probebohrungen“ (Heise-Chef Alfons Schräder) auf den US-Mark exportiere, die verlagstypischen Kompetenzen an die gesellschaftlich veränderte Realität anpasse wie bei Klambts Frauentitel-Segment oder wie bei Karl-Heinz BonnysErfolgsmagazin „Landlust“ die fachliche Expertise des Hauses für eine bislang übersehene Zielgruppe einsetze. „Du musst Hefte machen, die aus Deinem Herzen kommen“, befand G+J-Verlagsgeschäftsführerin Julia Jäkel und erteilte der Strategie eine Abfuhr, per Marktforschung Zielgruppen für potenzielle Magazine „herauszupicken“. Eine nachhaltige Ära erfordere eben „nachhaltige Inhalte“, so Focus-Chefredakteur Wolfram Weimer.

Um die Qualität der Inhalte zu gewährleisten, sei das lange geforderte Leistungsschutzrecht unvermeidlich, darauf pochte VDZPräsident Burda. Es ermögliche den Verlagen, „dass unsere Inhalte fair bezahlt werden“. ‚Fair share‘ und ‚fair search‘ seien die Grundbedingungen, appellierte er in Richtung „Google“. Die „Umsonstkultur“, erklärte Staatssekretär Hans-Joachim Otto, Vorsitzender der FDP-Kommission für Internet und Medien, sei „kein zwingender Bestandteil fürs Fortbestehen der Demokratie“.

Auffällig war, dass die Diskussion über Paid Content „Ja“ oder „Nein“, die noch im vergangenen Jahr dominierte, einer anderen Debatte gewichen war: Es ging kaum noch darum, ob man für seine Onlineprodukte wie etwa die App-Ableger der hauseigenen Print-Titel Geld verlangt – es ging dieses Mal fast ausschließlich darum, wieviel. Die einen setzen auf Apps, die teurer sind als die Printversionen, die anderen auf Apps, die billiger sind, die dritten verkaufen die Produkte zum gleichen Preis – eine einheitliche Strategie gibt es nicht. „Wir wissen nicht, was der beste Preis ist“, bekannte Meredith-Mann John S. Zieser. Klar sei, dass man bei Druck und Versand sparen könne, wenn man nur zehn Prozent der Abos in App-Abos verwandle.

Mut machte Florian Bauer, Vorstand des Marktforschungsspezialisten Vocatus. Laut aktueller Studienergebnisse wisse man: „Der Leser kennt den Preis nicht, er interessiert ihn auch nicht.“ Hauptkündigungsgrund bei Abos sei der „Schmerz“, das Heft aus Zeitgründen nie vollends zu nutzen. Eine Erkenntnis, die für Verlage nicht nur hinsichtlich der Printtitel, sondern auch für ihre Apps interessant sein dürfte. Zumal es dem Leser laut GQMacher José Redondo-Vega egal sei, was er in welchem Medium lese.

Das iPad als „Baywatch-Gerät der Verlagsbranche“, wie Ringier es nannte, „erinnert weniger an einen Rettungsanker als an eine Märklineisenbahn“. Dass Tablet-Geräte mehr als Spielzeug sind, stand fest; man ahnte jedoch, dass der Fokus längst auf anderes gerichtet ist: Die nächsten Plattformen, auf die die Verlage setzen werden, sind Android-basierte Systeme und Web-TV. Dennoch: „Papier“, stellte Hubert Burda fest, „ist die schönste Oberfläche, die ich kenne.“ Und: „Jeder, der zum Kiosk geht, ist unser Freund“.

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