KI lässt kritisches Denken verkümmern
Die Verbreitung von Werkzeugen der künstlichen Intelligenz (KI) hat zahlreiche Aspekte des täglichen Lebens verändert, doch ihre Auswirkungen auf das kritische Denken sind noch nicht ausreichend erforscht. Michael Gerlich von der SBS Swiss Business School hat nun in einer Studie herausgefunden, dass die verstärkte Nutzung von KI etwa zur Erstellung von E-Mails und Angeboten, zur Recherche und für die Übersetzung von fremdsprachlichen Texten zulasten des kritischen Denkens geht. Als Hauptgrund für die Misere sieht er die kognitive Entlastung der Nutzer. Die Menschen verließen sich zunehmend auf diese KI-Tools, um die mentale Anstrengung zu reduzieren. Unter Verwendung eines gemischten Methodenansatzes wurden im Rahmen der Untersuchung Umfragen und Tiefeninterviews mit 666 Teilnehmern aus verschiedenen Altersgruppen und mit unterschiedlichem Bildungshintergrund durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante negative Korrelation zwischen der häufigen Nutzung von KI-Tools und den Fähigkeiten zum kritischen Denken.
Vor allem Jüngere gefährdet
Teilnehmer im Alter von 17 bis 25, die die Technologie in ihrem Privatleben eifrig nutzen, weisen der Studie zufolge eine höhere Abhängigkeit von KI-Tools und niedrigere Werte für kritisches Denken auf als ältere Teilnehmer. Da die Technologie sowohl sehr neu ist als auch schnell auf unvorhersehbare Weise angenommen wird, stellen sich Fragen zu langfristigen Folgen für kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösung bei längerer Dauer oder Umfang des kognitiven „Offloadings“. Das bedeutet die Verwendung körperlicher Handlungen, um die kognitiven Anforderungen einer Aufgabe zu reduzieren. Das alltägliche Gedächtnis stützt sich stark auf diese Praxis.
Höheres Bildungsniveau schützt User
Außerdem korreliert der Studie zufolge ein höherer Bildungsabschluss positiv mit den Fähigkeiten zum kritischen Denken, unabhängig von der Nutzung von KI. Diese Ergebnisse verdeutlichen die potenziellen kognitiven Kosten der Abhängigkeit von KI-Tools. Sie unterstreichen zudem die Notwendigkeit von bildungspolitischen Strategien, die eine kritische Auseinandersetzung mit KI-Technologien fördern, so der Studienautor. Schulen und Universitäten sollten Übungen zum kritischen Denken und zur Entwicklung metakognitiver Fähigkeiten in den Vordergrund stellen, um die Abhängigkeit von KI und die kognitiven Auswirkungen auszugleichen, so seine Empfehlung. Entwicklern von KI-Systemen rät Gerlich, kognitive Implikationen zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass ihre Tools ein gewisses Maß an Engagement fördern, anstatt sich passiv auf sie zu verlassen. Entscheidungsträger könnten zudem Programme zur Förderung der digitalen Kompetenz unterstützen, Einzelpersonen dazu auffordern, KI-Ergebnisse kritisch zu bewerten.
Weitere Informationen zur Studie „AI Tools in Society: Impacts on Cognitive Offloading and the Future of Critical Thinking“ findet man hier.
Quelle: pressetext.redaktion//SBS Swiss Business School