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Kleine Revolution fürs Zeitschriften-Regal

Print & Digital Vertrieb

Es sollte der Befreiungsschlag sein.

Kurz vor Weihnachten einigten sich der Axel Springer Verlag und der Verband der deutschen Grossisten auf einen Pilotabschluss. Mit dem Modell soll die Zukunft des Pressevertriebssystems gesichert werden, das in Europa als vorbildlich gilt, weil es jedem Verlag und damit jeder Zeitschrift einen gleichberechtigten Zugang zum Leser ermöglicht.

Bundesweit bringen mehr als siebzig Grossisten in ihrem Gebiet die Zeitschriften in die Regale. Sie müssen alle gleich behandeln, ob mächtige Verlage oder klamme Neugründungen dahinter stecken. Mit dem Pilotabschluss bekannte Springer sich klar zu diesem System, im Gegenzug räumten die Grossisten dem Verlag bessere Konditionen ein, die ihm künftig Millionen bringen können.

Aber der Pilot hat bisher nur wenige nachgezogen. Anderen Verlagen reichen die neuen Konditionen nicht. Und der Hamburger Bauer Verlag hat eine Generalattacke gestartet. Bauer hat den Bundesverband Presse-Grosso verklagt. Bauer zweifelt das Recht des Verbands an, auch in Zukunft für alle Grossisten die Konditionen mit den Verlagen auszuhandeln.

In dieser verfahrenen Situation will Manfred Braun für den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ eine Initiative starten, die das Vertriebssystem „optimieren soll“.

Braun ist nicht irgendwer: Er führt seit längerem den Bereich Zeitschriften der WAZ-Gruppe und ist seit März auch Verlagsgeschäftsführer des Konzerns. Faktisch will er das System retten, indem er es grundlegend ändert. Er kündigt gegenüber der Süddeutschen Zeitung an, dass er „erfahrene Vertriebsleute aus den Verlagen“ einladen werde, auch solche, die das System von früher kennen. Braun bringt eigene Vorstellungen mit. „Seit mehr als zwei Jahrzehnten schon finden wir keine Lösung für die zunehmenden Probleme dieses Systems. Es ist von der Anlage her richtig gedacht, aber es hat inzwischen große Schwächen. Da müssen wir etwas tun“, sagt er. Als Stärke des System preist er die Offenheit, auch die Schnelligkeit: „Sie können heute eine Zeitschrift gründen und haben sie dann innerhalb von 24 Stunden an maximal 120 000 Verkaufsstellen. Von so einem gleichberechtigten Zugang zu den Kunden können Hersteller aus anderen Branchen nur träumen.“

Doch Braun sieht auch den Reformbedarf: „Das gravierendste Problem ist der knappe Platz in den Regalen.“ Was nach einer Nebensache klingt, ist für viele Verlage entscheidend: Nur wenn ihre Magazine im Regal gut platziert sind, werden sie verkauft. Obwohl offiziell alle gleichberechtigt sind, kämpfen sie deshalb verbissen um die idealen Plätze.

Massiv versucht vor allem der Bauer-Verlag mit Kampagnen die Einzelhändler für seine Produkte zu gewinnen. Bauers Methoden haben die anderen Verlage massiv verärgert. Braun will die Verteilung im Regal neu regeln, ohne die Chancen für Newcomer und weniger auflagenstarke Zeitschriften zu sehr zu beschränken – das berührt die Gleichberechtigung. „Eine Lösung könnte neben den heute schon geregelten Mindestverkaufszahlen nach der Startphase darin liegen, dass wir über weitere Markteintritts- und auch Marktaustrittsregeln nachdenken“, meint Braun. Das könnte heißen: Wer keinen Erfolg hat, fliegt aus dem Regal. Eine Idee könnte sein, dass kleine Verlage mitentscheiden und mit besseren Konditionen gelockt werden. „Wir müssen künftig auch die Konditionen für die Grossisten anders berechnen, um mehr Gerechtigkeit in das System zu bringen“, sagt Braun. „Wir sollten uns systematisch mehr am Umsatz als am Absatz der Produkte orientieren, und es sollten auch stärker betriebswirtschaftliche Parameter wie Aufwand und Kosten einfließen.“ Solche Änderungen würden nicht nur Gewinner hervorbringen, für manche werde es Einbußen geben. „Das ist wohl ein revolutionärer Gedanke“, sagt Braun, aber anders lasse sich das System nicht erhalten. „Wir können es nicht nur wie ein Denkmal bewahren wollen, sondern müssen auf neue Entwicklungen reagieren.“ In den neuen Anlauf des VDZ will er auch den Verlag einbinden, der sich im Streit aus dem Verband zurückgezogen hat. „Ich würde mich freuen“, sagt Braun, „wenn auch Bauer wieder mitmachen würde.“

JENS SCHNEIDER, Süddeutsche Zeitung

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