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"Kluge Entscheidung"

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Verbandsgeschäftsführer Stephan Scherzer über Journalismus und Paid Content im ZEIT-Interview

DIE ZEIT: Herr Scherzer, die Financial Times Deutschland wird eingestellt. Wie schlecht geht es dem Journalismus in Deutschland?

Stephan Scherzer: Viel besser, als es die jüngsten Schlagzeilen nahelegen!

ZEIT: Aber Verlage haben ein Problem. Die Erlöse im Digitalen fließen nur spärlich. Gibt es Beispiele, an denen man sich orientieren kann?

Scherzer: Die britische Financial Times hat inzwischen mehr bezahlende Digital- als Printabonnementen: 301500, um genau zu sein. Die New York Times hat über 560000 Digitalabos - Tendenz weiter steigend. Der englische Verlag Future verkauft jeden Monat 27500 Tablet-Ausgaben seines Technikmagazins T3 . Es gibt gute Chancen, wenn man den Paid Content konsequent anpackt.

ZEIT: Englischsprachige Angebote haben es leichter, sie werden weltweit verstanden. Was können deutsche Verlage von ihnen lernen?

Scherzer: Menschen haben wenig Zeit und brauchen deshalb organisierte, einordnende, relevante Informationen. Sie vertrauen darauf, dass die New York Times ihnen das bietet, und zahlen dafür - egal, ob sie Print, Online oder auf dem Tablet lesen. Ich mag den Satz von Chris Jones, Chefredakteur National Geographic: A brand is a promise kept - eine starke Marke ist ein gehaltenes Versprechen.

ZEIT: Was macht Sie so sicher, dass auch die Deutschen Geld für Inhalte im Netz ausgeben?

Scherzer: Ein neue Studie von Allensbach hat ergeben, dass ein Drittel mehr Verbraucher als im Vorjahr bereit ist, für digitale journalistische Inhalte zu zahlen. Den Weg dorthin weist die New York Times, die im Übrigen nicht von Bezahlschranken oder Paywalls spricht…

ZEIT: Sondern?

Scherzer: … von gateways, also Einfahrten. Klingt viel positiver. Eine bestimmte Anzahl von Artikeln bekommen Online-Leser frei. Wenn sie mehr wollen, müssen sie durch eine kostenpflichtige Pforte gehen. Aber auch das ist kein Dogma. Ich hatte während des Hurrikans Sandy ein Treffen mit dem Paid-Content-Leiter der New York Times. Alle Inhalte waren an den Tagen frei zugänglich gemacht worden. Eine kluge Entscheidung.

ZEIT: Weil neue Leser die Marke schätzen lernen können?

Scherzer: Genau. Das richtige Geschäftsmodell zu finden ist ein Prozess nach dem Muster "Versuch und Irrtum". Den hat auch die New York Times durchlaufen. Es wird seit etwa 1997 mit Bezahlmodellen experimentiert - bis sie im Mai 2011 das heutige Modell einführte. ZEIT: Gibt es auch in Deutschland gelungene Beispiele? Scherzer: Die Verlage waren bisher noch zurückhaltend, aber das ändert sich gerade.

ZEIT: Hat die Branche etwas versäumt?


Scherzer: Wir brauchen dringend noch mehr Bewusstsein für die Bedeutung von Technologie, das Verständnis der digitalen Mechanik. Facebook erreicht mit knapp 4000 Mitarbeitern rund eine Milliarde Menschen - Technologie skaliert. Auch eine Diversifizierung des Geschäfts hilft, etwa die Investition in einen Online-Händler. Das schafft Know-how, von dem Verlage profitieren können.

Erschienen in "DIE ZEIT" vom 22.11.2012. Das Interview führte Alina Fichter

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