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„Ordnungspolitisches Monster“

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„Eine Reihe von Verlagen verdient wieder mehr Geld, wenn auch nicht unbedingt im klassischen verlegerischen Geschäft. Die Stimmung ist deutlich besser als vor einem Jahr….“

1. Herr Fürstner, wie ist die aktuelle Lage der deutschen Zeitschriftenverlage?

Die Reichweiten erhöhen sich in diesem Jahr, das Anzeigengeschäft hat sich stabili-siert, ist allerdings weit entfernt vom Niveau im Jahre 2008. Eine Reihe von Verlagen verdient wieder mehr Geld, wenn auch nicht unbedingt im klassischen verlegerischen Geschäft. Und über die Zahlen hinaus ist die Stimmung deutlich besser und die Freu-de am Aufbruch wesentlich stärker als vor einem Jahr.


2. Welche Gattungen gewinnen, welche verlieren?

Generell gilt, dass Segmentmarktführer eher gewinnen, Me-To Produkte und das Mit-telsegment eher verlieren. Erfolgreich sind derzeit vor allem Frauen-, Kinder- und Jugendzeitschriften. Der beste Beweis dafür ist, dass die Verlage wieder bereit sind, neue Zeitschriften auf den Markt zu bringen.


3. Haben Sie zuweilen Zweifel an der professionellen Kompetenz bei den Big Playern? Da kommt doch so ein Landwirtschaftsverlag aus Münster und landet mit dem Mo-natsheft „Landlust“ den Sensationserfolg der vergangenen Jahre.

Die Frage verstehe ich nicht. Landlust ist ein schöner Erfolg, der zeigt, welches Po-tential in Zeitschriften steckt. Aber Verlage aller Größenordnungen haben Erfolg, Denken Sie an Gruner + Jahr mit Neon, Klambt mit Grazia oder den OZ-Verlag mit Lena. 515 neue Magazine brachten die Verlage im Jahr 2009 heraus. Burda, Springer, Gruner + Jahr und Bauer haben von 2009 bis heute mindestens 22 Publikationen gelauncht


4. Die Zeitungsverlage haben eine Einkommensbalance aus 50 Prozent Vertrieb und 50 Prozent Anzeigen erreicht. Wie sieht es bei den Zeitschriften aus?

Bei Zeitschriften gibt es keinen Durchschnittswert, auch weil die Publikationen in ihrer Erlösstruktur zu unterschiedlich sind, zum Beispiel Lifestyle-Zeitschriften mit hohem Anzeigenaufkommen auf der einen und Programmzeitschriften oder die unterhaltende Frauenpresse auf der anderen Seite. Richtig ist gleichwohl, dass die Vertriebserlöse in Zeiten sinkender Anzeigenerlöse größere Bedeutung bekommen. Titel wie etwa der Spiegel finanzieren sich jetzt wieder zu mehr als der Hälfte aus dem Vertrieb und fahren nicht schlecht dabei. Im Verkaufspreis mancher Zeitschrift ist perspektivisch auch noch Luft nach oben.


5.  Die „New York Times“ meldet, dem Verlag sei es erstmals gelungen, die Verluste bei den Printanzeigen mit dem starken Anstieg der Online-Werbung auszugleichen. Ein amerikanisches Phänomen, das zum Vergleich mit Deutschland, mit den heimischen Printverlage auf keinen Fall taugt?

Dies ist natürlich auch die Hoffnung und Erwartung der deutschen Verlage. Aber eine vergleichbare Kompensation gibt es in Deutschland zumindest bei generell-interest-Titeln derzeit noch nicht. Eine seltene positive Ausnahme davon sind special-interest Titel im Computerbereich. Hier arbeiten die Verlage an der Aufgabe, crossmediale Angebote für die Werbewirtschaft anzubieten.


6. Wenn es um den Drei-Stufen-Test für die Netz-Portale von ARD und ZDF, dann sieht der VDZ rot. Präsident Hubert Burda sagt: „Das Ergebnis demonstriert klar, dass es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland bislang keine Grenze und kein Korrektiv gibt – weder formal, noch inhaltlich, noch politisch.“  Was genau müsste getan werden, um diese himmelschreiende Ungerechtigkeit wieder aus der Medienwelt zu schaffen?

Die Medienlandschaft befindet sich in einer nie dagewesenen Umbruchsituation. Die Digitalisierung ist der globale Trend, der hergebrachte Strukturen radikal verändert. Das gilt auch für Rundfunk und Presse. Die Presse hat einen grundgesetzlichen Auf-trag zu erfüllen, der auch unter erschwerten Finanzierungsbedingungen nicht ersetzbar ist. Deshalb müssen wir das öffentlich-rechtliche gebührenfinanzierte „Gewisser-maßen-Staatsfernsehen“ daran hindern, die für die Presse überlebensnotwendigen Online-Angebote risikofrei, weil gebührenfinanziert, zu besetzen. Wenn es hier nicht zu einer Verständigung kommt, werden am Ende die Gerichte entscheiden, wie Pres-sefreiheit gesichert werden kann.


7. Wie sehr bedrängen die Portale von ARD/ZDF die Portale der VDZ-Mitglieder
wirklich?

Die Portale etablieren zurzeit eine digitale gebührenfinanzierte Gratis-Presse, die in Zukunft beliebig ausgebaut werden kann. Da die private Presse, soll sie finanzierbar bleiben, künftig vermehrt auch digitale Ausgaben verkaufen muss, ist eine solche Gratis-Presse eine existenzielle Gefährdung der Zukunft freier Presse.


8.  Sucht der VDZ eigentlich einen Feind, ja Sündenbock, um von der eigenen Ratlosigkeit in Sachen Online-Zukunft abzulenken?

Weder der VDZ noch die Verlage sind ratlos sondern publizistisch auch im digitalen Umfeld erfolgreich. Allerdings ist die Verbreitung von Inhalten der Zeitungen und Zeit-schriften nicht nur auf dem Print-, sondern zugleich auch auf dem digitalen Weg äu-ßerst schwer zu finanzieren. Und eine öffentlich-rechtliche Gratis-Presse ist dabei ein ordnungspolitisches Monster.


9. Warum liebt die Politik die öffentlich-rechtlichen Sender mehr als die Zeitschriftenverleger?

 Es geht hier nicht um Liebe. Die Presse hat ihren Verfassungsauftrag zu erfüllen. Und die der Presse immanente Staatsferne ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht hin-reichend garantiert. Man wird den Eindruck nicht los, dass Radio und Fernsehen für die Politik hochwillkommene Machtinstrumente sind.


10.  Lässt die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz für Printprodukte bei den ermäßigten sieben Prozent?

In der absehbaren Zukunft sind nicht nur die Verleger aufs äußerste gefordert. Auch die Politik muss erkennen, dass die Rahmenbedingungen für den Erhalt freier Presse verbessert, nicht verschlechtert werden. Wir sind zuversichtlich, dass Bundesregie-rung und Bundestag dies ebenso sehen. Im Falle der Mehrwertsteuer bedeutet es, dass für digitale Artikel künftig nicht der volle Mehrwertsteuersatz, sondern eine er-mäßigter Satz von 7 Prozent erhoben werden soll, wie er schon seit langem für Print-Produkte gilt.

 

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