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"Paid Content als Mega-Trend"

Axel-Springer-Manager Michael Fischer im Interview in der aktuellen Horizont 34/2013: "Den Königsweg hat noch keiner gefunden"

Michael Fischer über die Lage des Abomarketings

Herr Fischer, am 3. und 4. September findet der 5. Dialogmarketing-Tag in Hamburg statt. Sie waren von Anfang an dabei und sind Sprecher der Arbeitsgruppe Abomarketing im VDZ – sind Sie zufrieden, wie sich die Veranstaltung entwickelt hat?

Absolut, der VDZ-Dialogmarketing-Tag hat sich als bedeutender Branchentreff etabliert, das zeigen auch die stetig steigenden Besucherzahlen. Vor fünf Jahren gab es viele Branchentreffs für den Einzelhandel was aus unserer Sicht aber fehlte, war eine zentrale Veranstaltung zum Thema Abomarketing. Ein Erfolgsrezept des Dialogmarketing-Tag ist,  dass wir von Anfang an intensiv evaluiert haben, welche Themen und Referenten gut ankommen, und das Programm entsprechend weiterentwickelten. Aus der Resonanz der Teilnehmer wissen wir, dass wir damit sehr gut liegen.

Ihre Veranstaltung hat eine stark internationale Note. Hinkt Deutschland in der Entwicklung Märkten wie den USA hinterher?

Nein, sicher nicht. Wir beobachten sehr genau, was vor allem in den USA, aber auch in anderen Märkten  passiert. Eine zentrale Erkenntnis dabei ist: Die anderen kochen auch nur mit Wasser. Es gibt aber sehr wohl interessante Entwicklungen, von denen wir hier in Deutschland lernen können. Wie zum Beispiel die "New York Times" den Transformationsprozess hinbekommt, ist schon bemerkenswert. Da lässt sich sicher einiges adaptieren. Und sich an einem erfolgreichen Player im Markt zu orientieren, kann ein richtiger Weg sein.

Die Verlagsbranche befindet sich in stürmischem Fahrwasser, in den vergangenen Wochen konnte man wieder besonders viele und besonders heftige Abgesänge auf Print lesen. Wie dramatisch ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Ich halte diese Abgesänge für völlig übertrieben, sie werden der Sache auch in keiner Weise gerecht. Andererseits wäre es aber lächerlich, wegdiskutieren zu wollen, dass die Auflagen rückläufig sind. Und natürlich wissen wir alle, dass man diese Rückgänge nicht endlos durch steigende Copypreise kompensieren kann. Was speziell unseren Bereich betrifft, lässt sich sagen, dass sich das Abogeschäft über fast alle Titel deutlich besser entwickelt als der Einzelverkauf. Das gilt für unsere Handelspartner im BMD, dem Bundesverband der Medien- und Dienstleistungshändler, und noch stärker für das klassische Verlagsabo.

Ist das Geschäft noch stark printlastig oder haben die meisten Neuabos heute eine stark digitale Komponente?

Da muss man stark nach Zielgruppen differenzieren. Bei Programmzeitschriften hat sich die Struktur des Geschäfts kaum verändert, hier funktionieren das klassische Printabo und Telefonmarketing nach wie vor gut. Bei technikorientierten Titeln spielen dagegen Online und crossmediale Angebote längst eine überragende Rolle. Insgesamt haben wir es mit einer starken Fragmentierung des Marktes zu tun. Das geht von Print Only, Digital Only, Print-Abos inklusive E-Paper und weiteren digitalen Angeboten bis hin zu Apps. Nicht zu vergessen Bundles mit Endgeräten und digitalem Content. Im Augenblick wird wahnsinnig viel ausprobiert. Ich glaube nicht, dass heute schon irgendjemand sagen kann, er habe den Königsweg gefunden. Der entscheidende Punkt für mich ist die grundsätzliche Übereinkunft, Content nicht mehr zu verschenken.

Springer ist Vorreiter in Sachen Paid Content. Ob und welche Bezahlmodelle Erfolg haben werden, ist nach wie vor völlig offen.

Paid Content ist ein absoluter Mega-Trend. Natürlich wäre es aus Sicht des VDZ gut, wenn sich viele Verlage für diesen Weg entscheiden, denn nur so kann man den Wandel hin zur Bezahlkultur im Internet erreichen. Bei Axel Springer machen wir gerade wirklich gute Erfahrungen. Die "Welt" hat inzwischen fast 50.000 Digital-Abos, auch die Entwicklung bei "Bild Plus" gibt uns Zuversicht, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich bin überzeugt: Wenn man hervorragende journalistische Inhalte bietet, sind die Menschen auch bereit, dafür zu bezahlen. Hilfreich für diesen Prozess ist es natürlich, einen Mehrwert zu liefern – zum Beispiel zusätzliche multimediale Inhalte oder wie bei "Bild Plus" mit Bundesliga-Bewegtbild. Die Verlage sind gefordert, in den nächsten Monaten entsprechende Strategien zu entwickeln und umzusetzen.

Was ist Ihr Eindruck, wenn Sie mit Ihren Vertriebskollegen sprechen: Ist es nach all den Diskussionen Common Sense, Bezahlmodelle etablieren zu müssen – oder überwiegt am Ende doch die Furcht, Traffic und damit auch Werbeeinnahmen zu verlieren?

Es gibt in der Branche eindeutig die Erkenntnis, auch im Digitalgeschäft Vertriebserlöse erzielen zu müssen, daran führt kein Weg vorbei. Ich sehe bei der Umsetzung noch viel Zurückhaltung, aber der Trend, Inhalte bezahlpflichtig zu machen, ist unverkennbar.

Was sind die wichtigsten Trends bei der Abo-Gewinnung? Ist Facebook der große Hoffnungsträger?

Natürlich nutzen wir im Abogeschäft auch Facebook – aber immer nur ergänzend. Der große Vorteil von Facebook besteht darin, sofort ein Feedback zu erhalten. Das ist ideal, wenn man Bundles oder neue Angebotsformen testen will. Es ist aber nicht so, dass traditionelle Vertriebswege massiv an Bedeutung verlieren. Wir nutzen sehr stringent performanceorientierte Online-Kanäle, aber auch weiterhin klassische Gewinnungswege wie Anzeigen, Beilagen oder Telefonmarketing. Nehmen Sie die "Hör zu": zwei Drittel der Auflage werden hier nach wie vor im klassischen BND-Vertrieb generiert. Ich sehe also nicht den einen großen Trend. Die richtige Strategie hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Zielgruppen Sie es bei den einzelnen Titeln zu tun haben.

Lassen Sie uns noch kurz über zwei Ärgernisse sprechen, die Ihre Branche seit Jahren beschäftigen, rechtliche Restriktionen und Billig-Abos.

In den Schnäppchenportalen sehe ich tatsächlich eine der größten Herausforderungen, vor denen unsere Branche nach wie vor steht. Wir haben es hier teilweise mit unseriöser Werbung zu tun und mit Rabatten von 50 bis 70 Prozent. Das zieht die ganze Branche nach unten und entwertet unsere Produkte. Wenn wir den Eindruck haben, dass bei solchen Angeboten Betrug im Spiel ist, versuchen wir auch gerichtlich dagegen vorzugehen. Wir hatten aber bereits mehrfach die Situation, dass die Staatsanwaltschaft solche Fälle wegen Geringfügigkeit eingestellt hat. Das ist etwas, was mich wirklich ärgert.

Nun sind ja auch die Verlage nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, mit teilweise absurd hohen Prämien Abos zu generieren.

Es gibt immer schwarze Schafe, keine Frage. Insgesamt aber führen der wirtschaftliche Druck und die sinkenden Haltbarkeiten von Abos dazu, dass nach meiner Beobachtung Zugaben und Prämien erkennbar zurückgefahren werden. Man kann heute einfach nicht mehr den zwei- oder dreifachen Wert eines Abos in eine Prämie stecken. Die Verlage agieren in diesem Bereich inzwischen sehr viel vernünftiger und zurückhaltender als noch vor ein paar Jahren.

Ein ewiges Thema sind auch die Restriktionen, die Ihnen der Gesetzgeber bei auferlegt. Die Verlags-Lobby stößt da schnell an ihre Grenzen.

Ich sehe das nicht so pessimistisch und finde, dass Verbände wie zum Beispiel VDZ und BDZV aber natürlich auch andere hier wirklich sehr konstruktiv und eng zusammenarbeiten. Natürlich leiden wir Verlage unter einer Vielzahl von rechtlichen Restriktionen. Unser Geschäft wird im nächsten Jahr noch einmal schwieriger, wenn der Zahlungsverkehr auf das sogenannte Sepa-Verfahren umgestellt wird. Wenn Sie sich aber daran erinnern, wie dieses Thema vor fünf Jahren diskutiert wurde und was davon Realität geworden ist, können wir wirklich zufrieden sein. Unsere Verbände haben hier eine sehr gute Arbeit geleistet und das Schlimmste verhindert.

Wie wichtig ist es für einen Verlag wie Axel Springer, sich in der Gremienarbeit des VDZ zu engagieren? Macht man das, weil es zum guten Ton gehört, oder bringt es wirklich etwas?

Wir engagieren uns aus tiefster Überzeugung sehr stark in den Verbänden. In vielen Projektgruppen, aber insbesondere auch in der Projektgruppe Abomarketing, pflegen wir einen sehr offenen und konstruktiven Austausch. Die Arbeit in den jeweiligen Projektgruppen ist sehr vielschichtig. Und natürlich ist auch der Austausch unter Kollegen hilfreich. Wenn ein Verlag mit einer Abomarketing-Maßnahme mal über das Ziel hinausschießt, ist es vernünftig, erst einmal das Gespräch zu suchen statt gleich die Gerichte anzurufen. Ich empfinde die Zusammenarbeit innerhalb des VDZ als sehr konstruktiv und hilfreich.

(Dieser Text ist in ähnlicher Form in der Horizont 34/2013 erschienen.)

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