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"Print versus Digital – Schlacht von gestern"

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Exklusiv-Interview mit W&V: Stephan Scherzer über digitale Trends, Paid Content und das Leistungsschutzrecht. Aber auch über Yahoo und Audi als Medienkonzerne und Bauers Kritik.

Jochen Kalka: Seit gut zwei Jahren sind Sie Chef des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger. Das klingt nach viel Papier. Ticken Sie da nicht manchmal zu digital?

Stephan Scherzer: Ich komme aus einem inhabergeführten Verlag (IDG, Anm. d. Red.), der immer den Leser und Werbetreibenden im Fokus hatte, weniger den Abspielkanal. Das Bild passt nicht mehr, Print versus Digital, das sind die Schlachten von gestern. Es zählen die Produkte, hervorragend gemachte journalistische Inhalte, die auf den für die jeweilige Zielgruppe richtigen Wegen die Leser und Kunden erreichen. Verlagsmanager und auch Unternehmer müssen sich im Übrigen mit Print, Web, Mobile und Social auskennen, um strategisch entscheiden zu können – das gilt auch für Verbandsvertreter.

Werden Sie von Ihren Mitgliedern ob Ihrer Digi-Denke kritisiert?

Schwarz-Weiß-Denken ist out. Gedruckte Magazine sind eine große Stärke der Verlage, die der VDZ selbstbewusst vertritt, und die neuen Geschäftsfelder entwickeln sich stetig. Der VDZ hat 440 Mitgliedsverlage – Tendenz steigend – mit breit aufgestellten B2B- und B2C-Geschäftsfeldern, einem insgesamt hervorragend positionierten Printgeschäft, zielgruppenspezifischen Fachkonferenzen und Entscheidermedien, starken Online- Auftritten, einem stetig wachsenden Transaktions- und E-Commerce-Geschäft. Deshalb spielt der VDZ die komplette Klaviatur und nicht nur die weißen Tasten.

Bauer Media scheinen Sie nicht überzeugt zu haben. Der Verlag ist ausgetreten und deren Chef Andreas Schoo attackiert Sie offen mit "Verbandskungelei" und "endlosen, ergebnislosen Sitzungen".

Wenn die Ergebnisse in der medienpolitischen Interessenvertretung, der Niederschlag unserer Positionen im Koalitionsvertrag und die Erfolge in Europa so positiv sind wie in den letzten zwei Jahren, der VDZ in Politik und Gesellschaft angesehen und respektiert wird und in allen Segmenten der Verbandsarbeit die Top-Leute unsere Branche mitarbeiten, um unsere Branche gemeinsam als Ganzes voranzubringen, finde ich, dass das gut sichtbare Ergebnisse sind. Im Übrigen macht Bauer selbst exzellentes Gattungsmarketing für unsere Branche, indem der Verlag sehr erfolgreich national und international Zeitschriften verlegt. Das finde ich gut. Ansonsten, Kritik spornt an, mit Ergebnisorientierung habe ich gar kein Problem und für endlose Sitzungen gar keine Zeit.

Wie sieht es mit dem Heiligen Gral Paid Content aus?

Magazine sind Paid Content in seiner bester Form. Die Leser in Deutschland geben monatlich 280 Millionen Euro dafür aus. Eine gute Kultur, um Online-Bezahlmodelle aufzusetzen. Die New York Times macht 100 Millionen Euro Umsatz und monetarisiert dabei rund 0,7 Prozent der globalen Reichweite. Bild+ meldete vor wenigen Wochen 152 000 Bezahl-Abonnenten. Es wird nicht mehr diskutiert, ob Paid Content sinnvoll ist, sondern welche Zielgruppen und Angebote mit welchem Konzept bespielt werden.

Und wie sieht das ideale Konzept dafür aus?

Es gibt keine "one-fits-all-Lösung", die Zeitschriftenwelt ist bunt, heterogen, mit vollkommen unterschiedlichen Zielgruppen. Gemeinsam ist einem aussichtsreichen Paid-Geschäftsmodell, dass es echten Mehrwert bietet wie Exklusivität, etwa bei Sportereignissen, einladend ist, also nicht in Kategorien von "paywall" agiert, dass es convenient ist, also genau zugeschnitten auf Interesse und Nutzungsgewohnheiten des Lesers, ihm Zeit spart, Arbeit abnimmt und guten Service liefert. Im Kern muss es die DNA der Zeitschriftenmarke tragen: unabhängig informieren, glaubwürdig orientieren, unterhalten, entspannen!

Gibt es da Learnings aus den USA? Dort ist ja Native Advertising das große Stichwort, gesponserte Information.

In den USA haben Umsätze vom Leser, also Kiosk und Abonnement, nie die Rolle wie bei uns gespielt. Der Großteil der Umsätze wurde und wird im Anzeigenbereich erwirtschaftet. Das galt für Print und setzt sich im Digitalen fort. Neben Mashable, Buzzfeed, dem Atlantic laufen Native-Ad-Kampagnen auch auf Twitter, Facebook, FourSquare, Tumblr oder Pinterest, das wird schnell übersehen. Das sind keine journalistischen Plattformen, die sich im Kern über Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit definieren. Auf den kleinen Bildschirmen der Smartphones – immer mehr User posten von hier in die sozialen Netzwerke – sind Native Ads eine der Antworten der Vermarkter. Ohne entsprechende Kennzeichnung lösen sich die Grenzen zwischen Werbung und Redaktion auf – die Folgen dürften jedem klar sein.

Yahoo sieht sich ja neuerdings als Medienkonzern. Auch Audi bringt Content ins Auto. Wären das Mitglieder für den VDZ?

Man kann eine Beliebigkeit und explosionsartige Ausdehnung des Begriffs Medienkonzern feststellen. Und in der Tat beobachten wir den Aufbau von eigenen Media-Strukturen bei klassischen Unternehmen, die alle als "Sender" auf den Markt der Aufmerksamkeit kommen wollen, oder die spannende Mutation vom Auto zum mobilen Kommunikationszentrum. Mit unabhängigem Journalismus hat das aber alles nichts zu tun. Umso mehr Gewicht hat deshalb der Begriff des Verlegens, mit dem sich ein intellektueller Anspruch verbindet, nicht nur als Unternehmer zu agieren, sondern eine hohe Bereitschaft zu haben, in Journalismus zu investieren, einen Journalismus, der im Überangebot der Absender filtert, sortiert und orientiert.

Im Anzeigengeschäft sind Sie 2013 ja noch ganz gut weggekommen, besser als von Ihnen ursprünglich prognostiziert.

Ja, die Zeitschriftenverleger haben sehr gut auf die Marktveränderungen reagiert. Erfolgreiche Titelneugründungen, Weiterentwicklung bestehender Marken, kontinuierlicher Umbau der Strukturen und Arbeitsabläufe sowie Ausbau digitaler Plattformen zeigen das. Der VDZ hat in seiner Trendumfrage im Februar 2013 einen Rückgang der Anzeigenumsätze von 1,8 Prozent prognostiziert. Mit knapp einem Prozent Rückgang zeigt sich der Markt nahezu stabil. Das motiviert für 2014.

Die TV-Vermarkter gehen ja ziemlich aggressiv gezielt Printkunden an. Wie wehren Sie sich dagegen?

In erster Linie müssen die Produkte überzeugen – dass sie das tun, hat man 2013 gesehen. Unterstützt wird diese Arbeit durch die Nachweise der besonderen Werbewirkung von Print insbesondere durch AIM, die Ergebnisse von Best4Planning und die starken Argumente der "Print wirkt!"-Kampagne. Die Zeitschriftenverleger stehen im Gattungsmarketing gut da. Ein Blick auf den seit 2011 sinkenden Konsum im linearen TV, mit rapide zurückgehender Nutzung bei den jüngeren Zielgruppen, die Diskussion über die Qualität der Inhalte und vor allem die Frage nach Nachhaltigkeit der Werbung im TV, zeigen, dass sich der Markt hier massiv ändert. TV steht ein disruptiver Prozess bevor.

Vorsicht, die TV-Branche spricht bei Ihnen von einem disruptiven Prozess. Wie wollen Sie etwa die Leser-Erosion aufhalten?

Durch lesernahe, marktgerechte Produkte. Die Zahl der neuen Titel ist nicht nur eine Auffanglösung, sondern auch eine Eroberungsstrategie. Titel wie Cover, 11 Freunde, Businesspunk, Landlust, Perfect Ink, Closer und andere finden neue Leser. Dazu kommt in vielen Fällen eine gut orchestrierte Digitalstrategie, inklusive redaktionellen Konzepten auf Twitter und Facebook. Die VDZ-Allensbach-Studie, präsentiert auf dem Publishers' Summit, hat deutlich gemacht, dass sich nicht alle bisherigen Leser für Zeitschriftentitel halten lassen, dass aber neue Leser genügend Potenzial haben, die Lücken zu kompensieren. Es gibt absolut kein Gattungsschicksal, sondern allenfalls eines der Segmente, und zwar in beide Richtungen.

Immerhin sprechen die Verlage inzwischen miteinander und investieren gemeinsam in Studien wie AIM oder Best4Planning. Aber reicht das, um gegen die TV-Allmacht anzukommen?

Zunächst einmal: Ja, die Offenheit für Kooperationen nimmt zu. Die enorme Konzentration bei den TV-Vermarktern, den Mediaagenturen, das Monopol von Google und die damit verbundenen Marktkräfte sind eine Herausforderung für die mittelständisch geprägte Verlagslandschaft. Die Regierungskoalition sieht dieses Thema und der VDZ unterstützt die Verlage auch hier.

Apropos Google. Wie stehen Sie heute zum Leistungsschutzrecht?

Das Leistungsschutzrecht hat den Verlagen das bis dahin fehlende Verfügungsrecht über eine wichtige Form der digitalen Vermarktung ihrer journalistischen Produkte verschafft. Über die Art und Weise der Wahrnehmung dieses Rechtes, etwa mit einer Verwertungsgesellschaft oder individuell, entscheidet jeder Rechteinhaber und damit jeder Verlag für sich. Wir gehen davon aus, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverleger trotz seines beschränkten Umfangs einen Beitrag zur Finanzierung der digitalen Presse leisten wird und den Verlagen eine stärkere Verhandlungsposition gibt. Politik und Recht dürfen sich damit aber nicht zufriedengeben. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger bleibt hinter den anderen Leistungsschutzrechten zurück.

Was sind die wichtigsten Themen des VDZ 2014?

Der VDZ widmet sich weiter mit Leidenschaft und Begeisterung dem Erhalt der freien Presse und den Interessen der Zeitschriftenverleger. Der Immaterialgüterschutz für Verlagsprodukte ist dabei nur ein Element des notwendigen Rechtsrahmens. EU-Datenschutzverordnung, Medienregulierung, Werbefreiheit, reduzierte Mehrwertsteuer auch für digitale Presseprodukte, die EU-Kartellklage gegen Google, Erhalt der Werbefreiheit, gerechte Unternehmensbesteuerung in Europa, um nur einige weitere Themen zu nennen.

Das Interview erschien in W&V | Nr. 4 | 20. Januar 2014.

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