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"Startups sind wie ein Motor – sie treiben die Branche an und halten sie in Bewegung"

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Interview mit Beate Borstelmann und Ray Min von eMediaSF, San Francisco - Mitorganisatoren des Digital Innovators' Summit

Beate Borstelmann und Ray Min, eMediaSF

Was macht emediaSF in San Francisco?
Wir beobachten digitale Entwicklungen im Medienmarkt und in verwandten Branchen in den USA und setzen unsere Beobachtungen und Kenntnisse auf mehreren Wegen um: Wir schreiben regelmäßige Berichte zu den Neuen Medien in den USA für die deutschen Medienverbände VDZ, BDZV und Deutsche Fachpresse. Wir organisieren "Online Publishers Touren" in die USA, damit sich die Mitglieder des VDZ, anderer Verbände oder auch einzelner Medienhäuser selber vor Ort ein Bild von dynamischen Unternehmen, neuen Geschäftsmodellen und Trends machen können. Wir sind zudem maßgeblich an der Programmgestaltung des Digital Innovators Summit, der jeden März in Berlin stattfindet, beteiligt. Und wir unterstützen einzelne Verlage und Medienhäuser bei ihren individuellen Fragestellungen in den USA, von Marktanalysen bis zur Suche passender Geschäftspartner.

Wie entwickelt sich der Medienmarkt in den USA?
Das ist eine komplexe Frage; es gibt keine wirklich einheitliche Richtung. Printmedien, allen voran Zeitungen, geht es bekanntermaßen allgemein eher schlecht. Bei Zeitschriften ist der Markt gemischter – viele haben weiterhin ihre Anhänger, doch wir sehen einen neuen Trend zu hochwertigen, teuren "High End" Nischenzeitschriften, die bis zu 20 Dollar pro Ausgabe kosten können.

Digital ist der Markt für News und Informationen nahezu unendlich fragmentiert, mit entsprechend viel Wettbewerb. Hier richtig erfolgreich zu sein ist nicht leicht. Und die hohen Margen aus den goldenen Zeiten des Print sind definitiv vorbei. Aber wer Konsumenten oder Fachnutzern wirklich interessante und nützliche oder unterhaltende Inhalte, oft in ausgewählten Nischen, bietet, in Formaten und auf Kanälen, die die Nutzer tatsächlich verwenden, kann hier rentabel agieren – wenn er auch auf der geschäftlichen Seite flexibel und innovativ ist. Mit reiner Werbung etwa lässt sich kaum Geld verdienen, aber mit Marketing Services und Custom Content beispielsweise schon. Auch mit Events und anderen Erlösströmen, die sich allesamt zu einem überlebensfähigen Einkommen addieren können. Wir sehen auch immer öfter Bezahlschranken, vor allem bei Zeitungssites, aber auch im Fachbereich. Wie sich diese längerfristig auszahlen ist allerdings noch nicht gesagt. Um ihre Erlösmöglichkeiten aufzustocken investieren viele Medienhäuser zusätzlich in Bereiche, die außerhalb ihres eigentlichen Kerngeschäfts liegen.

Welche Rolle spielen Startups in der amerikanischen Medienlandschaft?
Startups sind fast wie ein Motor – sie treiben die Branche an und halten sie in Bewegung. Dabei führen nur wenige zu großen, disruptiven Umwälzungen. Viele sind eher wie kleine Rädchen im Getriebe, von denen man gestern noch nicht wusste, dass man sie heute braucht: Sie ermöglichen ständig neue oder bessere Produkte und Services, bessere Abläufe und bieten oder erschließen neue Plattformen. Einerseits ist das toll, andererseits ist es für Medienhäuser aber auch gar nicht so einfach, immer am Ball zu bleiben und mit der Konkurrenz und auch den Erwartungen der Konsumenten mitzuhalten. Je agiler ein Unternehmen, desto einfacher kommt es mit den ständig neuen Chancen, aber auch Disruptionen zurecht.

Wie gerade erwähnt investieren amerikanische Medienhäuser derzeit gerne, und dabei vor allem in Startups, die ihnen direkt gute Dienste leisten können. Dies gilt zum Beispiel für die neuen Werbetechnologien. Diese Startups sollen den Medienhäusern helfen, Entwicklungen besser zu verfolgen und an ihnen teilzuhaben; oder sich hoffentlich als Finanzbeteiligung auszahlen – denn irgendwo muss das nächste Google oder Facebook ja stecken.

Last not least hilft die Nähe von Startups auch etablierten Unternehmen, innovativer zu denken und zu handeln und sich von der Energie anstecken zu lassen.

Ist San Francisco das Start up Capital of the World? Und woran liegt es, dass hier die Bedingungen für neue Unternehmungen so gut sind?
Da sind wir als Einwohner von San Francisco vielleicht etwas voreingenommen, aber wir denken auch ganz objektiv ist die Gegend hier – San Francisco und das angrenzende Silicon Valley – ganz sicher eine echte Hochburg für Startups.

Das liegt vor allem daran, dass sich ein ganzes "Ökosystem" entwickelt hat, das Fühlungsvorteile und auch ganz konkrete Unterstützung bietet. Dazu gehören große Technologieunternehmen wie HP, Apple und Google, deren Angestellte auch manchmal abspringen und selber Firmen gründen oder zu Startups gehen. Es gibt hier viele Venture Capitalists, die vielversprechende junge Unternehmen finanzieren und auch selber betreuen und beraten. Und es gibt Top-Unis inklusive Stanford und Berkeley sowie auch San Jose State mit seinen vielen jungen Informatikern und natürlich viel Networking der Leute von großen und kleinen Unternehmen untereinander. Dabei ist der Umgang ganz locker und unkompliziert; Starallüren hat fast niemand hier.
Dieses Ökosystem verstärkt sich auch selber und zieht viele begabte, intelligente, digital versierte und unternehmerische Leute aus der ganzen Welt an. Dazu kommt, dass die Leute dann auch alle hierbleiben wollen wenn sie einmal da sind, weil die Gegend hier so nett und multikulturell ist, kulinarisch viel bietet, ein angenehmes Klima hat etc.

Und es herrscht einfach eine ansteckende Stimmung, weil so viele um einen herum nicht nur blitzgescheit sondern auch innovativ sind, experimentieren, keine Angst vorm scheiten haben und immer die nächste Herausforderung suchen.  Selbst die, die es längst "geschafft" haben, setzen sich mit ihren Millionen oder Milliarden ja nicht zur Ruhe, sondern suchen die nächste Idee, starten das nächste Startup oder bleiben als Venture oder Angel Investors auf der Bühne.

Was können deutsche Fachmedien von amerikanischen Medienhäusern lernen?
Ein oft zitiertes Motto hier ist "fail fast and cheaply", also am besten schnell und billig scheitern. Sprich, man soll Mut haben, experimentieren und schnell und oft neue Ansätze ausprobieren, anstatt nichts zu wagen oder lange etwas vorzubereiten, damit es möglichst perfekt wird. Sonst werden Fehlschläge sehr teuer, und man hat viel Zeit verpasst, in der man schon das nächste Ding hätte ausprobieren können. Dies ist eine Haltung, die hier kein Klischee ist, sondern die vor allem in jungen, agilen Unternehmen und innovativeren Medienhäusern wirklich gelebt wird.

Noch einen Schritt weiter gehen Medienunternehmen, die keine Angst haben, sich womöglich selbst zu kannibalisieren, und die in „Disruptions“, also den wirklich umwälzenden Änderungen in der Branche, vor allem Chancen sehen, die sie mit offenen Armen begrüßen.  Dieses Ideal erfüllen aber auch hier längst nicht alle traditionellen Medienunternehmen. In Technologie investieren, Daten nutzen und Angebote auf einzelne Nutzer zuschneiden gehören zu den konkreteren Ansätzen, die empfehlenswert sein könnten.

Welche Chancen bieten amerikanische Startups für deutsche Medienhäuser? Wie kriegt man Einblick in die Startup-Szene an der West Coast?
Amerikanische Startups können zum einen konkrete Möglichkeiten wie Kooperation oder Investition bieten, aber vor allem auch Inspiration, Ideen und Motivation – von Räumlichkeiten, die Kreativität und Austausch fördern, bis zu neuen Geschäftsideen. Vor Ort erhält man natürlich den besten Einblick in die Startup-Szene, aber es kann ja nicht jeder wie Diekmann und Co. einfach hier seine Zelte aufschlagen. Ein praktikablerer Weg sind die US-Touren, die wir für den VDZ organisieren. Die nächste führt im September 2014 nach New York und San Francisco/Silicon Valley. Und im Mai 2014 veranstalten wir erstmals mit den Partnern des Digital Innovators Summit an der Westküste eine Tour und besuchen neben etablierten Unternehmen auch einige Startups.

Das Interview führte vor Ort in San Francisco Dr. Gunther Schunk, Vogel Business Media.

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