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"Verlegen hat mit Leidenschaft zu tun"

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Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ, hatte in seinem ersten Amtsjahr viele Baustellen zu begleiten: Die Vertikalisierung der Branche, die Veränderungen der Werbe - und Vertriebsmärkte, deren Einfluss auf die Erlösstrukturen uvm. Ein Blick auf das Zeitschriftenjahr 2012.

 - Interview erschienen im new business Magazin Nr.45, 05.11.12.

Dnv/nb: Der Bundestag hat beschlossen, Vereinbarungen zwischen Verbänden der Verlage und der Pressegroßhandlungen von den Einschränkungen des GWB auszunehmen. Dieses Gesetz hat der VDZ ausdrücklich gefordert. Was erwarten die Verlage bzw. der VDZ künftig von den Partnern im Pressegroßhandel?
 
Stephan Scherzer: Die freie Presse benötigt ein neutrales Vertriebssystem, dass Verlagen und Titeln jeder Größenordnung den Marktzugang ermöglicht. Diese Meinungs- und Produktvielfalt dient dem Leser und stützt die Pressefreiheit.

Die gesetzliche Verankerung der Möglichkeit freiwilliger Branchenvereinbarungen zwischen Verlagen und Grossisten über den Pressevertrieb ist deshalb sehr positiv. Natürlich, und dass möchte ich ganz besonders betonen, müssen die Grossisten ihr Dienstleistungsangebot unter den Gesichtspunkten Effizienz, Service und Qualität weiter optimieren. Dafür gibt es bereits Ansätze. Die Herausforderungen im Vertriebsmarkt und Handel müssen unternehmerisch adressiert werden.

dnv/nb: Die Veränderungen im Werbemarkt als Folge eines Umbruchs in der Marke-tingkommunikation/Umschichtung von Budgets sind wahrscheinlich irreversibel. In-zwischen erreichen aber auch die Rückgänge bei den Verkaufsauflagen bei vielen Titeln eine besorgniserregende Größenordnung. Welche strategischen Weichenstel-lungen sind nun in den Verlagen der Publikumszeitschriften notwendig, steht der Branche eine Rationalisierungswelle bevor?


Stephan Scherzer: Die Verschiebungen der Aufmerksamkeit und der Werbebudgets durch die Entwicklung der Digitalkanäle wird nicht plötzlich aufhören - das ist für die Verlage old News. Die Unternehmer sind schon lange mit der Neuaufstellung und dem Umbau ihrer Organisationen beschäftigt. Die Digtalisierung, Diversifizierung und Internationalisierung des Geschäfts erfordert Veränderungen in den Abläufen, Strukturen und bei den Anforderungen an Mitarbeiter und Management.

Der klassische Vertriebsmarkt wird nicht wachsen. Trotzdem möchte ich festhalten: Die Vertriebserlöse sind insgesamt fast stabil, die harten Verkäufe im Abo und Kiosk sind im Vergleich zum Vorjahr kaum zurückgegangen, und es sind so viele neue Titel gegründet worden wie seit Jahren nicht mehr. Es ist ein Fehler, die gesamte Printpalette über einen Kamm zu scheren. Wir befinden uns in einer Phase der Vertikalisierung und stärkeren Zuspitzung von Themen und Marken - diese Entwicklung macht es hochauflagigen Titeln nicht unbedingt leichter bietet aber für innovative Neuerscheinungen auch große Chancen.
 
dnv/nb: Ganz besonders bedroht erscheint das Segment der Jugendpresse. Die Ju-gendlichen befinden sich innerhalb ihrer Mediensozialisation eher im Modus „Sen-den“ über Social Media etc, denn auf „Empfangen“. Quo vadis Jugendpresse?

Stephan Scherzer: Der oberflächliche Blick auf einige Titel mag täuschen. Nach der aktuellen KidsVA-Studie sind bei Kindern und Jugendlichen Zeitschriften nach wie vor populär. 93 Prozent der 4- bis 13-Jährigen in Deutschland (6,99 Mio.) lesen mindestens ab und zu in ihrer Freizeit Zeitschriften. In der Gruppe der 10- bis 13-Jährigen sind es sogar 97 Prozent (3,10 Mio.).

Kindermagazine sind für die Kinder der Einstieg in die Welt des Lesens. Das Angebot ist dabei so groß wie nie zuvor Früher dominierten wenige Magazine den Markt, heute kämpfen knapp 200 Titel um die Aufmerksamkeit der jungen Leser. Um hier erfolgreich zu sein, bedarf es Innovationskraft und –freude für neue Titel und vor allem der Verlängerung in die anderen Medienkanäle. Kinder erwarten ihren Kosmos heute in allen Kanälen, im Web und als App. Und: Die Verleger flankieren die Nachwuchsförderung mit zahlreichen Projekten wie die Stiftung Lesen oder die Nationale Initiative Printmedien.

dnv/nb: Die populären Neuerscheinungen der vergangenen Jahre wirken auf den Pressehandel umsatzstimulierend – stellen Sie positive Abstrahleffekte auf die Zeit-schriftenbranche als solches fest?
 
Stephan Scherzer: Es macht offensichtlich nicht nur Freude, Zeitschriften zu lesen, sondern es ist nach wie vor attraktiv, neue zu gründen. In diesem Jahr gab es mehr als 100 Neugründungen von Periodika - nur 30 Titel mussten vom Markt genommen werden. Das ist eine deutlich bessere Quote als in der digitalen StartUp-Szene. Verlegen hat ausserdem mit Leidenschaft fürs Zeitschriftenmachen zu tun. Zu oft wird alles ausschließlich auf Umsatz und Rendite reduziert. Aus Interesse wird oft Schreibfreude, aus der Gründung von Titeln dann oft auch die Gründung eines eigenen Verlags. Die Mitgliederzahl des VDZ ist übrigens in diesem Jahr um drei Prozent gewachsen, gerade auch durch die Mitgliedschaft junger Verlage. Darin spiegelt sich auch die Relevanz der Branche wider.

dnv/nb: Viele Verlage nutzen inzwischen neue Publikationswege für ihre Magazine: Neben den schon länger bestehenden Websites, die inzwischen teilweise mit Bezahl-schranken versehen sind, sind dies vor allem Apps und E-Papers. Doch die finanziellen Resultate des Zeitschriftengeschäfts jenseits des bedruckten Papiers geben bislang im Allgemeinen wenig Anlass zur Euphorie. Woran liegt das, und was müssen die Verlage künftig (anders) machen, um in diesem Feld wirtschaftliche Erfolge zu erzielen?

Stephan Scherzer: In der Tat stehen den eindrucksvollen Online- und Mobile-Reichweiten unserer Titel noch keine entsprechenden Erlöse gegenüber. Gleichwohl haben in den vergangenen Monaten viele Verlagshäuser die Weichen für eine stärkere Monetarisierung gestellt. Bei den Tablet-Nutzern (iPad-Umfrage des VDZ) haben zwei Drittel der User Zeitschriftenapps abonniert, von denen wiederum zwei Drittel Bezahl-Apps sind.

dnv/nb: Inwiefern ist die Internationalisierung eine Perspektive für deutsche Zeit-schriftenverlage, welche Märkte versprechen Wachstum und langfristig gesicherte Renditen?
 
Stephan Scherzer:Das Auslandsgeschäft der Zeitschriftenverlage gewinnt an Bedeutung. Sowohl im Print- als auch im Digitalgeschäft werden die Umsätze wachsen, von 15,3 Prozent in diesem Jahr auf 17,3 Prozent im Jahr 2015. Im Digitalgeschäft wird eine Steigerung des anteiligen Auslandsumsatzes von 8,3 auf 13,8 Prozent erwartet. Vor allem für die Publikumszeitschriften spielt dieses Geschäft eine große Rolle. Die Verlage rechnen damit, dass sie ihren anteiligen Auslandsumsatz im Printgeschäft von aktuell 27 auf 30 Prozent im Jahr 2015 steigern werden. Im Digitalgeschäft erwarten sie im gleichen Zeitraum eine Zunahme von 17 auf 24 Prozent.
 
dnv/nb: Welches Potenzial sehen Sie für Verlage in den Bereichen Content Marketing / Content Syndication / Digital Content?
 
Stephan Scherzer: Die Verlage wachsen erfolgreich in den digitalen Geschäftsfeldern. Content, Commerce und Communities gehören auf allen online und mobilen Kanälen dazu. Der Geschäftsbereich Digital steuert mittlerweile bei vielen Häusern einen zweistelligen Prozentsatz zum Umsatz und Gewinn bei. Die Verlage stellen sich deshalb geschäftlich und organisatorisch breiter auf und Qualifikation und Spezialisierung nehmen zu. Damit steigen die Anforderungen an das Management.
 
dnv/nb: Die Digitalisierung der Zeitschriftenbranche bedarf neuer Manpower – IT- Spezialisten sind gefragt. Inwiefern kann der VDZ hier unterstützend wirken?
 
Stephan Scherzer: Die Arbeitsprozesse werden technischer und vernetzter. Die Basis für die Weiterentwicklung des klassischen Geschäfts und den Ausbau der neuen Geschäftsfelder ist dabei das Wissen um die Technologien und deren effizienter Einsatz. Hier sind Experten ebenso wichtig wie gesucht. Der war for talents tobt, und deswegen hat der VDZ diese Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt, nicht zuletzt mit einem Fachpanel auf dem bevorstehenden Publishers` Summit.

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