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Von der Freiheit der digitalen Presse

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Pressefreiheit in Zeiten von Apple, Facebook, Google & Co.

Rechtsanwalt Dr. Martin Soppe, stv. Leiter Bereich Recht, Gruner+Jahr Vorsitzender VDZ-Rechtsausschuss

Apple, Facebook, Google und andere – wohl noch nie waren deutsche Verlage bei der Verbreitung ihrer Produkte und Inhalte so eng in Berührung mit marktstarken US-amerikanischen Unternehmen wie heute. Dabei sind die von diesen Technologiegiganten gebotenen Möglichkeiten, Leser auf digitalen Wegen zu erreichen, geradezu fantastisch: Wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, dass (auch) Zeitungs- und Zeitschriftenartikel nahezu in Echtzeit veröffentlicht und verbreitet werden können? Wer hätte mit so benutzerfreundlichen Hilfsprogrammen gerechnet, wie es sie in Form der Apps mittlerweile für nahezu alle Lebenslagen gibt? Darüber, dass die deutschen Verlage diese rasant expandierenden Möglichkeiten nutzen sollten, ist bereits viel gesprochen worden.

Schutz der Presse ist ein hohes Gut

Ebenso klar ist aber auch, dass die Presse dieses technische Potential in ernsthafter Form nur – im Wortsinne – gebrauchen kann, wenn ihre historisch errungenen Freiheiten auch dort geschützt bleiben. Dass die gesamte Tätigkeit der Presse, von der Recherche über die Herstellung bis zum Vertrieb grundrechtlich geschützt ist, ist ein hohes Gut. Dass diese Freiheit ihre Grenzen erst in den schützenswerten Rechten anderer findet, nicht minder. Und dass eine Zensur nicht stattfinden darf, erscheint uns in Deutschland mittlerweile fast als Selbstverständlichkeit.

Dabei richteten sich die Freiheitsrechte der Presse traditionell in erster Linie gegen den Staat, weil dieser in früheren Zeiten die stärksten und effektivsten Möglichkeiten hatte, ihm nicht genehme Publikationen zu unterbinden. Mittlerweile ist freilich juristisches Allgemeingut, dass auch Private nicht ohne weiteres in die Freiheit der Presse eingreifen dürfen. So wäre es selbstverständlich unzulässig, wenn die Post in allen ihr zur Auslieferung übergebenen Exemplaren einer Zeitschriftenausgabe einen ihr missliebigen Artikel schwärzen und nur so verunstaltete Exemplare den Abonnenten zustellen würde. Entsprechend rechtswidrig wäre es, wenn ein Spediteur aus allen von ihm transportierten Heften eine missliebige Werbebeilage, zum Beispiel für einen Konkurrenten, entfernen würde. Aber auch in weniger offensichtlichen Fällen sind Eingriffe Privater in die Freiheit der Presse verboten: Bereits in den 1960er Jahren stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass es unzulässig ist, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftlichen Druck auszuschalten. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein marktstarker Verlag den Pressehändlern gedroht, seine Geschäftsbeziehungen zu ihnen abzubrechen, wenn sie die Hamburger Wochenzeitung Blinkfüer weiter vertreiben würden; diesen wirtschaftlichen Boykottaufruf ließ das Gericht nicht zu.

Übertragung des Schutzes auf die neuen Technologien

Diese Erkenntnisse in die Welt der neuen Technologien zu übertragen, wird eine der Voraussetzungen sein, um die Pressefreiheit auch im digitalen Zeitalter zu erhalten. Dabei scheinen staatliche Eingriffe derzeit weniger zu besorgen als Verletzungen der Pressefreiheit durch Private. Denn es ist nicht akzeptabel, wenn rechtlich zulässige Inhalte in Apps kurzerhand gesperrt werden, weil sie mit den sittlichen Vorstellungen des App-Shop- Betreibers nicht übereinstimmen. Dies erinnert allzu sehr an die Schwärzung eines Artikels durch die ausliefernde Post. Und es ist auch nicht hinzunehmen, wenn, wie Verlage immer wieder beklagen, bestimmte Suchbegriffe für das Auffinden von Internetangeboten, sogenannte Adwords, ankündigungslos gesperrt werden, obwohl Rechte Dritter diesen nicht entgegenstehen, sondern dem Suchmaschinenbetreiber lediglich das beworbene Angebot anrüchig erscheint. Hier scheint eine Parallele zur Entfernung von Beilagen aus den gedruckten Exemplaren auf.

Zwar müssen die Verlage akzeptieren, dass sie sich bei der Nutzung der globalen, neuen, vornehmlich US-amerikanisch geprägten Technologien nicht mehr nur im Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes bewegen, in dem über die letzten Jahrzehnte ein gemeinsames grundsätzliches Verständnis dessen gewachsen ist, was rechtlich zulässig ist. Andererseits dürfen einseitige Vorstellungen von Mitarbeitern des Technologiebetreibers darüber, wie viel Haut ein Covermodel zeigen darf, nicht zur sofortigen Sperrung derartiger Seiten führen, so lange die anwendbaren rechtlichen Grenzen eingehalten sind. Gleiches gilt für die Frage, ob bestimmte Adwords oder die damit beworbenen Angebote anrüchig oder dubios erscheinen, so lange weder Wettbewerbs- noch Markenrecht noch sonstige Vorschriften deren Nutzung entgegen stehen. Dass die im Einzelfall angelegten Maßstäbe wenig konsistent erscheinen und entsprechende Entscheidungen für die Verlage deshalb kaum vorhersehbar sind, macht das Problem zudem nicht kleiner, sondern größer.

Von der Sperr ung zur Zensur nur ein kleiner Schritt

Rechtlich erscheint die Einflussnahme auf die Verlagsinhalte aus Sicht des Technologiebetreibers auch geradezu widersinnig: Denn für fremde Inhalte wird grundsätzlich nicht gehaftet. Mit dem Maß der inhaltlichen Einflussnahme steigt indes das Risiko, dass die Inhalte dem Technologiebetreiber zugerechnet werden. Denn immerhin zeigt ja die Zensur, dass dieser die betroffene Publikation vorab geprüft und zumindest in der zensierten Form freigegeben hat. Hat er sie sich damit zu Eigen gemacht, so dass sie für ihn nicht mehr „fremd“ ist? Zumindest wird er nicht mehr sagen können, er hätte sie nicht gekannt und könne deshalb nicht verantwortlich sein. Zensur, um sich sittlich nicht angreifbar zu machen, kann deshalb dazu führen, dass der Technologiebetreiber rechtlich angreifbar wird.

Ungeachtet dieser juristisch-taktischen Erwägungen muss freilich gelten, dass die Freiheit der Verlage, den Redaktions- und Anzeigenteil ihrer Publikationen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, unantastbar ist, so lange die rechtlich verbindlichen Regeln eingehalten sind. Das Argument, es gehe hier doch allenfalls um publizistisch belanglose Einzelfälle, darf kein Gehör finden: Rechtlich spielt es von vornherein keine Rolle, weil die Pressefreiheit dem Verlag die Entscheidung überlässt, was er publizieren will. Und von geschmäcklerisch bedingten Sperrungen zu ernsthafter Zensur missliebiger Meinungen ist es nur ein kleiner Schritt, wenn nicht mehr gilt, dass Eingriffe in die Presseinhalte generell tabu sind.

In diesem Sinne gilt:
Schützt auch die Freiheit der digitalen Presse!

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