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"Wir leben in einer transmedialen Welt, in der nicht eine Plattform die andere ablöst, sondern diese sich ergänzen"

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Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ im Interview mit promedia

promedia: Aus den Zeitschriftenverlagen hört man geringeres Klagen über die Schwierigkeiten des digitalen Wandels als bei anderen klassischen Medien. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die wirtschaftliche Situation der Zeitungsverlage.

Stephan Scherzer:
Verlage nehmen den Wandel unternehmerisch voll an. Unsere aktuelle Trendumfrage unter Zeitschriftenverlagshäusern bestätigt, dass die Verlage die transmedialen Möglichkeiten als Chancen bewerten und nutzen. Die neuen Abspielmöglichkeiten auf den mobilen Geräten, vor allem Tabletts und Smartphones, sind gerade für die Präsentation von Zeitschrifteninhalten ideal. Die Stärken der Zeitschriften zeigen sich sehr erfolgreich auch auf den mobilen Plattformen: starke Wort-, Bildsprache, opulente Grafiken und zusätzlich Videoinhalte. Diese Möglichkeiten führen nicht zuletzt dazu, dass insbesondere die digitalen Reichweiten der Zeitschriften sich weit vor die der konkurrierenden Mediengattungen geschoben haben.

promedia: Wenn 56 Prozent der Verlage die Investitionen in digitale Produkte steigern wollen, bedeutet das weniger Investitionen in Printprodukte und damit ein zunehmender Be-deutungsrückgang der Printprodukte?


Stephan Scherzer: Ganz und gar nicht. Wir leben in einer transmedialen Welt, in der nicht eine Plattform die andere ablöst, sondern diese sich ergänzen. Die Verlagshäuser entwickeln selbstverständlich viele neue digitale Angebote, die die Printmarken ergänzen, daneben aber auch ganz eigenständige neue digitale. Umgekehrt gehen zunehmend zunächst digitale Magazine, sogar TV-Formate dann „auf Print“ und erweitern bzw. vervollständigen ihr Angebot mit gut gemachten klassischen Magazinen. Der stärkste Indikator für die Stärke und das Selbstbewusstsein von Print ist die Fortsetzung des Neugründungstrends. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wuchs die Anzahl der Publikumszeitschriften wiederum um 22 auf jetzt 1.542 Titel, was ein historischer Höchststand ist und um 45 Prozent über der Zahl von 1997 liegt. Besser als durch jede Absichtserklärung zeigen die  Neugründungen die Stärke und das Selbstbewusstsein von Print.

promedia: 63 Prozent der Verlage rechnen sich die größten Chancen für Wachstum bei digitalen Angeboten für ausgewählte Zielgruppen und Themen aus. Wir wird sich diese digitale Diversifikationsstrategie auf die gedruckten Produkte auswirken?

Stephan Scherzer: Es gibt ja keinen festen Kuchen, der zwischen Print und digital aufgeteilt wird, sondern es geht um Wachstum, in dem digitaler Zuwachs Print ergänzt, nicht verdrängt. Es geht darum, mit guten Inhalten die passenden Plattformen zu bespielen. Dazu passt ein weiterer Trend neben dem der Print-Neugründungen – die Ergänzung bislang digitaler Titel und TV-Formate durch klassische gedruckte Magazine. Verlage nutzen alle verfügbaren Medienkanäle und steigern damit den Markenwert ihrer Produkte. Print ist eine hervorragende Basis für digitale Expansion.

promedia: Wird es bei diesen neuen digitalen Produkten vor allem um Paid-Angebote gehen?

Stephan Scherzer: Noch nie wurden in Deutschland so viele Zeitschriften-Inhalte gelesen wie heute. Dies hat seinen Grund seinen Grund vor allem in der großen digitalen Nachfrage nach unseren Inhalten, deutlich vor allen anderen klassischen Mediengattungen. Dieser Reichweite kann und wird nun auch eine stärkere Monetarisierung folgen, und dabei sind die Angebote für Smartphones und Tablets entscheidende Treiber für Paid Content aber auch für Transaktionserlöse und eCommerce-Umsätze. Die Nutzer mobiler Plattformen sind mit 20 Prozent nach einer aktuellen ACTA-Studie (Institut für Demoskopie Allensbach) wesentlich bereiter, für Inhalte zu zahlen, als dies im stationären Internet der Fall war. Nach unserer Trendumfrage geht die Hälfte der befragten Verlagshäuser davon aus, dass Bezahlmodelle für journalistische Inhalte relevante Erlöse erzielen können. Die Häuser werden je nach Marke und Zielgruppe die richtige Mischung zwischen Paid, Freemium und Free finden. Werbung, E-Commerce und Transaktionsgeschäft werden ebenfalls eine sehr wichtige Rolle spielen.

promedia: Warum werden trotz der wachsenden Bedeutung der Online-Angebote Neugründungen weiterhin fast ausschließlich als Print-Produkte gestartet?

Stephan Scherzer: Das ist insbesondere bei den Fach-Verlagshäusern nicht mehr zutreffend, von denen sich viele längst zu spezialisierten und hoch nutzwertigen Informations- und Kommunikationsdienstleistern entwickelt haben, die neue Angebote im Social Business (On- und Offline-Konferenzen), datenbankgestützt oder digital launchen.

promedia: Worauf führen Sie zurück, dass die Online-Angebote und Mobile-Angebote der Publikumszeitschriften eine höhere Reichweite erreichen als jede andere Mediengattung?

Stephan Scherzer: Die journalistischen Inhalte, der Nutzwert und die Unterhaltungskraft der Zeitschrifteninhalte sprechen die Zielgruppen auf allen Kanälen an und arbeiten eben auch in den digitalen Medien hervorragend. Dazu kommen, wie schon oben dargestellt, die digitalen Präsentationsmöglichkeiten dem Nutzungscharakter von Magazinen sehr entgegen.

promedia: Die Brutto-Werbeumsätze sind 2012 leicht zurückgegangen, trotz neuer Titel, einer wachsenden Online-Reichweite und einer Zunahme der Abos. Warum sind Zeitschriften dennoch für die Werbewirtschaft weniger attraktiv als vor einigen Jahren?

Stephan Scherzer: Nein, an der Werbeleistung liegt das nicht. Print schafft nachweislich den größten Werbewirkungszuwachs aller Medien pro Kontakt, Print wirkt intensiv, weil die Leser für journalistische Substanz persönlich zahlen und ihre Zeitschrift mehrfach zur Hand nehmen. Print wirkt präzise, weil es in exakt definierten Zielgruppen schnell große Reichweiten aufbaut und Klicks generiert. Und Print wirkt nachhaltig, weil Werbung in Zeitschriften stabile Depoteffekte erzeugt, glaubwürdig ist und einen hohen Return on Investment bringt (sehr gut belegt in den aktuellen AIM– (AdImpactMonitor) Ergebnissen). Die Leser und die werbende Wirtschaft haben durch die digitalen Medien mehr Abspielkanäle als früher zur Verfügung und verteilen Zeit und  Budgets dementsprechend – beispielsweise auch in den Ausbau der eigenen Markenkommunikation via Facebook, Youtube etc.. Die Ursachen für Rückgänge sind aber auch struktureller Natur. In dem immer härteren Wettbewerb um die Budgets der Anzeigenkunden treten monopolistische Infrastrukturanbieter und wenige stark konzentrierte Wettbewerber im TV-Bereich einer – im Sinne der Pressefreiheit und Vielfalt wichtigen - Vielzahl von Verlagshäusern gegenüber.

promedia: Das heißt doch aber auch, dass die Zunahme der Online-Werbung die Rückgänge bei der Printwerbung nicht ausgleichen kann. Wie wollen die Verlage das kompensieren?

Stephan Scherzer:
Nur auf die online-Werbung zu schauen, ist zu eng gedacht. Die Verlagshäuser sind im digitalen Geschäft breiter aufgestellt -  inklusive Transaktions- und E-Commerce-Geschäfte, sowie im Social Business (On-/Off-Line-Konferenzen), für das sie nach unserer Trendumfrage in diesem Jahr mit einem Zuwachs von 13 Prozent rechnen. Die Geschäftsmodelle sind deutlich vielfältiger als in der Vergangenheit und werden stetig und konsequent weiterentwickelt.

promedia: Wie sehen Sie die Chancen, dass die Verlage kurz- und mittelfristig aus dem Leistungsschutzrecht auch einen finanziellen Nutzen ziehen?

Stephan Scherzer: Die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage ist eine herausragende und richtungsweisende Entscheidung, weil es die  Leistungen der Verlage erstmals grundsätzlich anerkennt und rechtlich schützt. Es ist ein Zeichen gegen die weltweit populistischen Wünsche und Technologieeuphorie, die das geistige Eigentum der Kreativen im Netz weiter schwächen wollen. Ob und wie ein Verlag sein Recht nutzt, steht wie bei den meisten Rechten, in seinem Belieben, ist also Entscheidung der Unternehmer. Prognosen zum Umfang der Nutzung können wir nicht abgeben.

promedia: Sie fordern, dass die EU-Kommission konsequent gegen den Versuch von Google vorgeht, sein Quasi-Suchmonopol dazu zu nutzen, eigene Angebote gegenüber vergleichbaren Wettbewerber-Angeboten zu bevorzugen. Inwieweit sind digitale Angebote der Zeitschriftenverlage davon überhaupt betroffen?

Stephan Scherzer: Wenn Google Portale zu Reisen, Finanzen, Kino oder beliebigen anderen Themen der Publikums- oder Fachpresse betreibt, ist die Monopolsuchmaschine sowohl Wettbewerber der entsprechenden Zeitschriftenverlegerangebote als auch infolge seines Monopols Herrscher über die Entscheidung, ob das eigene oder das Verlagsangebot den Suchenden erreicht. Es ist in einer freien Marktwirtschaft selbstverständlich, dass ein solches Monopol nicht missbraucht werden darf und deshalb die Suche keinesfalls fremde Angebote diskriminieren darf. Vor allem aber beschränken sich der Wettbewerb und die Gefahr des Missbrauchs des Monopols nicht auf das Verhältnis zwischen vertikalen Portalen, die ihrerseits Drittangebote übernehmen. Google zeigt in der allgemeinen Suche auch Ergebnisse aus Verticals an, und zwar häufig aus eigenen Verticals (bspw. News) vor den Ergebnissen aus den Quellen (Drittangeboten). Es ist für Google besser, wenn es an erster Stelle ein eigenes Vertical stellt und den User zu diesem Google-Angebot lenkt, als wenn an erster Stelle das entsprechende Verlagsportal oder ein anderes Angebot zeigt. Das Wettbewerbsverhältnis ist evident. Wiederum ist klar, dass ein Monopolist hier nicht willkürlich eigene Angebote sichtbar und Drittangebote unsichtbar machen darf.

promedia: Gehen Sie wirklich davon aus, dass Google seine Algorithmen offen legt und hier einer Regulierung zustimmt?

Stephan Scherzer:
Die Frage ist nicht, ob Google einem Verzicht auf die Ausnutzung seiner Macht zustimmt. Welcher Monopolist hätte das jemals getan, solange nicht die Kartellbehörden wirklich konsequent vorgegangen sind? Die Frage ist, ob das EU-Wettbewerbsrecht den Missbrauch eines Suchmonopols durch willkürliche Platzierung eigener Angebote auf den besten Plätzen und Benachteiligung von Drittangeboten erlaubt oder nicht. Und ob die amtierende EU-Kommission das EU-Wettbewerbsrecht durchsetzen will. Wenn das EU-Wettbewerbsrecht im Interesse von Verbrauchern und freiem Wettbewerb einen Missbrauch untersagt, folgt daraus ein Verbot der Besserbehandlung eigener und der Schlechterbehandlung von Drittangeboten durch einen Suchmaschinenmonopolisten. Diese Vorgabe zur Gleichbehandlung kann sehr gut eingefordert und durchgesetzt werden. Erinnern Sie sich an den Microsoft-Browser-Case. Unzählige Beobachter und schlaue Medien haben lange Zeit im Einklang mit Microsoft behauptet, man könne Browser und Windows nicht entkoppeln. Als die EU-Kommission dann Ernst machte, gab es ganz plötzlich sehr gute Maßnahmen zu Abhilfe. Allerdings steigt die Sorge, dass die EU-Kommission sich mit völlig unzureichenden Abhilfen zufrieden geben könnte. Das gilt etwa für die bloße Kennzeichnung der willkürlich bevorzugten Google-eigenen Angebote. Wenn die Drittangebote weiter willkürlich verdrängt werden dürfen, ja die EU-Kommission eine solche Wettbewerbsverzerrung amtlich legitimiert, versagt sie bei einer der wichtigsten Grundsatzentscheidungen über die Aufrechterhaltung fairen Wettbewerbs im digitalen Europa.

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