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Eröffnungsrede VDZ-Präsident Dr. Rudolf Thiemann beim Publishers' Summit

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- es gilt das gesprochene Wort - 

Dr. Rudolf Thiemann eröffnet als neu gewählter VDZ Präsident mit einem Appell an die Politik (Foto: Ole Bader/Sandwichpicker für VDZ)

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Grütters, 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 

sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! 

Herzlich Willkommen hier in Berlin zu unserem jährlichen Branchentreffen. In gewisser Weise hat das schon gestern begonnen. Gestern hat mich die Delegiertenversammlung zum neuen Präsidenten der Deutschen Zeitschriftenverleger im VDZ gewählt.  

What you see is what you get. 

Ich danke für Ihr Vertrauen. Ich habe die Wahl sehr gerne angenommen. Nicht nur weil sie mit so einer großen Zustimmung stattgefunden hat, sondern auch, weil das Amt des VDZ –Präsidenten eine besonders reizvolle Aufgabe ist.  Zeitschriften nämlich sind Kulturgut. Auch deshalb freuen wir uns ganz besonders darüber, dass die Staatsministerin für Kultur und Medien den Weg zu uns gefunden hat. Herzlichen Dank, Frau Prof. Grütters, dass Sie sich gerade jetzt die Zeit genommen haben. 

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger ist gut aufgestellt. 

Das heißt: seinen Mitgliedern verpflichtet, indem Haupt- und Ehrenamtliche sich den aktuellen verlagswirtschaftlichen und politischen Themen ebenso widmen wie den Themen, die schon sichtbar vor uns liegen. Ihnen allen, in den Landesverbänden oder hier in Berlin, gilt unser Dank. 

Bereits vor 15 Jahren lud der VDZ zu Verlegerreisen ins Silicon Valley ein, vor 10 Jahren schon startete er den Digital Innovators' Summit. Das Thema Pressefreiheit spielt seit Jahren eine immer größere Rolle auf der Agenda des VDZ. Nicht nur vor dem Hintergrund demokratischer Defizite selbst in EU-Staaten oder solchen, die dabei sein wollen, sondern auch vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Wandels der Medienlandschaft durch die fortschreitende Digitalisierung. 

Wie kaum ein anderer Verband mobilisiert der VDZ seine Mitglieder. Über 350 engagierte Verleger und Verlagsmanager bringen sich mit ihrem Wissen und Know-How ein – eine Schatzkammer der deutschen Verlagswirtschaft.

Wir leben von der Geschlossenheit unserer Mitglieder, vom Vertrauen und dem Willen zur Zusammenarbeit und Solidarität. Das ist kein Selbstzweck, sondern die beste und günstigste Voraussetzung, um unsere Ziele zu erreichen. 

Die Silicon Valley – Giganten, die großen Agenturnetzwerke, private und öffentliche rechtliche Sender, die Politik in Berlin und Brüssel sollten den Willen aller Verlage spüren, sich geschlossen für Branchenziele und faire Wettbewerbsbedingungen einzusetzen. 

Unter dem Dach des VDZ vereinen sich Publikumszeitschriften, Fach- und konfessionelle Zeitschriften. Traditionell verbinden wir damit Printmedien, die es in dieser Art schon lange gibt, und zwar lange bevor irgendjemand die Begriffe Internet und Digitalisierung, geschweige denn Disruption kannte.  

In der Vergangenheit hat es häufig genug apokalyptische Visionen zur Entwicklung von Print gegeben. Übertreibungen helfen niemals weiter. Besser ist es, sich ein Bild zu machen von den Zuständen, wie sie sind. Tatsache ist, dass sich die Werbemärkte zugunsten des Internets (bestimmter Unternehmen, dazu später) verschoben haben. Tatsache ist, dass Vertriebserlöse gegenüber den Erlösen aus Werbung ein größeres Gewicht erlangt haben. Tatsache ist auch, dass die meisten unserer Mitgliedsverlage seit Jahren mit wachsendem Erfolg jenseits ihrer Printerlöse neue Geschäftsfelder erschließen, und zwar analog und digital. 

Verlage, die es mit einer klaren Zielgruppe zu tun haben, tun sich auf diesem Gebiet leichter: Veranstaltungen und Kongresse, Weiterbildungsseminare on- und offline. Datenbank gestütztes Targeting in hochqualifizierte Zielgruppen, Lead Generierung, Content-Marketing, Corporate-Publishing, Research Services, um nur einige Beispiele zu nennen. Von Reisen, Möbelmessen und Weinauktionen ganz zu schweigen. Das Transaktionsbusiness blüht.

Und worauf ist das zurückzuführen? Auf das einzigartige Markenvertrauen, das der Leser im Laufe seiner Beziehung zur Marke mit Print im Kern aufgebaut hat, ihn zum Nutzer nicht nur des Lesestoffes, sondern zahlreicher anderer Angebote macht.  

Natürlich steht das Printprodukt für die meisten von uns noch im Mittelpunkt, weil es der Ausgangspunkt ist für alles, was uns die digitale und technologische Entwicklung als Herausforderung einerseits und Chance andrerseits beschert.

Mit anderen Worten: 

Print ist (jedenfalls gilt das noch) nicht alles, aber ohne Print ist alles nichts. Und das heißt: Content.

Noch immer werden Milliarden Hefte pro Jahr verkauft, treffen Leser Kaufentscheidungen, weil sie genau diese Zeitschrift lesen wollen, gehen Abonnements ein, weil sie Zeitschriften wie einen guten Freund betrachten, der regelmäßig vorbeikommt. Es sind die Redakteure und Journalisten, die dieses Vertrauen erwirtschaften und mit jeder Ausgabe vor der Verpflichtung stehen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. 

Information und Unterhaltung, sind die Kernbegriffe unseres Geschäfts. Politisch kritische Titel, rein unterhaltende, auch solche, die die Fantasie ihrer Leser vorwegnehmen. Titel, die Informations- und Nutzwert in den Mittelpunkt stellen, und die zahllosen Titel, die das Leben der Menschen in jeder einzelnen Facette ihres Tuns und Wissen Wollens und in ihrer Haltung (das gilt insbesondere für konfessionelle Titel) begleiten und bestätigen. 

Deutschland ist der dichteste Zeitschriftenmarkt der Welt. Das liegt ja einerseits an der grundsätzlich sehr guten Angebotsinfrastruktur (Grosso-System und Zustellabdeckung). Andrerseits an der unerschöpflichen Lust der Menschen, neue Dinge auszuprobieren, die spiegelbildlich immer und sofort zu neuen Medienlösungen, insbesondere zu neuen Titeln führen. 

Ich möchte herausstreichen, dass alle diese Inhalte gesellschaftlich relevant sind. Weil sie nämlich die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit widerspiegeln. In ihrem Informationsbedürfnis, ihrem Verhalten und ihrem Lebensgefühl. Und weil sich diese Inhalte ständig und stetig mit den Menschen verändern, die auf diese Weise ihre freie Persönlichkeit entfalten.

Keiner würde abstreiten, dass freier und unabhängiger kritischer Journalismus Voraussetzung für das Funktionieren unserer Demokratie ist. Ich behaupte allerdings, dass dies ebenfalls für alle anderen Formen des Publizierens gilt. Gutes Publizieren erschöpft sich nicht allein in politisch kritischem Journalismus. Es umfasst die gesamte Bandbreite unserer Produkte. Das Lebensgefühl als Baustein der freien Entfaltung der Persönlichkeit ist für eine freiheitliche Gesellschaft ebenfalls essentiell. 

Wir können stolz sein auf unsere Verlage, die es verstanden haben, diese Vielfalt auf die Beine zu stellen, und zwar in privatwirtschaftlicher Weise, das heißt, auf eigene Kosten und mit Risiko finanziert, und das in hoch intensivem Wettbewerb.  

Deshalb ist es umso wichtiger, dass die politischen Rahmenbedingen unser Tun vor dem Hintergrund unserer gesellschaftlichen Relevanz fördern und nicht weiter beschränken:

Durch Werbeverbote und -beschränkungen, die den Bürger entmündigen, durch unterschiedliche Besteuerung analoger und digitaler Inhalte, durch Verbraucher- und Datenschutzregeln, die den Bürger ebenfalls entmündigen und in krassem Gegensatz stehen zum Verhalten der Menschen auf digitalen Plattformen. 

Es gibt eine Demarkationslinie, die nicht neu, aber in ihren Auswirkungen immer sichtbarer wird.

Auf der einen Seite die europäischen Medienanbieter und Werkvermittler. Auf der anderen Seite die Suchmaschinen und Megaplattformen. Schon heute ziehen diese Unternehmen und deren Töchter an die 75 Prozent der digitalen Werbegelder auf sich. Das Wachstum schöpfen sie fast komplett ab. Es zeichnet sich nicht ab, dass dieser Trend sich umkehren wird. Es zeichnet sich auch nicht ab, dass ein neuer Player auf den Markt tritt, der alles ändern wird. Und wenn tatsächlich, zu wessen Gunsten denn? 

Die alten Verhältnisse kehren nicht zurück. Ich glaube auch nicht daran, dass Unternehmen ihre Werbeausgaben in Zeitschriftentitel lenken, um im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Verantwortung die Demokratie zu retten. Unternehmen platzieren Werbung dort, wo sie effektiv und effizient ist. 

Wir müssen deshalb unsere Stärken beschreiben, begründen und kommunizieren. Editorial Media ist das Stichwort:  Verlässliche Navigation durch die Informationsflut, gute Inhalte als Werbeumfeld, verlässliche Rückbindung zu Marken und Menschen. 

Es ist doch kein Wunder, dass sich die Diskussion um Hatespeech und Fake News an den sogenannten sozialen Netzwerken entzündet hat. Vor diesem Hintergrund glaubte der Justizminister, ein Gesetz auf den Weg bringen zu müssen, das die Jurisdiktion über die Frage, was erlaubt sei, in den privaten Raum verlagert. Hier geraten Dinge ins Rutschen, hin zu einer staatlich regulierten privaten Meinungskontrolle. 

Unsere Gesellschaft gründet auf eine freie wettbewerbsorientierte Rechtsordnung. Eine solche Gesellschaft ändert sich, wenn Quasimonopole oder echte Monopole entstehen und solche Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Das tun sie nämlich ungeniert, solange sich niemand rührt. Wenn der VDZ und andere nicht dahinter her gewesen wären, hätte es auch keine Rekordstrafe gegen Google durch die Europäische Kommission gegeben.   

Lassen Sie mich die Erwartungen der Verleger in diesem Prozess zusammenfassen;

Und dies vor dem Hintergrund   

  1. der Dominanz der US-amerikanischen Plattformen und
  2. der existentiellen Aufgabe der Verleger, ihre geschaffenen Werke auch verkaufen zu können.

Wir brauchen im europäischen Rechtsrahmen ein eigenes Verlegerrecht, das die Vermarktung unserer Inhalte wirksam unterstützt. Davon unabhängig muss das deutsche Leistungsschutzrecht durchsetzbar ausgestaltet werden. 

Wir begrüßen das Eintreten der Bundesregierung für den reduzierten MwSt.-Satz auf digitale Presse und hoffen, dass sie ihren Einfluss geltend macht, um auch noch den letzten Zauderer im Ministerrat zu überzeugen. 

Die derzeitigen Vorschläge zur E-Privacy Verordnung in Brüssel sind ein Schlag ins Gesicht der Verleger. Sie entziehen insbesondere den offenen Verlagsangeboten im Internet weithin die rechtliche Grundlage für ihre Geschäftsmodelle. Die ohnehin fragile Werbefinanzierung offener journalistischer Angebote wird im Kern bedroht. Profitieren werden Internetbrowser, die als neue Gatekeeper in ihren Datenschutzmenüs darüber entscheiden, wer überhaupt noch Daten zu wirtschaftlichen Zwecken verarbeiten darf.  

Profitieren werden auch die großen Log-In Plattformen die bei einem Regulierungsregime zu Lasten der Verleger ihre Größenvorteile noch effektiver ausnutzen können.

Wenn Menschen sich heute auf den Megaplattformen freiwillig mit all ihren Daten öffnen, ist es widersinnig, einen Verbraucherschutz einzurichten, der den Verlagen die Gewinnung von und den Umgang mit Daten erschwert oder gar verbietet.

Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie sich im Spannungsfeld Verbraucher- und Datenschutz ideologischem Unsinn widersetzt. Es drohen irreversible Schäden für die Zukunft der freien Presse.  

Zur Telefonwerbung: Ein wesentlicher Teil der Abonnements und damit der Vertriebserlöse kommen telefonisch zustande. Weitere Einschränkungen der Telefonwerbung gefährden diese tragende Erlössäule der freien Presse massiv. 

Wir brauchen ferner eine Plattformregulierung, die einen neutralen Zugang journalistischer Medieninhalte, ihrer Auffindbarkeit und ihrer Vermarktung sicherstellt. Mit anderen Worten: Trittbrettfahrer dürfen nicht belohnt werden. 

Mit diesen Erwartungen stehen wir nicht alleine. Unsere medienpolitischen Forderungen decken sich mit denen der Zeitungsverleger. VDZ und BDZV stehen, auch in der Auseinandersetzung um den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk Seite an Seite. Die Länder müssen im Rundfunkstaatsvertrag sicherstellen, dass öffentlich-rechtliche Telemedien von der digitalen Presse unterscheidbar bleiben. Dazu muss das Verbot pressähnlicher Angebote effektiv ausgestaltet werden. 

Die RTL-Chefin Anke Schäferkordt hat auf den Medientagen vor zwei Wochen in München im Wesentlichen dieselben Forderungen erhoben. Sie hat zudem betont, dass wir Medienanbieter, Wettbewerber oder auch nicht, im selben Boot sitzen und über Partnerschaften und Allianzen anders nachdenken müssen als bisher.  

Heute Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen der Publishers Night werden wir wieder bedeutende Persönlichkeiten mit der „Goldenen Victoria“ auszeichnen. Darunter wird auch sein die saudi-arabische Menschenrechtsaktivistin Ensaf Haidar. Sie kämpft unermüdlich für die Freilassung ihres Mannes, der Blogger Raif Badawi, der wegen Verunglimpfung der Religion in Saudi-Arabien bereits seit fünf Jahren in Haft sitzt.  

Überall auf der Welt sterben Journalisten in Ausübung ihres Berufes. Vor drei Wochen wird Daphne Gurana Galizia durch eine Autobombe ermordet. Und das auf Malta!! Sie hatte zuvor die maltesische Regierung in Bedrängnis gebracht, indem sie Verbindungen zu den Vorgängen in den Panama Papers herstellen konnte. 

Die UNESCO hat jüngst gemeldet, dass in den Jahren 2006 bis 2016 930 Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet wurden. Die Hälfte der Opfer starb in Ländern, in denen kein Krieg herrscht. Nur 10 Prozent der Fälle wurden aufgeklärt. Überall auf der Welt werden Journalisten an der Ausübung ihres Berufes gehindert, werden drangsaliert, unter abenteuerlichen Vorwänden verhaftet, werden faire Verfahren verweigert.

Stellvertretend möchte ich nennen: Mesale Tolu, eine deutsche Journalistin. Sie wird mit ihrem minderjährigen Kind von türkischen Behörden verhaftet. Verhaftet und eingesperrt werden ebenfalls der WELT-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner, der glücklicherweise inzwischen freigekommen ist. Gegen Deniz Yücel, seit neun Monaten in Haft, ist noch immer keine Anklage erhoben worden. 

Sie alle stehen für Freiheit. Freiheit, die wir brauchen, die wir schätzen, die wir nicht verlieren wollen. Daran müssen wir immer wieder erinnern. Und dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir Verleger weiter so geschlossen einstehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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