Für eine nachhaltige Zukunft der Branche
PRINT&more | Sie beide leiten seit diesem Jahr den Ausschuss des MVFP „Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit“. Mit welchen Fragen beschäftigt sich der Ausschuss konkret, was sind Ziele und Strategien?
Gundula Ullah | Ich freue mich sehr, dass ich gemeinsam mit Karoline Frizen die Sprecherinnenrolle für diesen Arbeitskreis übernehmen darf. Der Ausschuss beschäftigt sich aktuell noch mit einer „Standortbestimmung“ zum Thema Nachhaltigkeit für die MVFP-Mitglieder. Dabei gilt es, verschiedene Fragen zu beantworten: Wo stehen die Verlage gerade? Mit welchen Schritten kann man sich dem großen Thema nähern und wo gibt es auch Standardisierungspotenziale, wie z. B. bei CO2-Emissionsfaktoren?
Anne Karoline Frizen | Ich freue mich auch! Gerade am Anfang ist es wichtig zu schauen, wo jeder steht, was ihm oder ihr fehlt und wie wir gemeinsam daran arbeiten können. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass wir alle unsere Emissionsbilanz erstellen oder noch erstellen möchten. Guckt man sich andere Bilanzen an, wird aber schnell klar, dass jede anders aussieht.
Wie können alle MVFP-Mitglieder von der Arbeit des Ausschusses profitieren?
Ullah | Der Ausschuss wird z. B. einen Leitfaden für Mitgliedsunternehmen rund um das Thema Nachhaltigkeit erarbeiten. Dieser soll dazu dienen, konkrete Handlungsempfehlungen beim Erarbeiten der Nachhaltigkeitsstrategie und z. B. der Wesentlichkeitsanalyse zu geben. Zudem wollen wir an der Standardisierung von Emissionsfaktoren z. B. bei Papier arbeiten – schließlich arbeiten wir alle mit denselben Lieferanten in dieser Branche.
Frizen | Außerdem berichtet in jedem Termin jemand aus dem Kreis, was dieses Unternehmen speziell in Bezug auf Nachhaltigkeit macht. So bekommen wir nicht nur einen tiefen Einblick, wer wo steht, sondern sammeln gemeinsam Ideen, welche Maßnahmen man z. B. noch umsetzen könnte. Außerdem laden wir immer wieder externe Unternehmen und Start-ups ein. So bekommen wir alle neue Impulse.
Welchen Beitrag können Verlage aus Ihrer Sicht im Bereich Umweltschutz konkret leisten? Angesichts der explodierenden Energiekosten sind Einsparungen nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch gut für die Bilanzen. Wo sehen Sie die größten Potenziale?
Ullah | Natürlich denkt man bei Verlagen und Umweltschutz zuallererst ans Papier. Bei FUNKE setzen wir durchgängig Papier aus zertifizierten Quellen (PEFC/FSC) ein, das aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt – unsere Druckereien sind zudem ISO-14001- und Blauer- Engel-zertifiziert. Allerdings können Verlage noch einiges mehr im Bereich Umweltschutz tun, hier nur ein paar Beispiele: Reduzierung des Anteils von gefährlichen Abfällen in unseren Druckereien, Umstellung auf erneuerbare Energien, aber auch Stärkung des nachhaltigen Mindsets bei den Mitarbeitenden, zum Beispiel durch Förderung von neuen Mobilitätskonzepten oder regionalen Angeboten in der Kantine. Die Bandbreite ist vielfältig und bietet einiges an Potenzialen.
Frizen | Das Papier würde ich natürlich auch als Erstes nennen. Da arbeiten wir auch sehr stark dran. Wie Gundula schon sagt, spielen auch andere Dinge, wie z. B. Farb- und Wasserverbrauch sowie Verpackungen, eine Rolle. Wir gewinnen in unserem Druckprozess zu 98 Prozent das in Farben enthaltene Lösungsmittel Toluol wieder. Zusätzlich sollte man immer die Menge an zurückgewonnenem Altpapier erhöhen oder umweltfreundliche Alternativen für die Palettenverpackung verwenden. Es gibt so viele kleine Hebel, die man sich auch anschauen sollte. Hier ist auch die Teilnahme an einem rechtlich verbindlichen Programm, wie z. B. EMAS (Eco-Management and Audit Scheme), sinnvoll. Wir nehmen freiwillig auch teil! Wir verpflichten uns damit, jährlich unsere Umweltkennzahlen zu veröffentlichen und ständig zu verbessern.
Anne Karoline Frizen, bei Burda verantworten Sie seit Anfang 2020 das Nachhaltigkeitsprogramm. Welche konkreten Maßnahmen hat der Verlag bislang eingeleitet und was planen Sie für die Zukunft?
Frizen | Mit „getting better“ wurde 2020 ein unternehmensweites Programm für mehr Klima- und Umweltschutz aufgesetzt. Hier werden alle Themen zum Bereich Nachhaltigkeit zentral angegangen und gesteuert. Wir sitzen direkt an unserem CEO. Das Programm bezieht sich auf den kompletten Konzern Hubert Burda Media, zu dem der BurdaVerlag und viele Beteiligungen wie z. B. New Work (XING) und HolidayCheck gehören. Unser Fokus liegt hier eindeutig auf der Reduktion von Emissionen und damit auf der Entwicklung von verschiedensten Maßnahmen. Wir unterscheiden zwischen vier Bereichen: Energie, Ressourcen, Mobilität und Bildung. Im Bereich Energie haben wir z. B. kurz nach der Erstellung unserer ersten Bilanz für das Jahr 2019 Ökostrom in den Bürogebäuden von Burda eingeführt. Außerdem schauen wir uns verschiedenste Mittel an, um auch in unserer Druckerei noch nachhaltiger Strom zu produzieren oder auch zu beziehen, z. B. mit einer Photovoltaikanlage. Im Bereich Ressourcen geht es uns auf der einen Seite um das Papier, wie es auch schon Gundula angesprochen hat. Wir beziehen zu 100 Prozent PEFC- oder FSC-zertifiziertes Papier. Zudem schauen wir uns sehr stark die Emissionen unserer Papiere an. Dabei haben wir z. B. festgestellt, dass das Papier, das wir beziehen, nachhaltiger als Recyclingpapier ist. Zusätzlich versuchen wir die Ressourcen, die wir bei unserer täglichen Arbeit nutzen, sinnvoll zu gebrauchen. Es gibt „To go 'BurdaBar'Becher“. Wir haben nachhaltigere Alternativen im Office Supply Shop unter dem Label „Burda Green“ eingeführt oder auch ein Mietmodell für die Mobilfunkgeräte etabliert. Im Bereich Mobilität ist natürlich viel zu tun. Bei Burda kann man „BurdaBikes“ leasen und auch ein Elektroauto als Firmenwagen bestellen. Aktuell arbeiten wir an einer neuen Reisekostenrichtlinie. Maßnahmen im Bereich Bildung umfassen Maßnahmen, bei denen wir die Mitarbeiter stärker mit einbeziehen wollen. Beispielsweise haben wir eine Abfallsortieranalyse durchgeführt und festgestellt, dass wir sehr schlecht den Müll getrennt haben. Also haben wir ein neues Abfall- und Recyclingsystem eingeführt, um dies zu verbessern.
Gundula Ullah, seit 2021 sind Sie neben Ihrer Führungsfunktion im Einkauf zudem Head of Sustainability bei FUNKE. Was hat sich seitdem geändert? Wo entstanden Change-Projekte und warum?
Ullah | Seit Oktober 2021 haben wir bei FUNKE eine Vielzahl an Projekten angeschoben – hier ein paar Beispiele: Zunächst einmal haben wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie und die damit einhergehenden Maßnahmen entwickelt und ein internes Nachhaltigkeitsgremium, den Green Circle, aufgesetzt. Wir haben unseren ersten Corporate Carbon Footprint ermittelt und arbeiten derzeit an unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht nach GRI für unser Medienhaus, den wir im April 2023 veröffentlichen wollen. Bereits vor einigen Wochen haben wir unseren Mitarbeitenden einen Vorgeschmack darauf gegeben und eine aufwendig produzierte Nachhaltigkeitsbroschüre aufgesetzt. Damit möchten wir unsere Kolleginnen und Kollegen thematisch abholen. Um Ressourcen zu sparen, haben wir die Broschüre fast ausschließlich digital verschickt. Die gedruckten Versionen sind auf zertifiziertem Umweltpapier gedruckt. Wie Sie sehen: So ganz untätig waren wir als Unternehmen nicht. Für das 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltpflichtengesetz haben wir bereits jetzt eine digitale Lösung im Einkauf implementiert, sodass wir unsere Top-400-Lieferanten in Echtzeit in Bezug auf Compliance monitoren können. Zudem haben wir für unsereTop-45-Lieferanten den ersten „FUNKE Lieferantendialog“ etabliert, der es uns ermöglichen soll, gemeinsam mit unseren wichtigsten Geschäftspartnern im Bereich „Papier, Produktion und Druck“ an Nachhaltigkeitszielen zu arbeiten.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Welche Rolle spielt das Thema Umwelt in Ihrem privaten Alltag? Hand aufs Herz: Vielfliegerin oder Bahnfahrerin? Müllvermeiderin oder Coffee-to-go-Trinkerin?
Frizen | Ich glaube, wenn man in diesem Bereich tätig ist, muss man auch dafür brennen. Das merkt man bei uns im Team tagtäglich. Dass wir beim Einkauf wiederverwendbare Stofftaschen oder auch Gemüsenetze verwenden, ist mittlerweile ja – Gott sei Dank – normal. Irgendwann habe ich einen Kompostbehälter gekauft, um unseren Müll zu Hause noch besser zu trennen. Das „freut“ meinen Partner jeden Tag aufs Neue. Beim Online-Shopping muss ich eindeutig auch noch was tun, aber mein Auto habe ich vor einigen Jahren verkauft. Tatsächlich gehöre ich auch zu den nervigen Kolleginnen, die die Bildschirme von anderen ausmachen, wenn diese im Standby- Modus und nicht ausgeschaltet sind.
Ullah | Mir persönlich ist das Thema Nachhaltigkeit ein Herzensthema. Die zwei wichtigsten Männer in meinem Leben tragen da sicherlich einen großen Teil zu bei. Mein Vater war Gärtner aus Leidenschaft, mein Mann kommt aus Bangladesch – einem Land, das in den nächsten Jahren den Herausforderungen des Klimawandels ganz besonders ausgesetzt sein wird. Ich bin ebenfalls leidenschaftliche Hobbygärtnerin, muss auf der anderen Seite beim Online-Shopping sicherlich auch noch meinen CO2-Fußabdruck optimieren. Auch das Auto könnte ich sicher häufiger in der Garage stehen lassen. Da bin ich vielleicht noch ein Stück zu bequem. Aber ich arbeite daran.
Was wollen Sie unseren Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?
Ullah | Mir ist wichtig, dass wir innerhalb der Verlagsbranche ein Verständnis generieren, dass wir beim großen Thema Nachhaltigkeit alle in einem Boot sitzen und vielleicht herrschende Animositäten beiseitelegen müssen – wir als Verleger, Verlegerinnen und unsere Lieferanten! Das Thema wird für die Leserinnen und Leser immer relevanter, die Vermarkter positionieren sich sichtbar in Bezug auf den CO2- Fußabdruck und unsere Redakteurinnen und Redakteure rücken das Thema verstärkt in den Fokus ihrer Arbeit. Der Handlungsbedarf ist da – und wir sollten uns ehrlich miteinander machen, um gemeinsam guten, CO2-freien Journalismus auch für die nächsten Generationen zu ermöglichen.
Frizen | Das sehe ich absolut genauso! Das Schöne an Nachhaltigkeit ist, dass wir im Arbeitskreis alle sehr offen und transparent damit umgehen. Eigentlich sind wir Wettbewerber, aber hier arbeiten wir sehr offen und gut zusammen. Das ist doch auch schon mal eine schöne Entwicklung!