Stephan Scherzer in Horizont: „Nie dagewesener Stresstest“
"Die Lage der Zeitschriftenverlage in Deutschland ist stabiler und robuster als in fast allen anderen Ländern", sagt Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Zeitschriftenverbands VDZ. Wie es jetzt weitergeht, sei aber völlig unsicher: "Die Corona-Krise ist ein nie dagewesener Stresstest für alle Systeme. Alle Branchen müssen sich auf die Folgen einstellen - natürlich auch die Medienindustrie." Im Interview äußert sich Scherzer auch zu einer Reihe weiterer Themen, zum Beispiel den Folgen von E-Privacy und der Dominanz von Google und Co. im digitalen Werbemarkt.
Deutschland im Ausnahmezustand, alle sind betroffen, natürlich auch die Verlage. Denen könnte neben herben Rückgängen im Werbegeschäft auch die Situation im Vertrieb zu schaffen machen. Scherzer warnt: "Aktuell herrscht größte Sorge, wie sich die Situation im Handel aufgrund der Corona-Krise entwickeln wird. Es muss sichergestellt bleiben, dass Zeitschriften und Zeitungen angeliefert werden können."
Weitere zentrale Punkte aus dem Interview:
Erstens: Der VDZ-Chef sieht die deutschen Verlage zwar robust aufgestellt, im Kerngeschäft bleibt es aber ausgesprochen tough. Bei den Werbeerlösen 2019 taxiert Scherzer das Minus auf 7 Prozent, im Vertrieb auf 4 Prozent.
Zweitens: Was Hoffnung macht: Die digitalen Abo-Modelle kommen jetzt doch allmählich in Schwung. Scherzer: "Vor zwei, drei Jahren waren die Paid-Content-Umsätze noch ein ganz zartes Mikro-Pflänzchen - heute liegen wir bei den Zeitschriften irgendwo um 150 Millionen Euro im Jahr, Tendenz weiter steigend."
Drittens: Scherzer sieht die E-Privacy-Richtlinie nach wie vor extrem kritisch und prophezeit dramatische Folgen. "Vor drei Jahren habe ich prognostiziert, dass die großen Plattformen 2020 gut 70 Prozent der digitalen Werbeerlöse auf sich ziehen werden. Jetzt hänge ich mich wieder aus dem Fenster: Wenn die E-Privacy-Richtlinie kommt, wird dieser Anteil Richtung 90 Prozent steigen - und zwar schneller, als man es sich heute vorzustellen vermag."
Viertens: Der VDZ-Chef appelliert an die Verlage, "noch stärker in den Infight zu gehen." Sein Seitenhieb Richtung Werbungtreibende: "Wenn ein Verlag mit seinen Marken derartige Daten-Skandale gehabt hätte wie Facebook, würde dort kein Unternehmen mehr werben. Bisweilen sind mir die Argumentationsketten der Werbungtreibenden wirklich nicht nachvollziehbar."
"Jetzt gilt es, zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen"
Herr Scherzer, seit 20 Jahren macht man sich Sorgen um die Wirtschaftlichkeit der Verlage und damit um die Zukunft des Qualitätsjournalismus. Wie prekär ist die Lage aktuell?
Vor ein paar Wochen hätte ich gesagt: die Situation ist sehr anspruchsvoll, die Branche aber mehr als ordentlich unterwegs. Also kein Anlass zu übertriebener Sorge. Durch die Corona-Krise verändert sich die Situation der gesamten Wirtschaft grundlegend. Erst rückblickend wird man feststellen, welche Maßnahmen und Eingriffe in Gesellschaft und Wirtschaft welchen Effekt hatten. Jetzt gilt es, so viel wie möglich beizutragen, dass es nicht zu einem Strömungsabriss der Wirtschaft kommt, und gleichzeitig das Gesundheitssystem so zu entlasten, dass es arbeitsfähig bleibt.
Sie erwarten massive Folgen für die Zeitschriftenverlage?
Die Corona-Krise ist ein nie dagewesener Stresstest für alle Systeme, national und international. Alle Branchen müssen sich auf die Folgen einstellen - natürlich auch die Medienindustrie. Ich weiß aus Gesprächen mit Verlegern, dass sich die Corona-Krise bereits deutlich in den Werbeeinbuchungen niederschlägt. Kampagnen werden geschoben, in Teilen zurückgenommen. Es wird jetzt auch für den letzten deutlich, wie unglaublich wichtig China als Absatzmarkt und als Werkbank für viele Marken inzwischen ist. Wenn die Nachfrage zurückgeht, hat das große Effekte auf Werbung und Konsum. Und natürlich spüren wir die Krise auch bei Veranstaltungen, die reihenweise abgesagt werden. Hier stehen die Geschäfte still.
Ist Ihr Verband auch direkt betroffen?
Der VDZ hatte eine Executive-Tour nach Shanghai und eine nach Israel geplant, die gut gebucht waren - die haben wir bereits vor zwei Wochen abgesagt. Vergangene Woche haben wir den Digital Innovators‘ Summit auf September verschoben. Aktuell ist die Lage ernst, nicht nur für die Medienhäuser, sondern auch für freie Mitarbeiter, Dienstleister und Partner der Verlage. Hier gilt es, so gut wie möglich zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen, um einer Abwärtsspirale entgegenzuwirken. Die Lage der Zeitschriftenverlage in Deutschland ist aufgrund vieler Maßnahmen zwar stabiler und robuster als in fast allen anderen Ländern, die Auswirkungen der Corona-Krise sind aber noch nicht absehbar.
Auch ohne Corona: Die die Auflagen sinken und im Werbegeschäft verliert man jedes Jahr weiter Marktanteile. Das klingt nicht nach "stabil und robust".
Die Verlage haben ihre Umsatzquellen diversifiziert und Strukturen und Prozesse den Herausforderungen angepasst. Zudem sind sie heute sehr viel weniger abhängig vom Werbegeschäft als noch vor ein paar Jahren. Ein großes Glück ist, dass journalistische Angebote mit den Lesern eine zweite zentrale Erlösquelle haben, die unserem Geschäft eine größere Stabilität verleiht, auch weil sie weniger konjunkturabhängig und damit verlässlicher sind. Hinzu kommen die Fortschritte beim Aufbau neuer Geschäftsfelder. Wie vital die Branche ist, zeigt auch der Umstand, dass nach wie vor viele neue Printtitel auf den Markt kommen.
Lassen Sie uns die einzelnen Bereiche mal durchgehen. Der unaufhaltsame Abstieg im Werbegeschäft ist ja schon bitter.
Die Werbeerlöse gehen weiter zurück, auch wenn der Abschwung vor allem im letzten Quartal 2019 deutlich an Dynamik verloren hat. Netto lag das Minus im vergangenen Jahr um sieben Prozent. Gleichzeitig muss man auch sehen, dass vor allem Titel, die ihre Zielgruppe sehr sauber adressieren, im Werbemarkt zum Teil eine wirklich gute Entwicklung haben. Kein vernünftiger Verleger wird daher dieses Geschäftsfeld aufgeben. Dennoch gilt: Zuerst kommt der Leser, dann das klassische Werbegeschäft.
Gut, aber die Auflagen gehen ja auch zurück.
Das Umsatzminus im Vertrieb betrug 2019 ungefähr vier Prozent. Aktuell herrscht größte Sorge, wie sich die Situation im Handel aufgrund der Corona-Krise entwickeln wird. Es muss sichergestellt bleiben, dass Zeitschriften und Zeitungen angeliefert werden können. Davon abgesehen gibt es eine Entwicklung, die im Lesermarkt langfristig optimistisch stimmt. Vor zwei, drei Jahren waren die Paid-Content-Umsätze noch ein ganz zartes Mikro-Pflänzchen - und heute liegen wir bei den Zeitschriften irgendwo um 150 Millionen Euro im Jahr, Tendenz weiter steigend.
Ist die Zahl wirklich realistisch - oder wird da alles Mögliche hineingerechnet?
Das ist eine realistische Zahl, die auf aktuellen Erhebungen beruht. Durch Netflix und Co. haben sich die Menschen an digitale Abo-Modelle gewöhnt. Davon profitieren immer stärker auch die Verlage mit ihren journalistischen Angeboten und digitalen Services.
Der dritte große Bereich sind neue Geschäftsfelder. Was läuft da besonders gut und wo gibt es Enttäuschungen?
Ich sehe noch viele Möglichkeiten, die redaktionellen PS in weiteren Feldern auf die Straße zu bringen. Denken Sie an klassische Veranstaltungen und Konferenzen, aber auch an kreative Storytelling-Formate wie etwa "Zeit Verbrechen". Für mich sind die Konferenzen des Pop-Up-Magazines aus Kalifornien journalistische Rockkonzerte. Ein weiterer Bereich mit großem Potenzial sind Audioformate, vor allem Podcasts und perspektivisch auch Angebote auf Chatbots wie Alexa. Worum es letztlich geht, ist eine neue Angebotsvielfalt über möglichst viele Kanäle zu schaffen. Ich bin im Übrigen überzeugt, dass jede Medienmarke ein Sound-Logo braucht, das sich in den Köpfen der Menschen festsetzt. Ein mehrdimensionales Markendenken ist auch in unserer Branche ausgesprochen wichtig. Zeitschriftmarken sind ein starker Anker engagierter Communitys.
Fragt sich nur, ob Zeitschriftenmarken nicht zunehmend an Strahlkraft verlieren - immer mehr Leute informieren sich heute am liebsten auf Facebook.
Natürlich ist es herausfordernder geworden, als Medienmarke seine Anziehungskraft zu behalten – die Angebotsvielfalt und damit auch der Wettbewerb um Zeit und Aufmerksamkeit ist gewaltig. Es gibt genügend Beispiele, dass es sich lohnt, in das journalistische Produkt zu investieren - denken Sie an die New York Times, den Economist, aber auch an Titel wie The Atlantic oder den New Yorker. Auch in Deutschland gibt es viele sehr ermutigende Beispiele. Ich glaube, wir müssen noch viel stärker in den Infight gehen, unsere Stärken ausbauen und noch selbstbewusster kommunizieren. Die Menschen suchen nach Absendern, denen sie vertrauen können. Ich halte daher die ganzen Diskussionen über Fake Media und eine angebliche "Lügenpresse" für viel herausfordernder als die Folgen der Digitalisierung. Mir geht überhaupt die teils unreflektierte Digital- und Technik-Gläubigkeit ziemlich auf die Nerven.
Und das aus Ihrem Mund, Sie sind doch ein Vorreiter in Sachen Digitalisierung.
Keine Frage, Digital bietet so viele kreative Möglichkeiten. Ich bin auch der Meinung, dass Technologie in den Medienhäusern eine absolut zentrale Rolle spielen muss. Wer die digitale Mechanik nicht versteht oder verstehen will, ist in einem Medienhaus nicht gut aufgehoben. Dennoch, Digital ist kein Wert an sich, es müssen die richtigen Inhalte vorhanden sein und dann transportiert werden. Und da sind die Verlage im Gegensatz zu vielen Absendern auf Facebook eben ein wirklich glaubwürdiger und "verantwortlich im Sinne des Presserechts" auch fassbarer Absender. Wenn ein Verlag mit seinen Marken derartige Daten-Skandale gehabt hätte wie Facebook, würde dort kein Unternehmen mehr werben. Bisweilen sind mir die Argumentationsketten der Werbungtreibenden wirklich nicht nachvollziehbar.
Wie sehen Sie generell die Rolle von Facebook im Mediengeschäft?
Stellen Sie sich vor, es gäbe in Deutschland nur einen einzigen Tankstellen-Betreiber. Für einen solchen Monopolisten müssten natürlich andere Regeln gelten als in einem Markt mit funktionierendem Wettbewerb. Oder stellen Sie sich vor, wir hätten in Deutschland einen Verlags-Monopolisten, der sich verhielte wie Google beim seinem Shoppingangebot - was denken Sie, was da los wäre!
Und das ja auch zurecht.
Natürlich. Facebook, dazu gehören ja auch WhatsApp und Instagram, hat aber genau eine solche Stellung, und momentan ist niemand zu sehen, der dieser Plattform ihr Monopol in Social Media streitig machen könnte. Umso wichtiger ist es, dass der Gesetzgeber das erkennt, alle Verlage diskriminierungsfreien Zugang bekommen und ihre Inhalte entsprechend ausgespielt werden. So wie der Zugang durch das Grosso im Handel sichergestellt ist.
Wie soll das gehen? Facebook ist eine Black Box, Sie werden nie kontrollieren können, wie Facebook Inhalte auf der Basis irgendwelcher Algorithmen an die User ausspielt.
Rumheulen ist keine Option. Man kann sehr wohl klare Regeln formulieren und dann auch durchsetzen. Wogegen wir uns als VDZ unermüdlich wenden werden, ist Machtmissbrauch von marktbeherrschenden Positionen. Besonders herausgehobene Beispiele sind Googles monopolistisches Verhalten bei Shopping, Android, auch bei Chrome oder grundsätzlich beim Urheberrecht. Die EU-Kommission hat hier klare Grenzen aufgezeigt.
Manchmal ist es auch dem VDZ nicht recht, wenn der Staat sich einmischt - siehe E-Privacy.
Wir haben in Deutschland eine sehr starke Datenschutz-Grundverordnung, auf deren Basis sich der Wunsch nach Privatsphäre und die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen in eine vernünftige Balance bringen lassen. Der Leser bekommt ja einen echten Gegenwert. Darauf jetzt noch eine total verkorkste E-Privacy-Richtlinie zu setzen, halte ich für komplett falsch und wirtschaftspolitisch fatal. Schon von der DSGVO profitieren ganz eindeutig die großen US-Plattformen, weil sie einfach auf einem Dagobert-Duck-Berg von First-Party-Daten sitzen. Das belegt auch eindrucksvoll eine aktuelle Studie des MIT. Die E-Privacy-Verordnung würde dafür sorgen, dass sich die Kräfte noch einmal dramatisch zugunsten von Facebook, Google und Amazon verschieben.
Die deutsche Werbe- und Medienindustrie ist immer gegen einen strengeren Datenschutz. Gibt es Ihnen nicht zu denken, dass inzwischen gerade in der amerikanischen Digital-Szene die DSGVO Vorbildcharakter genießt? Sie dagegen bleiben weiter auf dem Trip: So wenig Regulierung wie möglich.
Nein, wir wollen eine faire, ausgewogene Balance zwischen dem Privacy-Interesse der Nutzer und den Geschäftsinteressen der Unternehmen. Noch einmal: Die DSGVO setzt bereits strenge Richtlinien und hat gerade in Kalifornien tatsächlich viele Fürsprecher. Die E-Privacy-Richtlinie ist nun aber genau der eine Schritt zu viel. Es geht dabei ja auch nicht nur um personenbezogene Werbung, sondern ebenso um Website-Design, Paid-Content-Modelle, Reichweiten-Messung, E-Commerce und indirekt auch um das Telefonmarketing und den Streu- und Wechselversand der Fachpresse.
Bleiben wir noch kurz bei Werbung. Die ganze Cookie-Kultur hat ja nicht verhindert, dass die US-Plattformen den digitalen Werbemarkt total dominieren.
Vor drei Jahren habe ich prognostiziert, dass die großen Plattformen 2020 gut 70 Prozent der digitalen Werbeerlöse auf sich ziehen werden – auch aufgrund der einseitig wirksamen Verschärfung der Datenschutzregeln. Jetzt hänge ich mich wieder aus dem Fenster: Wenn die E-Privacy-Richtlinie kommt, wird dieser Anteil Richtung 90 Prozent steigen - und zwar schneller, als man es sich heute vorzustellen vermag. Google war bei den ersten, die gesagt haben, die E-Privacy-Regulierung finden wir gut. Warum wohl? Von einer strengeren Regulierung profitieren diejenigen, die über die meisten First-Party-Daten verfügen - und das sind Google, Facebook und Amazon. Apropos Amazon: Schauen Sie sich da mal die kolportierten Zahlen an! Amazon wird bald Werbeerlöse in Höhe von zwei Milliarden Euro in Deutschland erzielen - und das gerade mal drei Jahre, nachdem sie richtig ins Werbegeschäft eingestiegen sind.
Was nichts daran ändert, dass es einfach krass ist, als Bürger auf Schritt und Tritt im Netz getrackt zu werden.
Wie gesagt, ich finde, dass die DSGVO die mündigen Bürger sehr wohl in ihrer Privatsphäre schützt und alle Möglichkeiten bietet. Was ich aber gut finde, ist der in den USA zum Teil schon erkennbare Trend, dass Umfeld-Planung im Werbegeschäft wieder wichtiger wird. Ich glaube, dass auch in Deutschland die Unternehmen wieder mehr Wert darauf legen werden, in einem Umfeld zu werben, das Brand Safety gewährleistet und bei dem eine Redaktion und ein Verlag Verantwortung für die Inhalte übernehmen.
Ist das nicht das viel bessere Argument? Wenn es darum geht, wer besser targeten und die Leute besser tracken kann, haben die Verlage gegen Google und Co ohnehin keine Chancen. Da ist es doch schlauer, für eine Renaissance der Umfeldplanung zu kämpfen.
Die Mischung macht es. Wir werden im medienpolitischen Kampf in Berlin und Brüssel nicht einen Millimeter nachgeben. Gleichzeitig kommunizieren wir noch stärker die Vorzüge von Editorial Media als vertrauenswürdiges Umfeld, also die Leistung redaktioneller Angebote auf allen Kanälen.
Lassen Sie uns über den VDZ sprechen. Wie läuft Ihr großes Reformprojekt VDZ 2020?
Wie gut es beim VDZ läuft, sehen sie allein daran, was wir medienpolitisch 2019 alles erreicht haben bei Themen wie Urheberrecht, digitale Mehrwertsteuer und der GWB-Novelle. Nicht zu vergessen unsere Kampagne für Pressefreiheit und die "Presse verkauft"-Kampagne. Was ich damit sagen will: Wir sind nicht in die Falle gelaufen, über einen anspruchsvollen, internen Change-Prozess unsere eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen.
Wie geht es denn voran mit VDZ 2020?
Die Delegierten haben im vergangenen Sommer die strategischen Weichen gestellt und den Kurs im November noch einmal bestätigt. Wir sind jetzt auf dem Weg hin zu einem modernen, transparenten und effizienten Bundesverband mit einer einheitlichen und fairen Beitragstabelle für alle Mitglieder.
Kritiker wie der Berliner Landesverband sind inzwischen auch auf Linie?
Es wird nur noch über das Wie diskutiert, nicht mehr über das Ob. Das gilt auch für die Kritiker aus Berlin, deren Delegierte voll in die Gespräche eingebunden sind.
Kriegen Sie die Sache in diesem Jahr über die Bühne?
Das ist das Ziel und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das auch schaffen. Die Uhr der Veränderung tickt!
Und danach wird endlich der Zusammenschluss mit dem Zeitungsverband BDZV in Angriff genommen?
Damit beschäftige ich mich im Moment überhaupt nicht. Entscheidend ist: Medienpolitisch passt zwischen BDZV und VDZ in Berlin und Brüssel kein Blatt. Die Zusammenarbeit ist exzellent. Und das ist gut und wichtig.
Rein industriepolitisch gesehen würde ein Zusammenschluss aber auch aus Ihrer Sicht schon Sinn machen, oder? Wir haben deshalb zwei Verbände, weil die Mitglieder das so wollen. Wenn die Verlage irgendwann sagen, dass sie nur noch einen Verband möchten, wird das auch passieren. Aktuell sehe ich aber weit und breit keine Bestrebungen in diese Richtung.
Herr Scherzer, im Grunde sind Sie doch ein klassischer Unternehmer und Manager und haben Ihr Können diesbezüglich ja auch schon bewiesen. Wird so ein Verbands-Job auf die Dauer nicht langweilig? Keine Lust, mal wieder als Manager zu arbeiten?
Ich kann eine der leistungsfähigsten Interessenvertretungen der Verlage in Europa managen und den anspruchsvollen Change-Prozess einer politischen Organisation – das ist das Gegenteil von langweilig. Es wird heute ja viel über sinnstiftende Arbeit geredet, und was das betrifft, fühle ich mich hier genau richtig. Mir liegen Themen wie Pressevielfalt und Meinungsfreiheit wirklich am Herzen, dafür mit einem tollen Team zu kämpfen, ist eine sehr erfüllende Aufgabe. Nehmen Sie allein unsere Veranstaltungen. 2019 hatten wir Christine Lagarde zum Amtsantritt als Laudatorin beim VDZ, Angela Merkel im Jahr davor. Armin Laschet war unser Keynoter auf dem Publishers‘ Summit und Jens Spahn zu Gast bei den Delegierten. Der VDZ ist am Puls der Politik. Da müsste schon etwas ganz Besonderes kommen, damit ich über eine Veränderung nachdenke.
Sie bleiben dem VDZ also noch eine ganze Weile erhalten?
Ich bin an Bord.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch den Wechsel des Präsidenten geändert? Rudolf Thiemann ist ja ein völlig anderer Typ als sein schillernder Vorgänger Hubert Burda ...
Die Arbeit mit beiden Persönlichkeiten war und ist motivierend und sehr positiv. Ich habe als geschäftsführendes Präsidiumsmitglied einen sehr direkten Draht und kurze Entscheidungswege. Daran hat sich durch den Präsidentenwechsel nichts geändert. Rudolf Thiemann ist ein politisch vernetzter Mensch und aktiver Verleger. Er gibt mir das Vertrauen und die unternehmerische Freiheit, die mein Team und ich brauchen, um erfolgreich arbeiten zu können. Ich bin keiner, der sich permanent absichern muss, sondern gerne Verantwortung trägt – aber auch weiß, wann er sich mit dem Präsidium abstimmen muss.