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Fokus Europawahl | Terry Reintke: „Für eine gerechte Vergütung für Kultur- und Medienschaffende und Verlage“

Nachrichten Medienpolitik Print & Digital

Terry Reintke (Die Grünen) erläutert im MVFP impuls-Interview ihre Positionen zu KI, Datenschutz, Torwächterplattformen und Werberegulierung.

Terry Reintke (© European Union 2022 - Source : EP)

Im Vorfeld der Europawahlen am 9. Juni hat MVFP impuls die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der zur Europawahl antretenden Parteien zu ihrer medienpolitischen Agenda - zu KI, Datenschutz, Torwächterplattformen und Werberegulierung - befragt. Im Folgenden lesen Sie die Antworten von Terry Reintke (Die Grünen), MdEP, Co-Fraktionsvorsitzende der The Greens/EFA im Europäischen Parlament und Spitzenkandidatin von Bündnis90/Die Grünen sowie The European Greens.
 

MVFP impuls | KI bietet Chancen für Verlage und Redaktionen. Andererseits kann KI bereits heute kostenintensive menschengemachte Presse in Sekundenschnelle und zu Kosten nahe null für perfekte Konkurrenzpublikationen im Primärmarkt der jeweiligen Publikation verwerten. Sollte eine solche Verwertung gegen den Willen der Verlage rechtlich zulässig sein, wäre menschengemachte Presse – und letztlich jede menschliche kreative Leistung – nicht mehr privatwirtschaftlich finanzierbar. Die Verleger fordern daher ein robustes Verfügungs- und Vergütungsrecht für die Verwertung redaktioneller Inhalte durch KI. Jedes derartige Recht läuft allerdings leer, wenn KI nicht verpflichtet wird, über die zu Trainings-, Input- oder sonstigen Zwecken verwendeten Inhalte lückenlos zu informieren. Wie stehen Sie zu dieser Forderung nach einem Schutz menschlicher Kreativität?
Terry Reintke (Die Grünen) | Für unsere Gesellschaft ist es wichtig, die Chancen neuer Technologien zu erkennen und produktiv zu nutzen. Dabei sollen jedoch nachteilige Entwicklungen nicht außer Acht gelassen werden, wie z.B. bei KI-generierten Konkurrenzprodukten im Medien- und Kulturbereich. Mit dem AI Act haben wir erstmals eine Transparenzklausel für generative KI-Modelle durchgesetzt. Diese gilt im Unterschied zum Urheberrecht auch für Technologien, die außerhalb der EU entwickelt wurden. Gleichzeitig müssen wir kritisch prüfen, wie Transparenz über die Trainingsdaten in der Praxis nun umgesetzt werden kann. Wir wollen nun zunächst die Auswirkungen der neuen Regeln auswerten. Zudem müssen wir die derzeit geltende Copy Right Directive mit Blick auf die neuen generativen  KI-Anwendungen genau überprüfen, relevante Lücken schließen und so Rechtssicherheit schauen. Wir setzen uns für eine gerechte Vergütung für Kultur- und Medienschaffende und Verlage ein. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Urheberinnen und Urheber ihren Nutzungsvorbehalt und gegebenenfalls andere Rechte gegenüber kommerzieller KI einfach und zentral und wo sinnvoll maschinenlesbar wahrnehmen können, und unterstützen sie bei einer fairen Vergütung ihrer Werke.

Die Publikationen unserer Mitglieder werden zunehmend über marktmächtige oder sogar monopolistische Torwächterplattformen verbreitet. Jüngere nutzen derartige Plattformen vielfach sogar als Hauptmedienquelle. Wir fordern für solche Torwächter, dass sie nicht willkürlich über Zugang und Sichtbarkeit von Publikationen und deren etwaige Bezahlung entscheiden dürfen, sondern, wie klassische Vertriebswege, alle legalen Presseprodukte fair und diskriminierungsfrei behandeln müssen. Wie ist die Haltung Ihrer Partei zu dieser Frage?
Zugang, Auffindbarkeit und Sichtbarkeit sind zentrale Voraussetzungen für eine Versorgung mit vielfältigen und unabhängigen Medien – und somit für die Medienfreiheit in Demokratien. Angesichts des radikalen Wandels der Mediennutzung müssen wir hier Redaktionen, Medienunternehmen und Journalistinnen und Journalisten stärken. Als europäische Gesetzgeber haben wir erste Weichen gestellt – mit mehr Transparenz durch neue Datenzugangsrechte, Bündelung von Kompetenzen an einer zentralen Stelle sowie neue Befugnisse für nationale Aufsichtsbehörden im Digital Services Act. Auch mit dem Media Freedom Act werden unabhängige Medien gegenüber digitalen Plattformen gestärkt und vor beliebigen Löschungen von Beiträgen geschützt. Unser Ziel ist es, eine diskriminierungsfreie digitale Verbreitung journalistischer Inhalte zu sichern. Wir werden die Umsetzung kritisch begleiten und als Gesetzgeber tätig werden, wenn die Ziele nicht ausreichend erfüllt werden.

Immer weiter verschärftes Datenschutzrecht hat zu Gesetzen geführt, nach denen digitale Presse nur noch mit einer Vielzahl von Einwilligungen der Leser betrieben und finanziert werden kann. Gestaltung und Auslieferung der redaktionellen Angebote, Schutz gegen Ad-Blocker, Reichweitenmessung, Werbefinanzierung, Leserwerbung und der Verkauf an digitale Leser sind typische Existenzbedingungen digitaler Presse, die inzwischen vielfach ohne konkrete Einwilligungen nicht möglich sind. Wenn Gesetze damit digitale Presseangebote weitgehend von komplexen Einwilligungen abhängig gemacht haben, müssen sie im zweiten Schritt wenigstens sicherstellen, dass die Verlage die gesetzlich nötigen Einwilligungen von ihren Lesern auch in praktikabler Weise einholen können und dass solche Einwilligungen von Internetzugangssoftware und Gatekeepern beachtet werden müssen. Können Sie diese Position unterstützen? 
Neue Entwicklungen im Bereich der KI zeigen, wie wichtig ein konsequent umgesetzter Datenschutz für die europäischen Bürgerinnen und Bürger ist. Wenn per Knopfdruck und auf Basis einiger weniger Datenpunkte sensible persönliche Informationen extrahiert werden können, wächst die Gefahr von Manipulation und auch persönlich zugeschnittenem Microtargeting. Die europäische Gesetzgebung ist hier zu Recht strikt und wird auch weltweit als beispielhaft anerkannt. Nichtsdestotrotz brauchen wir praktikable Lösungen, um Datenschutzeinwilligungen auf eine für Nutzerinnen und Nutzer verständliche und handhabbare Art zu organisieren. Das wäre auch im Interesse von Online-Publishern, die zu Recht an einer transparenten und gesicherten Refinanzierung ihrer Leistung durch Werbeeinnahmen interessiert sind. Wir beobachten besorgt, wie etablierte Medienunternehmen in Europa durch sinkende Werbeeinnahmen wirtschaftlich geschwächt werden. Ihre Existenz als demokratierelevante Quellen pluraler Meinungsbildung zu sichern, ist eine wichtige Aufgabe für die Politik.

Werbung ist für die Finanzierung einer freien Presse unverzichtbar. Dennoch gibt es regelmäßig Vorschläge für neue Werbeverbote und Einschränkungen durch plakative Zwangsinformationen in der Medienwerbung. Wie stehen Sie dazu?
Werbung ist zentraler Bestandteil der Medienfinanzierung. Werbung hat dort ihre Grenzen, wo unlautere Praktiken einsetzen oder das Wohl vulnerabler Gruppen und insbesondere von Minderjährigen es erfordert. Mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und ihre Umsetzung in nationales Recht haben wir etablierte Verfahren der Werberegulierung. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse können allerdings Gefahrenlagen neu bewerten und damit zusätzliche Werbeeinschränkungen begründen. In diesem Fall gilt es allerdings, die wirtschaftlichen Grundlagen der Medien bei der Gesetzgebung einzubeziehen und zu berücksichtigen.

 



Medienpolitische Themen des MVFP

  1. Diskriminierungsfreie Presseförderung durch reduzierte Mehrwertsteuer
  2. Publizistische und ökonomische Pressefreiheit im Plattforminternet
  3. Regulierungsaspekte von KI: Menschenmedien und künstliche Konkurrenz
  4. Verarbeitung personenbezogener Daten als Existenzbedingung freier Presse
  5. Mediale Werbefreiheit
  6. Wettbewerbsrecht (GWB)
  7. Neues Medienkonzentrationsrecht auch für die Presse im Medienstaatsvertrag?
  8. Abonnementvertrieb (Telefonmarketing)
  9. Wettbewerbsverzerrende öffentlich-rechtliche Angebote, insbesondere öffentlich-rechtliche digitale Presse
  10. Staatliche Presse, insbesondere das nationale Gesundheitsportal
  11. Gemeinnütziger Journalismus
  12. Urheberrecht (mit anderen als KI-Themen) 
  13. Medienfreiheitsgesetz der EU

 

Hier lesen Sie das Interview mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Die Antworten von Dr. Katarina Barley (SPD) lesen Sie hier nach.

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