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Horizont | Philipp Welte: Unsere Verantwortung - für die Freiheit!

MVFP in den Medien

Gastbeitrag vom MVFP-Vorstandsvorsitzenden und Vorstand bei Hubert Burda Media zum 40-jährigen Jubiläum von HORIZONT.

HORIZONT 32-33/2023, 10. August 2023, S. 138

Gab es eine Zeit, in der HORIZONT wichtiger war für unsere Welt der Medien und der Kommunikation als heute? Gab es eine Zeit intensiverer Umbrüche und tieferer Veränderungen in unserer Branche? Gab es eine Zeit, in der die Unsicherheit der Menschen in unserer Gesellschaft greifbarer und deshalb die Rolle der freien Presse relevanter war als heute?

Wahrscheinlich hätten wir diese Frage in jedem der vier letzten Jahrzehnte ähnlich beantworten können. In den 80er Jahren verschwanden das Blei und die Schreibmaschinen aus den Verlagen, der PC hielt Einzug in den Redaktionen. In den 90ern brachen wir begeistert auf, das Internet zu erobern – und plötzlich am Ende des letzten Jahrhunderts kam Google und eroberte unsere Märkte. Dann kamen vor 15, 20 Jahren die Smartphones, ihnen folgten die sozialen Massenmedien, in denen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität trübe wurden, verschwommen. Und jetzt löst künstliche Intelligenz die Grenze zwischen der Wirklichkeit und individuell manipulierten Wahrheiten endgültig auf und unsere Branche oszilliert angesichts der Chancen wie der Risiken wie selten zuvor.

Was also kann es für uns Wichtigeres geben, als tatsächlich einen Horizont zu sehen, eine klare Orientierung auf dem Weg nach vorne in unsere Zukunft?

Aber etwas ist anders als in den letzten 40 Jahren. Und das sollte uns alle beunruhigen: der Zustand unserer liberalen, also freiheitlichen Demokratie. Was eine Demokratie auszeichnet und eine Gesellschaft stark macht, ist die Freiheit, eine Meinung nicht nur zu haben, sondern sie auch frei äußern zu können; die Freiheit der Meinung ist essenziell für Stärke und Resilienz einer Demokratie. Aber nicht einmal mehr die Hälfte aller Deutschen glaubt heute, ihre politische Meinung in unserem Staat frei äußern zu können. Eine wesentliche Ursache dieses Phänomens ist die oft brutale Einengung der freien Meinung im öffentlichen Raum der sozialen Massenmedien. Der demokratische Spielraum wird beschnitten – durch gefährlichen Populismus von rechts und radikalen Dogmatismus von links. Ein Projekt der Universität Mannheim hat das gerade eindrucksvoll beschrieben: Die subjektiv wahrgenommene Meinungsfreiheit sinkt stark durch persönliche Attacken in den sozialen Medien.

Unsere Demokratie hat ein handfestes Problem: Die Räume, in denen Menschen in unserem Land ihre Meinung wirklich frei äußern können, ohne von Menschen, die anderes denken, dafür radikal attackiert zu werden, sind zunehmend schmalere Korridore. Das beginnt in den sozialen Massenmedien, setzt sich fort in immer offensiverer Aggression gegen die freie Presse und frisst sich tief hinein in den akademischen Raum, in dem der wissenschaftliche Diskurs immer öfter auf dem Altar der Cancel Culture geopfert wird. Wann immer aber die Freiheit der Meinungen bedroht ist, ist die Freiheit einer Gesellschaft bedroht.

Als Journalisten und Journalistinnen, als Verlegerinnen und Verleger, als Managerinnen und Manager in der wunderbaren Welt der freien Presse tragen wir eine besondere Verantwortung für die Freiheit der Meinungen, für die Verlässlichkeit der Informationen, für die Vielfalt der Lebensentwürfe in unserem Land und damit für das Fundament jeder offenen, demokratisch verfassten Gesellschaft auf unserem Kontinent: für die Freiheit selbst.

Aber unsere ökonomische Situation ist so fundamental anders als vor 40, vor 30 oder auch noch vor 20 Jahren. Unsere wirtschaftliche Basis ist nach drei Jahrzehnten digitaler Disruption in Bewegung, unsere Märkte durchleben tektonische Verwerfungen. Und genau deshalb brauchen wir in unserer Branche ein hoch spezialisiertes Wirtschaftsmagazin, das sich genau damit auseinandersetzt: mit den wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen wir Verlage heute unserem gesamtgesellschaftlichen Auftrag gerecht werden müssen. HORIZONT zeigt nicht nur den Horizont, sondern unterstützt uns Medienschaffende in der Navigation auf dem Weg dahin.

Dafür gilt mein Respekt den Verlegerinnen und Verlegern hinter dem Verlag, der dieses wichtige Leitmedium unserer Branche herausgibt; er gilt den Managerinnen und Managern, die es durch zunehmend stürmische See lenken; und er gilt den Journalistinnen und Journalisten, die nie müde werden, unseren gemeinsamen Horizont zu vermessen und zu beschreiben.

Ihre Leidenschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hilft der freien Presse, deren essenzieller Teil Sie sind, unserem Auftrag gerecht zu werden: die Freiheit zu verteidigen. Danke.

 

Erschienen in HORIZONT 32-33/2023 10. AUGUST 2023, S. 138

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