Dr. Ralf Nöcker in PRINT&more: Print ist ohne Digital nicht mehr denkbar
PRINT&more | Herr Nöcker, der Effie wird gerne auch als der Oscar der Werbebranche betitelt und wird in diesem Jahr in Deutschland zum 40. Mal verliehen. Was hebt den Effie von der Vielzahl anderer Preise in der Kommunikationsbranche ab?
DR. RALF NÖCKER | Beim Effie geht es um Effektivität, also um die nachgewiesene Wirksamkeit von Markenkommunikation. Die eingereichten Cases müssen überzeugend darlegen, dass die Kommunikation kausal zur Erreichung bestimmter (Marketing-)Ziele beigetragen hat, nur dann haben sie Aussicht auf eine Auszeichnung.
Welche Relevanz haben solche Preise heutzutage noch?
Die Frage kann man so nicht beantworten, gerade weil der Effie eben eine Sonderstellung einnimmt. Der wesentliche Nutzen des Effie ist, dass er einen Anlass bietet, echte Best-Practice-Cases zu produzieren. Dieser Nutzen war und ist unbestritten und wird von Agenturen und vor allem auch von Auftraggebern als sehr hoch eingeschätzt. Daran wird sich auch nichts ändern. Die Relevanz anderer Awards mag ich nicht beurteilen.
Sie sind Geschäftsführer des GWA – des Verbands Deutschlands führender Agenturen. Was hat die Corona-Pandemie für Ihre Mitgliedsagenturen bedeutet?
Wirtschaftlich betrachtet sind wir mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen, die Geschäftsentwicklung der GWA-Mitglieder hat sich im Schnitt kaum von der in „normalen“ Jahren unterschieden. Bei Themen wie der Digitalisierung und der Veränderung von Arbeitsorganisation haben wir, wie die meisten anderen Branchen auch, einen wahren Schub erlebt.
Die Agenturlandschaft in Deutschland ist extrem stark fragmentiert und zudem sehr personen fixiert. Darin unterscheidet sich Deutschland beispielsweise von den USA oder auch Frankreich: Worin liegen Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Ihrer These folge ich nur bedingt. Zum Thema Fragmentierung: Zwar gibt es rund 30.000 Player, die sich „Agentur“ nennen. Nur ein kleiner Teil davon besteht aus Agenturen, die tatsächlich Markenkommunikation mit all ihren strategischen, operativen und kreativen Facetten beherrschen und auch für mittlere und große Kunden arbeiten können, er umfasst lediglich 200 bis 300 Player. Zum Thema Personenfixierung: Markenkommunikation ist zwar immer auch ein „people’s business“, das gilt aber für Deutschland wie für die von Ihnen genannten Märkte gleichermaßen. Ich kann hier keine deutsche Besonderheit erkennen.
In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass die gesamte Agenturszene sich sehr stark auf den Digitalbereich fokussiert. Provokant gefragt: Ist Print nicht mehr hip genug?
Schon wieder muss ich leise widersprechen. Die Agenturszene ist nicht auf den Digitalbereich oder sonst ein bestimmtes Medium fokussiert, sondern darauf, was ihren Kunden am besten hilft, den Herausforderungen ihrer Marken zu begegnen. Daher empfiehlt sie ihren Kunden auch nicht, was „hip“ ist, sondern was in bestimmten Zielgruppen am besten wirkt. Im Übrigen ist doch auch Print ohne Digital gar nicht mehr denkbar, oder?
Ein immer größer werdender Anteil der Werbeausgaben fließt in die Kanäle einiger weniger Tech-Giganten. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Gerade die Social-Media-Plattformen locken ihre Kunden mit vielen Kennzahlen, mit denen sich die Wirksamkeit der Markenkommunikation angeblich gut nachweisen lässt. Viele Entscheider auf Marketingseite freuen sich über diese Erfolgsnachweise. Die Frage ist, ob die Freude berechtigt ist. Es gibt aus meiner Sicht einen Unterschied zwischen Metriken, die auf quantitative Reaktionen auf ein Werbemittel abzielen, und KPIs, die für das Erreichen echter Geschäftsziele stehen. Wer sich auf eindrucksvolle Metriken verlässt und daran seine Budgetentscheidungen ausrichtet, könnte mit Blick auf seine KPIs mittelfristig Schiffbruch erleiden. Insofern sehe ich das kritisch.
Ein Thema, das derzeit in aller Munde ist, heißt Diversity. Der GWA hat dazu aktuell eine Branchenstudie vorgestellt. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass zwar 60 Prozent der Mitarbeiter in den Agenturen weiblich sind, aber nur 18 Prozent in Führungspositionen tätig sind? Wie wollen Ihre Mitglieder darauf reagieren?
Das Thema Gender ist ja nur ein Teil der Diversity-Thematik. Man muss sich also noch ein paar Fragen mehr stellen: Warum gibt es so wenig Mitarbeitende in den Agenturen, die einen anderen als den deutschen Pass haben? Wie sieht es mit dem Thema Altersdiversität in Teams aus? Diversity steht aber, so mein Eindruck, in den allermeisten Agenturen oben auf der Management-Agenda. Das ist allerdings ein sehr komplexes Thema, wenn man es wirklich ernst nimmt. Viele Prozesse müssen hier angefasst werden, zum Teil greift es tief in die Unternehmenskultur ein, deshalb dauert das seine Zeit. Es ist aber, wie die Studie ebenfalls zeigt, in den Agenturen ja auch schon einiges in Bewegung.
Letztlich stehen Verlage und Agenturen als Leistungserbringer für die Unternehmen auf einer Seite: Welche Erwartungen haben Ihre Mitglieder eigentlich an die Verlage? Wie könnte man enger kooperieren?
Da gibt es aus meiner Sicht nur eine Erwartung, wenn es um die Rolle als Dienstleister geht, nämlich die hinsichtlich Effektivität. Wenn sich Verlage als Anbieter effektiver Werbekanäle positionieren können, ist alles gut. Da dies eines der Hauptthemen des GWA ist, bieten sich hier sicher viele gute Kooperationsmöglichkeiten. Der Effie ist eine ideale Plattform, um die Diskussion über Wirksamkeitsfragen zu führen. Hier gäbe es sicher viele Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit.
Zu guter Letzt: Corona hält uns nun bereits im zweiten Jahr in Atem – welche langfristigen Veränderungen erwarten Sie im Bereich der Agenturen durch die Pandemie?
Viele der organisatorischen und kulturellen Fragestellungen, die zuletzt eher kurzfristig und reaktiv angegangen wurden, werden bleiben und müssen strukturell gelöst werden. Wie führt man Teams, die verstärkt »remote« arbeiten, mit Blick auf kreative Exzellenz? Wie vermittelt man die Agenturkultur jemandem, der die Agenturräume noch nie oder nur selten betreten hat? Welche Funktion haben Agenturräume künftig? Wie gestalte ich künftig die Zusammenarbeit mit den Kunden? Das alles sind Fragen, auf die es auch nach der Pandemie neue Antworten braucht.
// Das Interview führte Antje Jungmann.
Infobox effie Awards Germany
Marketing braucht Erfolgsmaßstäbe
Der Effie Germany feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Jubiläum. Seit 1981 verleiht ihn der GWA in Deutschland für besonders wirksame Marketingkommunikation. Die Auszeichnung wird in über 50 Ländern nach vergleichbaren Kriterien vergeben. Mit seinem Ansatz, nur nachweislich effektive Kommunikationsmaßnahmen auszuzeichnen, nimmt der Effie eine Sonderstellung unter den zahlreichen Branchen-Awards ein. Die Verleihung der diesjährigen Effie-Awards findet am 25. November digital statt. Mehr dazu: www.gwa.de/effiegermany