Carsten Brosda: „Partnerschaft für Medieninnovation“
Seit mindestens zwei Jahrzehnten verändern sich Medienproduktion und -rezeption rasant: Digitale Technologien revolutionieren ganze Märkte, plattformökonomische Wertschöpfungsmodelle verändern sicher geglaubte Geschäftsgrundlagen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen müssen immer wieder neu verhandelt werden. Es ist daher eine zentrale politische Aufgabe, die Grundlagen unserer gesellschaftlichen Kommunikation zu sichern, die duale Medienordnung aus öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Angeboten zukunftsfest zu machen und den ordnungspolitischen Rahmen privater Medienangebote auch der Fach- und Publikumszeitschriften auf die Höhe der Zeit zu bringen. Wenn wir hier vorwärtskommen wollen, dann muss sich auch die Bundesregierung im engen Dialog mit der Branche um die Entwicklung einer digitalen Medienordnung kümmern.
Dies ist für viele Medienunternehmen gerade auch der Publikums- und Fachzeitschriften von großer Bedeutung, aber auch für unser gesellschaftliches Miteinander. Denn journalistisch-redaktionelle Medien versetzen Bürgerinnen und Bürger in die Lage, das zu wissen, was alle wissen müssen, um am gesellschaftlichen Gespräch teilzuhaben. Sie stellen spezialisierte Informationen zu unseren jeweiligen ganz besonderen Interessen bereit. Ohne ihre Vermittlungsleistungen wäre Verständigung in einem zunehmend von Fake News und Kampagnen geprägten Umfeld kaum vorstellbar.
Wer aber die Freiheit der analogen und der digitalen Presse sichern will, darf sich deshalb nicht auf grundsätzliche Appelle verlassen. Wer unabhängige Medienangebote auch in Zukunft will – privatwirtschaftlich finanzierte Publikums- und Fachmedien zumal –, der muss ordnungspolitisch gestalten und sich um die rechtlichen Rahmenbedingungen kümmern – auch jenseits des Medienrechts. Auf Länderebene, vor allem aber im Bund und in Europa. Nicht um inhaltlich Einfluss zu nehmen, sondern um professionelle Kommunikation zu ermöglichen und zu sichern.
Dabei werden mediale Innovationsökosysteme entscheidend sein. Die Zukunft der Medien liegt nicht bloß in Regulierung, sondern darin, die Schnittstelle zwischen Inhalten und Technologie besser zu nutzen. Der Staat muss ein Interesse daran haben, technologische und publizistische Erneuerung zu fördern, um die Zukunftsfähigkeit des Journalismus zu sichern. Es gibt kaum eine Branche, die so sehr unter Modernisierungsdruck steht wie die Medien und die zugleich so sehr auf sich allein gestellt ist im Umgang mit dieser Herausforderung. Bedenkt man, wie essenziell mediale Angebote für unsere freiheitliche Demokratie sind, wird umso sinnfälliger, dass wir zu neuen Innovationspartnerschaften kommen müssen, mit denen wir neue technologische Möglichkeiten und neue Geschäftsumfelder entwickeln, die oft sowohl unternehmerische als auch rechtliche Herausforderungen in sich bergen. Daran wollen wir auch im Bund arbeiten.
„Die neue Welt ist digital und medial“, heißt es in unserem Zukunftsprogramm. „Deshalb sind digitale und mediale Teilhabe, Vielfalt, Chancengleichheit und ein kommunikativer Pluralismus von grundlegender Bedeutung. Wir begreifen Medienpolitik auf allen staatlichen Ebenen als Gesellschaftspolitik. Sie dient dazu, das offene demokratische Gespräch unserer Gesellschaft zu stärken.“ Zu diesem Gespräch liefern die Angebote von Fach- und Publikumszeitschriften unerlässliche Beiträge.
Denn es ist eine Besonderheit, dass wir bis heute über eine so reiche Struktur verlegerischer Angebote im Bereich der Zeitungen, Fach- und Publikumszeitschriften verfügen, die privatwirtschaftlich getragen werden. Sie sind ein Garant unserer Demokratie. Ihre Freiheit beruht dabei nicht nur auf der Pressefreiheit, sondern auch auf den wirtschaftlichen Freiheiten, die ihre Verlage genießen – und die zukünftig technologieneutral gesichert werden müssen. Wenn wir Regeln für die digitale Medienwelt entwickeln, dann dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren.
Die SPD hat daher in ihrem Zukunftsprogramm zur Bundestagswahl 2021 beschlossen: „Wir werden die Rahmenbedingungen privatwirtschaftlichen Medienschaffens stärken und insbesondere dort unterstützen, wo bundesrechtliche Fragen des Wettbewerbs-, Urheber- oder Telekommunikationsrechts die Rahmenbedingungen privater Medienmärkte prägen. Den Verlagen werden wir dabei helfen, die Transformation ins Digitale erfolgreich zu bewältigen.“
Dahinter stehen sehr konkrete Vorhaben. Es geht nicht nur darum zu verhindern, dass künftige Regulierungsvorschläge die Spielräume medialer Wertschöpfung einschränken, sondern um die aktive Gestaltung neuer Geschäftsmodelle für journalistisch-redaktionelle Angebote. Ich sehe durchaus mit Sorge, dass verbraucherschutzpolitische Anliegen die Regeln gesellschaftlicher Kommunikation bisweilen stärker prägen als öffentliche Erwägungen. Und dass in der Folge mediale Refinanzierungsmöglichkeiten – sei es durch personalisierte Werbung, sei es durch gezielte inhaltliche Ansprache – kaum mehr möglich sind, weil zum einen Publikumszeitschriften den Skaleneffekten der Plattformen in den Werbemärkten nicht hinterherwachsen können und zum anderen Fachzeitschriften die gezielte Ansprache auch durch Datenschutzvorgaben unmöglich wird. Gerade Zeitschriften sind auf die Möglichkeit angewiesen, mit ihren Kundinnen und Kunden zu kommunizieren. Mit Blick insbesondere auf Brüsseler Regelungsüberlegungen werden wir deshalb darauf achten, dass sie Sicherheit in Medienmärkte bringen und Regelungsunterschiede zwischen globalen Plattformen und regionalen Inhalteanbietern verringern, dass sie aber nicht mit einem Federstrich wichtige Erlösquellen versiegen lassen.
Mit Blick auf das Wettbewerbsrecht brauchen wir Lösungen, die dem Umstand Rechnung tragen, dass Anbietervielfalt nicht mehr zwingend mit Angebotsvielfalt gleichzusetzen ist. Hier sind im GWB bereits Erleichterungen umgesetzt worden, aber es bräuchte auch europäische Lösungen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass wirtschaftlich tragfähige und publizistisch leistungsfähige Unternehmensstrukturen entstehen oder gesichert werden können.
Mit Blick auf digitale Plattformen und Intermediäre wird es entscheidend sein, urheber- und wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingungen so zu definieren, dass das bestehende Machtgefälle verringert wird, damit auch mittelständische Medienunternehmen eine Chance auf eine faire Verhandlungsposition haben. Journalistisch-redaktionelle Inhalte müssen angesichts ihres besonderen Werts auch angemessen behandelt werden. Dabei wird eine globale Unternehmensbesteuerung, wie sie von Olaf Scholz auf internationaler Ebene durchgesetzt worden ist, sicherlich helfen, ebenso der Einstieg in die Intermediärsregulierung im Medienstaatsvertrag. Aber letzten Endes werden wir europäisch einheitliche und klare Regelungen brauchen. Im Urheberrecht z. B. setzt die europäische Richtlinie bereits Maßstäbe, auch weil sie hilft, verlegerische Investitionen in redaktionelle Infrastrukturen zu sichern.