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„Weiter so“ war noch nie eine Option

Nachrichten Landesvertretung Südwest Print & Digital MVFP impuls

Verleger Lars Joachim Rose blickt im exklusiven Interview mit MVFP impuls auf die 180-jährige Transformationsgeschichte der Mediengruppe KLAMBT vom Zeitschriftenverlag zum Medienhaus mit vielen Standbeinen und reflektiert den Wert der Pressefreiheit für unsere Gesellschaft.

Lars Rose: »Weiter so« war noch nie eine Option (MVFP impuls 1/2024)

Wie wirken sich 180 Jahre Unternehmensgeschichte auf die aktuelle Strategie der Mediengruppe KLAMBT aus? „MVFP impuls“ sprach mit Verleger Lars Rose über die Fehlerkultur, den Wert von Kooperation und Zusammenarbeit und warum er froh ist, kein Fußballer geworden zu sein.

MVFP impuls | Der KLAMBT Verlag hat eine bewegte 180-jährige Geschichte hinter sich. Dabei waren Pressefreiheit bzw. Presse-UN-freiheit auch schon für Ihren Gründer Wilhelm Wenzel Klambt ein Thema – verraten Sie uns doch bitte mehr.
Lars Joachim Rose | Unser Unternehmen wurde 1843 von meinem Urururgroßvater Wilhelm Wenzel Klambt im schlesischen Neurode, damals Teil des Königreichs Preußen, gegründet. Als Journalist, Setzer und Drucker gab er die Publikation „Der Hausfreund“ heraus, ein politisches Wochenblatt mit unterhaltenden Elementen für alle Stände, das er selbst schrieb, setzte, druckte und im Glatzer Bergland verteilte. Darin äußerte er auch seine liberale, christlich-bürgerliche Meinung über den Obrigkeitsstaat und wies auf Missstände wie die Unterdrückung der Arbeiter hin. Das gefiel nicht jedem. Presse- und Meinungsfreiheit, wie wir sie heute kennen, gab es im Königreich Preußen nicht. Wilhelm Wenzel Klambt wurde wegen seiner Äußerungen mehrfach gerichtlich vorgeladen, dreimal verhaftet und zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt – aus heutiger Sicht reine Zensur. Trotzdem führte er seine Zeitschrift weiter und übergab sie später seinem Schwiegersohn Georg Rose.

Rund 100 Jahre später – 1944 – musste dann Der Hausfreund auf Befehl der Reichspressekammer eingestellt werden. Was waren die Gründe?
„Der Hausfreund“ ähnelte in Teilen den heutigen Frauenzeitschriften und verband Unterhaltung mit politischen Inhalten. Allerdings schrieb er nie explizit gegen das NS-Regime. Die Reichspressekammer begründete das Verbot damit, dass die Zeitschrift nicht dem völkischen Gedankengut der Nationalsozialisten entspreche. Innerhalb von vier Tagen musste die Zeitschrift eingestellt werden. Kurz darauf, im Winter 1944, floh mein Großvater mit seinem Betriebsleiter und der übrigen Belegschaft vor der Roten Armee aus Schlesien nach Norddeutschland. Von dort aus setzte er nach Kriegsende alles daran, seinen Betrieb wieder aufzubauen. Er reiste durch das zerstörte Land und versuchte, seine Mitarbeiter wiederzufinden – das alles ohne moderne technische Hilfsmittel wie Handy oder E-Mail. Trotz knapper finanzieller Mittel und der anfänglichen Verweigerung einer Verlagslizenz durch die britische Besatzungsmacht gelang es ihm 1949 schließlich, diese von der französischen Besatzungsmacht in Süddeutschland zu erhalten. Daraufhin zogen sowohl der Verlag nach Speyer und Baden-Baden als auch unsere ganze Familie. Wenn man bedenkt, wie viel Leid es damals gab, ist das nichts im Vergleich zu den Krisen, die wir heute erleben. Das waren völlig andere Dimensionen. Die Leidenschaft, nicht aufzugeben und aus den Trümmern wieder etwas aufzubauen, ist sehr beeindruckend. Mein Bruder und ich versuchen, aus dieser Geschichte zu lernen und optimistisch in die Zukunft zu blicken.

Im letzten Jahrzehnt hat die KLAMBT-Gruppe mit einer Expansionsstrategie von sich reden gemacht – nicht zuletzt mit dem Erwerb von Delius Klasing. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt und wie sieht Ihre Strategie für die Zukunft aus? Können wir weitere Akquisitionen erwarten?
Bis zum Jahr 2000 haben wir viele Publikationen selbst gegründet und waren damit erfolgreich. Wir wussten aber, dass der Kernmarkt der Publikumszeitschriften, insbesondere der Frauenzeitschriften, rückläufig ist. Für uns als mittelständisches Unternehmen war ein „Weiter so“ noch nie eine Option. Es gab nur zwei Möglichkeiten: wachsen oder verkaufen. Wir haben uns fürs Erste entschieden. Wir haben neue eigene Titel wie OK und GRAZIA aufgebaut, haben uns in neue Segmente bewegt, kauften Programmzeitschriften dazu und wuchsen mit Frauen- und Unterhaltungszeitschriften des Jahreszeiten Verlags, der OZ-Gruppe und von Burda weiter. Ende 2022 haben wir Delius Klasing übernommen. Das alles zahlt auf unsere anorganische Wachstumsstrategie ein. Zudem haben wir unser Portfolio weiterentwickelt, in Start-ups investiert und eine Firma für Filmsynchronisation aufgebaut. Wir wollen langfristig wachsen und unser Portfolio sinnvoll ergänzen. Während der Pandemie haben wir gesehen: Unternehmen mit mehreren Standbeinen stehen auch in Krisenzeiten stabil.

Sie selber sind seit 2003 als geschäftsführender Gesellschafter, Ihr Bruder seit 2006 in der Verantwortung. Seit dieser Zeit erlebt die Branche tiefgreifende Veränderungen. Was haben Sie richtig gemacht, was hätten Sie aus der Rückschau besser oder anders machen wollen?
Wir haben vieles richtig und vieles falsch gemacht, aber unser Umgang mit Fehlern ist ein Schlüssel zum Erfolg. Eine Kultur, die Fehler erlaubt und daraus lernt, ist essenziell. Obwohl Projekte wie „Flair“ im Mode-Luxusmarkt nicht erfolgreich waren, bleiben wir experimentierfreudig und lernbereit. Wir würden unsere Unternehmensphilosophie nicht ändern, da sie uns ermöglicht hat, ein stabiles Unternehmen aufzubauen. Wir fördern eine Kultur der Eigeninitiative, in der Fehler als Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.

Die disruptiven Veränderungen gehen weiter. Welche Rolle spielt in diesen bewegenden Zeiten der Fakt, dass KLAMBT ein Familienunternehmen ist?
Unsere Stärke als Familienunternehmen liegt – auch aufgrund unserer Geschichte – im großen Rückhalt innerhalb des Gesellschafterkreises. Wir streben nach wirtschaftlichem Erfolg, um unser Medienhaus zukunftssicher aufzustellen, im Gegensatz zur Gewinnmaximierung in manchen Großunternehmen. Dank unserer Größe profitieren wir von schnellen Entscheidungswegen ohne Aufsichtsrat oder Aktionärsversammlung. Mein Bruder und ich sind operativ im Unternehmen tätig, sodass Entscheidungen schnell umgesetzt werden können. Diese Agilität wird meiner Meinung nach immer wichtiger. Vielleicht heißt es in Zukunft nicht mehr „Die Großen schlagen die Kleinen“, sondern „Die Schnellen schlagen die Langsamen“.

Was sind für Sie bzw. KLAMBT die größten Herausforderungen der nächsten fünf Jahre und wo soll der Verlag dann stehen?
Der Fachkräftemangel stellt für uns eine große Herausforderung dar – heute und auch zukünftig. Es ist ein Hemmschuh für neue Projekte, wenn man nicht weiß, woher man die Leute dafür nehmen soll. Deshalb müssen wir mit maximaler Flexibilität an neue Dinge herangehen. Darin sind wir gut. Die Digitalisierung, insbesondere im Kerngeschäft der wöchentlichen Frauen- und Programmzeitschriften, gestaltet sich schwierig. Das bedeutet, dass wir noch schneller neue Geschäftsfelder finden und aufbauen müssen, die diese wirtschaftliche Stärke in den nächsten fünf bis zehn Jahren kompensieren. Daran arbeiten wir. Bei Delius Klasing bieten die Marken und Themen gute Chancen für die Digitalisierung. Deshalb versuchen wir, über unser Kerngeschäft hinaus neue Felder zu erschließen.

Stichwort Kooperationen: Hier gibt es innerhalb der Branche auf unterschiedlichsten Ebenen verschiedene Ansätze. Wie beurteilen Sie das Thema? Wo machen Kooperationen aus Ihrer Sicht Sinn, wo nicht?
Wir pflegen langjährige Kooperationen, etwa mit Bauer bei der „Freizeitwoche“, die wir 2004 als Joint Venture gegründet haben. Meines Erachtens ist eine Kooperation dann sinnvoll, wenn dabei Stärken und Ressourcen gebündelt werden. Solche Partnerschaften setzen wir fort: Wir haben Vertriebskooperationen im MZV mit Burda und FUNKE. Seit anderthalb Jahren bauen wir unser Anzeigengeschäft mit BCN aus und sind seit Januar 2024 Gesellschafter. Kooperationen im nicht journalistischen Bereich, wie Vertrieb, Anzeigen, Backoffice und Logistik, reduzieren Kosten und bieten Spielraum für Effizienzsteigerungen. Für die Leserinnen und Leser spielt es keine Rolle, ob wir die Zeitschriften gemeinsam mit unserem Mitbewerber auf einem Lkw zum Point of Sale fahren. Sie wollen das beste Produkt kaufen. Dieser Wettbewerb wird in den Redaktionen entschieden. Danach handeln wir, soweit es kartellrechtlich zulässig ist. Hier sehen wir noch dringenden Änderungsbedarf im Kartellrecht und dem GWB.

Sie sind als Vorstandsmitglied auch sehr aktiv im MVFP. Was ist Ihr persönlicher Antrieb dafür, sich seit vielen Jahren so intensiv einzubringen?
Unabhängig von ihrer Größe sind Presseverlage allein zu schwach, um den politischen Herausforderungen und den Technologiegiganten die Stirn zu bieten. Aber gemeinsam können wir für faire Marktbedingungen kämpfen. Dafür ist die Arbeit im MVFP essenziell – ebenso wie für den Erhalt der Presse als vierte Gewalt in Deutschland und als Teil unserer Demokratie. Die Blockaden von Logistikzentren und Medienhäusern zu Beginn des Jahres unterstreichen die Bedrohung der Pressefreiheit. Als Verband zeigen wir Stärke, wenn 350 Verlage gemeinsam die Presse- und Meinungsfreiheit als unser höchstes Gut verteidigen.

Die politische Atmosphäre – nicht nur – in Deutschland wird zusehends rauer. Was können Verlage bzw. deren Medien Ihrer Meinung nach tun, damit unsere Gesellschaft auch morgen noch lebenswert ist?
Zum einen müssen wir die Arbeit unserer Regierung kritisch begleiten. Ein freier und kritischer Journalismus ist dafür unverzichtbar. Gleichzeitig wäre mir manchmal wohler, wenn wir als Medien insgesamt nicht immer den Eindruck erwecken würden, dass unser Land morgen zusammenbricht. Viele meiner Freunde und Geschäftspartner im Ausland wundern sich oft, in welches Untergangsszenario wir uns selbst hineinreden und -schreiben. Trotz Stagnation des Wirtschaftswachstums sind wir eine der stärksten Volkswirtschaften weltweit. Die negative Grundstimmung, für die u. a. auch Medien mitverantwortlich sind, kann ich nicht teilen. Ich kann nur appellieren, realistische Kritik zu üben und nicht den Untergang des Abendlandes zu prophezeien.

Eine persönliche Frage noch zum Schluss, Herr Rose: Wenn Sie nicht Verleger geworden wären, was wären Sie dann geworden?
Als Jugendlicher war für mich immer klar, dass ich irgendetwas mit Sport machen werde. Zum Glück durfte ich nie Fußballspieler werden, da hätte ich ziemlich versagt (lacht). Heute bin ich sehr froh, dass ich einen anderen Weg gegangen bin.

Das Interview finden Sie ebenfalls im E-Paper der MVFP impuls!

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